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POV: Lukas //Alligatoah

Mitten in der Nacht schloss ich die Tür der Wohnung auf, es war stockdunkel und aus dem Schlafzimmer hörte ich Jessica, wie sie im Schlaf ganz leise wisperte. Ein zufriedenes Lächeln umspielte meine Lippen, als ich im Türrahmen stand und meinen Blick an meiner Freundin festhielt. Das letzte Konzert der 'Retour' im Frühjahr hatte ich erfolgreich hinter mich gebracht und ich konnte mich, trotz kleinem Zwischenfall, mit meiner Leistung zufriedenstellen. Ich entledigte mich meiner Kleidung und legte mich zu meiner Partnerin in das Bett, nachdem ich das Badezimmer aufgesucht hatte. Der schwache Schein des Mondlichtes fiel durch das Fenster des Schlafzimmers; glücklich blickte ich meine ruhig schlafende Freundin an. Sie schlief auf dem Bauch, einzelne Strähnen ihres Haares fielen über ihr Gesicht. Sanft strich ich Jessica über ihren nackten Rücken und zog ihre Decke ein Stück höher. Bevor ich mich ganz niederlegte, hauchte ich einen Kuss auf ihre Schläfe. "Lukas.", flüsterte sie schlafend, drehte sich auf die Seite und zog die Decke über ihre Schulter. Ich atmete tief aus, schloss meine Augen und fand langsam
meinen Schlaf.

~*~

"Mäuschen... Dein Wecker klingelt...", verschlafen sprach ich zu Jessica, welche in der Nacht Platz in meinem Arm gefunden hatte, ihr Rücken war mir zugewandt. "Ich hab frei...", grummelte sie und drehte sich zu mir herum. Noch immer war der schrille Ton zu hören, welcher mittlerweile ein schmerzhaftes Ziehen in meinem Kopf auslöste. Langsam öffnete ich meine Augen und blickte sporadisch durch den Raum. Das laute Geräusch kam von draußen und war durch das gekippte Fenster gut zu hören. Ich schob den Arm von Jessica, welcher über meinem Bauch lag, von mir und erhob mich aus dem Bett, um aus dem Fenster zu sehen. "Ähm... Süße?", ruhig sprach ich zu ihr, doch hielt meinen Blick fest an ihrem schwarzen Passat.
"Hmm...", murmelte sie und zog ihre Decke höher.
"Ich bin kein Experte, aber ich glaube, dein Auto sollte so nicht aussehen.", schlagartig öffnete sie ihre Augen und setzte sich auf.
"Was willst du mir damit sagen?", während sie besorgt ihre Frage stellte, kam sie langsam aus dem Bett heraus. Mit der Decke, welche sie vor ihren Oberkörper hielt, sah Jessica aus dem Fenster. "Das ist doch wohl nicht... Mein... Mein Auto...", aufgelöst blickte sie mich an. Jessica schob sich an mir vorbei und öffnete den Kleiderschrank. Sie zog sich eine Jogginghose über und ein weites Shirt, ihre Haare machte sie schnell mit einem Gummi zusammen. So schnell konnte ich gar nicht reagieren, als ich sie bereits unten auf der Straße sah. Ich zog mich ebenfalls schnell an, über meinen rechten Unterarm legte ich die Jacke von Jessica und verließ die Wohnung, um zu ihr zu stoßen.

"Was soll heißen, dass ich davon keine Ahnung habe? Das sieht jeder Blinde, dass es ein Totalschaden ist!", sagte Jessica streng zu dem älteren Herrn, der auf der anderen Seite ihres Wagens neben einem weißen Kastenwagen stand.
"Gute Frau...", recht hochnäsig betonte er diese Worte, mit denen er einen Satz beginnen wollte.
"Gute Frau? Hören Sie mir auf mit 'Gute Frau'.", sie stützte sich am Türrahmen der Beifahrerseite ab. "Wie haben Sie das überhaupt geschafft, mir die Kiste so zusammenzufahren?", fragte Jessica entsetzt.
"Woher soll ich das denn wissen?", genervt sah er Jessica an. Ich legte ihr die Jacke über die Schultern und sie sah mich kurz dankend an.
"Eine bessere Antwort hätten Sie sich nicht zusammenreimen können?", Jessica atmete tief und schwer.
"Ey... Ey... Paps, was hast du denn hier gemacht?", Simon, der Angestellte von Jessica, hielt mit dem Fahrrad auf der Straße neben dem Transporter an.
"Ein Glück bist du da. Die Frau macht mich wahnsinnig, ich bin ihr doch nur an das Auto gefahren und die erzählt mir gleich etwas von 'nem wirtschaftlichen Totalschaden. Die hat doch gar keine Ahnung.", der Herr winkte ab und lachte, als er mit Simon sprach. Dieser lächelte Jessica leicht an und blickte wieder zu seinem Vater.
"Vati, die Frau hat wirklich Ahnung davon und ich kann leider bei dem Anblick auch nichts Gegenteiliges behaupten.", Jessicas Mitarbeiter lachte leicht, er warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und zwinkerte kurz. Ich wusste, dass sie sich mit allen aus der Werkstatt sehr gut verstand, aber dieser Mann war mir ein wenig unsympathisch.
"Woher soll die das denn wissen?", der Vater von Simon winkte beinahe ab.
"Das ist meine Chefin. Da hast du dich bei den neuen Nachbarn wohl schon sehr beliebt gemacht.", er zog seine Augenbrauen nach oben und sah seinen Vater durchdringend an.

Nach einem langen Vormittag, den wir auf dem Bürgersteig mit der Polizei verbracht hatten, saßen wir in der Küche und frühstückten. Im Schneidersitz saß Jessica auf dem Stuhl, ihre Hände umklammerten die Tasse mit dem Kaffee und sie hielt ihren Blick fest an dem Fliesenspiegel. Diese Ruhe bereitete mir allmählich leichte Bauchschmerzen. Vorsichtig versuchte ich, die Stille zu durchbrechen.

"Mäuschen... Kann ich irgendwas für dich tun?", fragte ich behutsam. Jessica zuckte mit den Schultern und atmete tief durch. "Soll ich dich mit auf mein Auto versichern?", wieder zuckte sie nur mit den Schultern. "Wenn du nicht mit mir redest, kann ich dir auch nicht helfen."
"Lass mich doch einfach mal in Ruhe denken, verdammte Scheiße!", ich zuckte zusammen, als sie mich anfauchte. Jessica stand von ihrem Stuhl auf, nahm sich von der Garderobe ihre Jacke und lief auf die Terrasse. Ich atmete durch, nahm den letzten Schluck von meinem Kräutertee und begann, den Tisch abzuräumen. Als es an der Wohnungstür schellte, öffnete ich und blickte in die Augen von Simon. "Lukas, ich wollte nochmal kurz zu Jess und mich für das ganze Theater entschuldigen.", er lachte versöhnlich. "Ich werde es ihr ausrichten, sie ist gerade wirklich nicht in bester Laune und wir sollten sie lieber in Ruhe lassen.", kühl sprach ich zu ihm. Verständnisvoll nickte er und verabschiedete sich. 

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt