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POV: Steven // Sudden

"Wird das bei euch jetzt zur Gewohnheit, seiner Freundin eine Augenbinde anzulegen und sie ins Auto auf die Beifahrerseite zu verfrachten?", Melina verschränkte ihre Arme und drehte ihren Kopf zu mir. Meine Nervosität stieg mehr und mehr an, da ich nicht abschätzen konnte, ob sie sich mit meinem überraschenden Gedanken anfreunden konnte. Als wir vor ein paar Wochen in den verschiedensten Erinnerungen an unsere Kindheit schwelgten, überkam es mich und ich hatte in den darauffolgenden Tagen, meinen Gedanken dazu geordnet. "Hallo? Wieczorek an Matyssek.", sagte Melina mit einem genervten Unterton.
"Scheint so.", lachte ich und fuhr mir mit der linken Hand durch meine Haare.
"Nicht mal ein kleiner Hinweis? Komm schon, Hase.", sie schmollte und hielt ihren Kopf noch immer in meine Richtung.
"Ja gut... Wir sind... da.", mit einem leichten Lachen, parkte ich meinen Wagen vor dem Tierheim und stellte den Motor ab. Sowie ich meiner Partnerin die Tür der Beifahrerseite meines Wagens geöffnet hatte, vernahmen wir ein scheues Bellen.
"Steven?", fragte Melina schüchtern.
"Ähm... Ja, mein Herz?", mit großen Augen blickte ich auf sie herunter.
"Wo sind wir?", der Ton ihrer Stimme war ernst angehaucht.
"Ähm... Im Z..."
"Steven...", hakte sie wieder nach.
"Ist ja schon gut, Süße.", ergeben suchten meine Hände den Knoten der schwarzen Augenbinde an ihrem Hinterkopf. Ich öffnete die Verschlingung, langsam öffnete sie ihre Augen, da sie direkt in die Sonne blickten würde. Melina sah sporadisch an mir vorbei und weitete ihre Augen, als sie das Schild des Tierheims erblickte.
"Was... Hase, was machen wir hier?", leicht erschrocken hielt sich ihr Blick noch immer an der Tafel aus Holz fest. Ich reichte Melina meine Hand, welche sie zögernd ergriff, sie stieg aus meinem Wagen und richtete ihren Blick wieder auf das Schild, ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab.

Eine Dame mittleren Alters empfing uns am Eingang. "Pünktlich, wie die Maurer. Sie müssen Herr Matyssek sein.", sprach sie lachend und reichte uns ihre Hand. "Dann dürfen Sie mir gern folgen.", mit einer ausholenden Handbewegung verwies sie auf den Hinterausgang und führte uns zum Hundehaus. Melina war so verunsichert, dass ich ihren Herzschlag hören sowie spüren konnte. Meinen Blick richtete ich auf einen großen Hund mit beeindruckendem Aussehen. Sein sehr helles braunes bis sogar graues kurzes Fell sah äußerst gepflegt aus, um seine Schnauze war sein Fell eher dunkel. "Ein Kangal...", vernahm ich kleinlaut von Melina, welche ihre Augen nicht von dem Tier lösen konnte. "Das ist Mogli, seinetwegen hatten Sie angerufen, Herr Matyssek.", merkte sie an und der Blick meiner Freundin ging schnell zu mir über. Ihre Augen waren geweitet und sie atmete schwer. "Ja, seinetwegen hatte ich angerufen.", ich hielt meinen Blick an Melina fest und zog einen Mundwinkel hoch. "Dann würde ich mal die Leine holen und wir gehen ein Stück mit unserem kleinen Rebellen."

"Ich glaube, wir haben mit Ihnen und Ihrer Partnerin das passende Match für unseren Mogli gefunden.", die Mitarbeiterin des Heims sah zu mir auf. Melina und Mogli waren ein Herz und eine Seele, sie spielten bereits zusammen auf der angelegten Hundewiese.
"Das glaube ich auch, können wir ihn direkt heute mit zu uns nehmen?"

~*~

Melina und ich lagen am Abend auf ihrem Sofa und blickten auf den schlafenden Hund, in dem grauen Bett neben ihrer hellen Kommode gegenüber von uns. Langsam drehte sie ihren Kopf zu mir hoch und sah mich mit einem breiten und zufrieden Grinsen an. "Wie bist du darauf gekommen, Hase?", fragte sie ruhig.
"Kannst du dich noch erinnern, als wir uns vor ein paar Wochen über die schönsten Erinnerungen aus unserer Kindheit erzählt haben?", Melina nickte. "Du hast mir von Balou erzählt, dem Kangal, den deine Großeltern aus dem Tierasyl geholt hatten, kurz nachdem bei ihnen eingezogen warst.", in ihren Augen sammelten sich Tränen an. "Ich hatte mir danach ein paar Tage den Kopf zerbrochen, ob es vielleicht zu früh für ein gemeinsames Tier wäre und dann, wie der Algorithmus es so wollte, hatte ich eine Werbeanzeige auf der Startseite bei Instagram von unserem Tierheim. Mogli ähnelte deiner Beschreibung von Balou so sehr, dass ich deren Seite im Internet über den Link aufrief und war entschlossen einen Termin zu vereinbaren, als ich den 'kleinen' Racker sah.", zärtlich strich ich Melina mit meiner linken Hand über ihren Hinterkopf und trocknete ihre Tränen mit dem Daumen meiner rechten Hand.
"Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.", sprach sie weinerlich und versteckte ihr Gesicht in meinem weißen Shirt. "Danke.", vernahm ich dumpf.
"Nicht dafür, mein Herz."
"Doch...", wieder hob sie ihren Kopf. "Danke, dass du mir, im übertragenen Sinne, meinen besten Freund zurückgebracht hast." 

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt