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POV: Steven // Sudden

"Guten Morgen, Hase.", ich nahm den Klang von Melina's zarter Stimme wahr. Langsam öffnete ich meine Augen, streckte mich lautstark und sah sie verträumt an. Melina beugte sich über das Bett und strich mir sanft über die Wange. Meine Arme schlang ich um ihre Taille, zog sie fest an mich heran und somit wieder ins Bett. Ein lautes Lachen entfleuchte ihr. "Hase, wir müssen bald los. Wir fahren ein ganz schönes Stück.", sagte sie beinahe wehrlos. "Noch fünf Minuten.", amüsiert näherten sich unsere Gesichter und wir vereinten unsere Lippen zu einem intensiven Kuss. Nachdem der Kontakt zwischen Matteo und Melina viel besser war, als ursprünglich erwartet, hatte sie sich vorgenommen, den Kontakt mit ihrem Halbbruder Julian ebenfalls zu verbessern. Als er vor acht Jahren nach dem Abitur mit ein paar Freunden einen kleinen Reisetrip nach Zürich gemacht hatte, traf er dort auf seine Lebensgefährtin und ist eineinhalb Jahre später zu ihr gezogen. Der Kontakt zu Melina wurde weniger, durch ihre zunehmende Depression hatte sie sich mehr und mehr von ihm abgekapselt, da er aufgrund der Entfernung für sie nicht mehr greifbar war. Nach der Beerdigung ihrer Großmutter begannen sie öfter zu schreiben und auch zu telefonieren. Julian hatte vor ein paar Tagen vorgeschlagen, dass wir ihn besuchen könnten, ein Angebot, das Melina mit Stolz annahm. "Jetzt aber... Raus... Aus den... Federn.", sie versuchte sich vergebens aus meinen Armen zu befreien. "Ich lass' dich nicht mehr los, meine Süße.", ich zog sie wieder in einen Kuss. "Mich wirst du auch nicht mehr so einfach los, aber du musst echt aufstehen, es ist schon halb zehn. Wir wollten spätestens neunzehn Uhr da sein.", belehrte sie mich. Langsam löste ich meine Arme von meiner Freundin und drehte mich auf den Rücken. "Schon gut, Süße.", sagte ich und gähnte kurz. Melina pikste mir mit ihrem Zeigefinger in die Hüfte, worauf ich leicht zuckte. Als ich mich links umdrehte, um mich aufzusetzen, fiel ich aus dem Bett. "Boar... Alter...", stieß ich leicht schmerzerfüllt, aber auch amüsiert aus. Melina lugte über die Kante des Bettes und fragte mich mit einem unterdrückten Lachen, ob alles gut sei. "Hmm... Bin jetzt wach.", lachte ich leicht und setzte mich auf. "Dein Kaffee ist mittlerweile bestimmt schon abgekühlt.", zwinkerte Melina und begab sich aus dem Bett.

"Wir sollen gut sein, doch die Welt ist so schlecht, schlecht, schlecht
Zeig uns das Glück und wir werfen es weg, weg, weg
Durch Schmerz bauen wir den Frust ab als Mensch
Denn wir fühlen uns nur gut, wenn wir's kaputtmachen können..."

Melina saß voller Freude hinter das Lenkrad ihres Opel Corsa geklemmt und sang lautstark alle Texte ihrer Lieblingssongs mit, laut dem Navi sollten wir die angegebene Adresse in der nächsten Viertelstunde erreichen. Mein Blick ging zu meiner Freundin über, welche ich während der fast achtstündigen Fahrt beinahe zu den beiden Pausen drängen musste. "Freust du dich?", zufrieden hielt sich mein Blick an ihrem Profil fest. "Ist das eine rhetorische Frage?", lachte Melina.

Gut gestimmt wurden wir im Erdgeschoss von Julian und seiner Frau, Felice, empfangen. Melina lernte an dem Abend ebenfalls Carolin, ihre zweijährige Nichte, kennen. Zusammen mit Julian brachte sie die Kleine kurz nach unserer Ankunft ins Bett und nachdem uns das Gästezimmer gezeigt wurde, fanden wir uns im Wohnzimmer ein, um den Abend ausklingen zu lassen.

"Du warst so ruhig heute Abend, ist alles in Ordnung?", fragte Melina vorsichtig, als sie in meinem Arm lag, sanft strich sie mir über meinen Oberkörper.
"Merkt man das wirklich so sehr?", ich lachte leicht und starrte weiter im Dunklen an die Decke.
"Na ja, dafür, dass du dich bei Telefonaten mit Julian in der vergangenen Zeit so gut einbringen konntest, war davon heute Abend nicht viel zu sehen.", ich drehte mich zu Melina.
"Mir ist heute Abend bewusst geworden, wie lange ich schon keinen richtigen Kontakt mehr mit meinem Bruder hatte. Patrick wohnt auch in Braunschweig, trotzdem hatte ich in den letzten Monaten kaum Kontakt zu ihm. Die letzten Nachrichten schickten wir uns an Neujahr.", sagte ich bedrückt. "Meine Nichte habe ich auch schon ewig nicht mehr gesehen.", ich atmete tief durch und suchte mit meinen Augen in der Dunkelheit nach denen von Melina.
"Ich glaube, dein Bruder wird dir, das nicht übel nehmen, wenn du dich nach der Zeit, die vergangen ist, wieder meldest, ganz im Gegenteil.", sprach sie zuversichtlich.
"Es ist aber schon länger so, dass ständig Funkstille herrscht."
"Hase... Zwei Zimmer weiter liegt das beste Beispiel. Ich hatte mich komplett von meinem Bruder abgekapselt und du hast ja gesehen, wie der Abend war."
"Hmm... stimmt auch wieder.", nachdenklich antwortete ich.
"Das klingt trotzdem nicht überzeugend.", lachte Melina leicht.
"Doch, ich... Ich werde mich morgen bei Patrick melden.", um das Gespräch langsam beenden zu können, küsste ich mich Melina zärtlich und wünschte eine gute Nacht.

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt