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POV: Jessica

Mit leichten Kopfschmerzen erwachte ich am Samstagmorgen auf dem Big-Sofa im Wohnzimmer. Langsam setzte ich mich auf und griff nach der Wasserflasche auf dem Couchtisch. "Baaah!", stieß ich angeekelt aus, als ein paar Tropfen des klaren Gemischs meine Geschmacksknospen trafen. Ich erhob mich vom Sofa, um mir aus der Küche eine Flasche Wasser zu holen. - Ja gut, ich gehe dann wohl einkaufen. - Mir entfleuchte ein lautes Seufzen und ich griff in den Hängeschrank, aus dem ich ein Glas nahm, welches ich am Wasserhahn füllte. - Sekunde... Was ist mit Linda? - Auf der Arbeitsplatte stellte ich das Gefäß ab und steuerte zuerst das Schlafzimmer an. - Ist sie doch noch gegangen? - "Ahhh... Scheiße!", ein gedämpfter Anprall war aus dem Badezimmer zu hören. Ich riss die Tür auf, Linda saß vor der Toilette auf dem weißen Fliesenboden und hielt sich den Kopf. "Was ist denn passiert?", fragte ich leicht erschrocken und sah sie mit großen Augen an. "Bin wohl im Schlaf abgerutscht und mit dem Kopf gegen den Schrank unterm Waschbecken geknallt.", sie sah zu mir auf. "Ich hol' dir schnell was zum Kühlen.", sagte ich besorgt und ging wieder zurück in die Küche. Während ich im Gefrierfach der Kühlkombination die Fächer nach einem Kühlpad durchsuchte, hörte ich, wie sich Linda im Badezimmer übergab.

"Konterbier?", ich überreichte ihr das Kühlpad, während sie vor der Toilette kniete und sich auf dem Sitzring aufstützte.
"Schnauze.", sagte sie leicht amüsiert und legte sich das Kühlpad an den Kopf. "Mit dir trinke ich nie wieder."
"So viel war das doch gar nicht.", lachte ich leicht.
"Stimmt... Ich hatte Korn und Wodka zusammengekippt.", merkte sie augenrollend an.
"Das war also...", begann ich meinen Satz, nachdem mir eingeleuchtet hatte, was ich mir nach dem Aufwachen beinahe hinter die Binde gekippt hätte. "Egal."
"Frag mich nicht, ich dachte, das wird schon nicht so schlimm.", Linda winkelte ihre Beine an, umschlang diese mit ihren Armen und legte ihren Kopf auf ihren Knien ab. Schweigend verweilten wir im Badezimmer.

"Kein Funken Charme – Nur ein dreckiges Lächeln
So hast du mein Herz gestohlen – das perfekte Verbrechen
In meiner Brust, kann man Schätze entdecken..."

Aus dem Wohnzimmer erklang der Ton eines eingehenden Anrufes, auf meinem Handy. "Willst du nicht rangehen?", fragte Linda, ohne ihren Kopf zu heben.
"Ich rufe dann einfach zurück.", ich sprach sanft zu ihr und hielt meinen Blick an ihr fest.
"Vielleicht ist es wichtig.", entgegnete sie mir und sah mich an, ich zog meine Augenbrauen nach oben. "Danke.", fast stumm sprach sie zu mir.
"Kein Thema."
"Mensch Jess, was mach' ich denn jetzt?", fragte sie aufgelöst. "Ich will nicht mal in die Wohnung zurück. Im Endeffekt bumst sie da gerade mit dem Kerl... Vielleicht hat sie auch schon ihre Sachen gepackt und ist zu...", Linda begann sich mit jedem weiteren Satz hineinzusteigern.
"Hey... Hey... Hey...", sagte ich beruhigend und setzte mich zu ihr auf den Boden. "Ganz ruhig, eh du mir hier noch wegklappst."

~*~

"Ich glaube, mir wird schon wieder schlecht.", nervös saß Linda auf der Beifahrerseite meines Wagens, wir waren auf dem Weg zu der gemeinsamen Wohnung mit Lilith. Als wir im Badezimmer saßen, hatte Lukas versucht, mich anzurufen. Er hatte vorgeschlagen, dass Linda bei uns unterkommen könnte, solange er auf Tour wäre, dass er danach etwas abschalten könnte. Nach einem kleinen Frühstück und einem andauernden Gespräch war Linda zu dem Entschluss gekommen, ein paar ihrer Sachen zu holen. "Ganz ruhig, du bist nicht allein.", Linda schluckte laut, atmete tief und nickte.

"Wartest du bitte hier?", ihr Blick hielt sich an dem hellen Altbau im Stadtteil Weißensee fest.
"Soll ich nicht mit hochkommen?", fragte ich besorgt, doch Linda schüttelte stumm mit dem Kopf, der traurige Blick in ihren Augen hielt sich seit ihrer Ankunft in unserer Wohnung. Sie stieg aus meinen Wagen und lief zögernd auf die Haustür zu.

"Gurl... Wann sehen wir uns wieder.
Tut mir leid, dass ich beim
letzten Mal absagen musste."

Ein freudiges Grinsen zeichnete sich auf meinem Gesicht ab, als ich die Nachricht von Ena auf dem Sperrbildschirm meines Handys sah. - Konzert ist am Mittwoch, sprich... -

"Ich bin am Mittwoch in Hannover
auf dem Konzert von Lukas, am
Donnerstag fahre ich vom Hotel aus
nach Waake, zu meinen Eltern.
Soll ich danach nach Bielefeld kommen?"

Es dauerte nicht lange, bis Ena mir antwortete und mir für die Nacht von Donnerstag auf Freitag einen Schlafplatz zur Verfügung stellte. Zufrieden legte ich mein Handy wieder auf die magnetische Halterung und stieg aus dem Wagen, um eine Zigarette zu rauchen.

Ich lehnte an der Fahrerseite, sah in den bewölkten Himmel und atmete den Rauch der Zigarette aus. Langsam drehte ich meinen Kopf und mir fiel ein bekannter dunkelblauer Škoda Octavia ins Auge, welcher vier Fahrzeuge vor mir parkte. Nachdenklich legte ich meine Stirn in Falten. - Pff... Niemals... Selten ist die Karre noch nie gewesen. -

"So... Wir können.", mit weinerlicher Stimme sprach Linda mich an. Auf ihren Wangen zeichneten sich frisch getrocknete Tränen ab und sie rümpfte die Nase. Stumm setzte sie die große Tasche auf der Rückbank ab und stieg in den Wagen. Ich schnippte den Stummel der Zigarette weg und nahm auf dem Fahrersitz platz.

"Geht's?", fragte ich nach einer kurzen Zeit auf der Fahrt nach Neukölln.
"Sie war nicht allein.", antwortete sie trocken und hielt ihren Blick eisern auf der Straße. 

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt