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POV: Linda

Da ich die Woche Urlaub hatte, war ich in den letzten Tagen ein wenig im Umland von Berlin unterwegs. Am Nachmittag fand ich mich in einem Café ein, bevor ich die letzten Meter zur Wohnung von Lukas und Jessica weiterfahren würde. Ich hatte mich mit einem ehemaligen Klassenkameraden verabredet und nahm bereits in der Lokalität Platz. Nachdem ich meine Bestellung aufgegeben hatte, kam Ian durch die Eingangstür. Er sah sich kurz um, erblickte mich zu seiner Linken und kam auf mich zu. Seine Jacke fand über der Lehne des Holzstuhles Platz. "Na kleine, lange nichts mehr gehört.", lachte er leicht, als er sich auf dem Stuhl neben mir niederließ. "Das Klassentreffen ist doch gerade einmal vier Monate her.", entgegnete ich amüsiert. "Und wir waren mal beste Freunde.", mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich an. "Und du bist erst vor sechs Monaten nach Berlin zurückgezogen, nach fünf Jahren Köln.", sagte ich leicht gehässig. "Ja... Ja... Schon gut...", Ian rollte mit den Augen und griff zur Karte, die auf dem Tisch lag.

Wir unterhielten uns angeregt und hatten auch die Zeit ganz außer Acht gelassen. Mein Blick lag auf meinem ehemals besten Freund, nur im Augenwinkel konnte ich sehen, dass ab und an eine Person das Lokal betrat oder verließ. Ian wendete seinen Blick von mir ab und fixierte sich an einer brünetten jungen Dame. "Alter...", stieß er begeistert aus. "Schau dir mal diesen Arsch an.", Ian atmete tief durch.
"Ich dachte, du hast von Frauen erstmal die Schnauze voll?", sagte ich trocken.
"Du kannst mir nicht erzählen, dass dich der Arsch nicht auch wuschig machen würde.", kurz sah er mich an und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder der ihm wohl Unbekannten. Als eine Bedienung an die Theke kam, gab sie ihre Bestellung auf. Sie blickte kurz zur Seite in die Vitrine mit dem Kuchen und anschließend wieder die Bedienung an. "Hübsch ist sie auch."
"Sprich sie doch an.", diese Aussage war in Anbetracht der Situation wahrscheinlich ein wenig gemein, aber es amüsierte mich.
"Vergiss es, sie hat bestimmt 'nen Freund.", er rollte mit den Augen und hielt seinen Blick wieder an ihr fest.
"Lass es uns doch rausfinden.", lachend hob ich mein Handy von der Tischplatte und wählte die Nummer von Jessica. Wir beobachteten, wie sie den Anruf annahm.

"Linda, ich rufe dich gleich zurück, okay?", sagte sie kurz.
"Setz dich doch einfach zu uns.", lachte ich, suchend drehte sie ihren Kopf, bis sie schlussendlich unseren Tisch fand.
"Du bist und bleibst ein Arsch.", flüsterte Ian mir amüsiert zu und grinste Jessica an, sein zufriedener Blick nahm ab und er wirkte nachdenklich.

Jessica stellte das Glas mit ihrem Latte Machhiato und den Teller, auf dem sich ein Stück Schokoladenkuchen befand, ab. "Ich wusste gar nicht, dass du schon wieder zurück bist.", merkte sie an und setzte sich. "Wo sind meine Manieren, ich bin übrigens Jessica.", ihr Blick ging zu Ian über, der sie noch immer fragend anblickte.
"Alles gut... Ich bin Ian...", er zwinkerte kurz, doch sein Blick blieb unverändert.
"Ist alles in Ordnung?", fragte Jessica, ihr Blick wechselte zwischen mir und Ian.
"Kennen wir uns irgendwoher?", er kratzte sich kurz am Hinterkopf.
"Natürlich kennt ihr euch.", lachte ich leicht. "Nur ist das schon fast vierzehn Jahre her.", merkte ich amüsiert an, lehnte mich auf dem Stuhl zurück und überschlug meine Beine. "Georg-von-Giesche-Schule... Klingelt's?", bei meiner Anmerkung lachte ich Jessica leicht an.
"Nee... Die Streberin?", Ian sah Jessica mit großen Augen an.
"Der Noop?", fragend sah Jessica mich an. Ich saß breit grinsend auf meinem Stuhl und beobachtete die beiden.
"Was heißt denn hier Noop?!", brachte Ian ihr genervt entgegen.
"Bevor ihr jetzt hier diskutiert, seid einfach ruhig und versucht normal miteinander umzugehen.", beide rollten mit den Augen.
"Gut, was machst du denn jetzt?", fragte Ian Jessica interessiert.
"Mir gehören zwei Werkstätten. Eine in Göttingen und seit diesem Jahr habe ich eine hier in Berlin übernommen.", Jessica sah mich an und lächelte leicht.
"Arbeitest du bei ihr, Linda?", fragte Ian überrascht.
"Ja, aber ich war schon vor ihr da. So haben wir uns nach den Jahren wiedergefunden.", zufrieden sah ich Jessica an.
"Und wie verdienst du deine Brötchen?", gespannt sah sie Ian an und nahm ein kleines Stück von ihrem Kuchen mit der Gabel auf.
"Der Noop, ist jetzt Steuerberater. Bis vor einem halben Jahr habe ich noch in Köln gewohnt und bin jetzt auch wieder zurück in der Heimat."
"Die Streberin ist beeindruckt.", sagte Jessica leicht amüsiert. "Moment.", sie zog ihr klingelndes Handy aus der Tasche ihrer schwarzen Jeans und nahm einen Anruf an. "... Kein Problem, bringe ich dir dann mit. Bis später... Ich liebe dich auch.", ein Lächeln lag auf ihren Lippen und sie legte ihr Handy auf dem Tisch ab.

"Lukas?", fragte ich leicht besorgt, woraufhin sie nickte. "Wie geht es ihm?"
"Schon besser, es werden wahrscheinlich keine weiteren Termine abgesagt. Ich glaube, er hat sich mehr damit unter Druck gesetzt, gesund zu werden, um niemanden zu enttäuschen. Also wir haben wohl ab morgen Abend wieder sturmfrei.", lachte Jessica leicht, in ihren Augen konnte man sehen, dass sie besorgt um ihren Partner war.
"Ihr wohnt auch noch zusammen?", fragte Ian.
"Es ist gerade eher eine Notlösung, aber ich bin auf der Suche nach einer Wohnung und habe auch schon etwas in Aussic...", ich verstummte, als ein Pärchen die Lokalität betrat. Jessica folgte meinem Blick und hielt ihre Augen ebenfalls an dem jungen Glück fest. 

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt