-41-

30 4 0
                                    

POV: Lukas // Alligatoah

"And I find it kinda funny, I find it kinda sad
The dreams in which I′m dying are the best I've ever had
I find it hard to tell you, I find it hard to take
When people run in circles, it′s a very, very
Mad world..."

Fast zwei Wochen waren vergangen, seit dem Unfall von Tim und seit Jessica mir von ihrer Unfruchtbarkeit erzählte. Einen Tag nachdem wir bei meinem ehemaligen Bandkollegen im Krankenhaus waren, packte Jessica sich eine Tasche, um vorübergehend nach Bielefeld zu Ena zu gehen, sollte es aufgrund der Situation zu Komplikationen kommen. Da sie mit dem Zug gefahren war, bin ich kurzentschlossen nach ihrer Abreise am Bahnhof in mein Häuschen gefahren, um etwas abzuschalten. Noch nie hatte ich so unruhige Nächte an diesem Ort, wie in den vergangenen Tagen. Ich hatte versucht mich in die Musik flüchten, was bisher immer ohne Probleme funktionierte, aber es war aktuell zu viel. In zwei Tagen würde mein Act auf dem Spring Break stattfinden, wofür ich weder den Kopf hatte, noch die nötige Motivation aufbringen könnte. Seit wahrscheinlich einer Stunde saß ich mit einer Flasche Bier auf der kleinen Treppe vor meinem Haus. Meinen Kopf hatte ich auf meinen Knien abgelegt, meine Arme um meine Beine geschlungen und die halb gefüllte Flasche hielt ich noch fest in der Hand. Meinen Blick hielt ich an dem schmalen Weg zum Eingang fest und über meine Kopfhörer vernahm ich die verschiedensten Lieder, die meine Bibliothek auf Spotify zu bieten hatte. Mein Handy vibrierte erneut in meiner Hosentasche und mit einem lauten Seufzen zog ich es heraus.

"Am 03.06. komme
ich wieder in Berlin an
Schatzl, ich habe gerade
mein Zugticket gebucht."

Ein kaum sichtbares Lächeln huschte über meine Lippen, als ich auf dem gesprungenen Bildschirm die Nachricht meiner Partnerin las. Jessica bald wieder bei mir zu haben freute mich, stimmte mich verständlicherweise dennoch traurig. Ich antwortete kurz und legte mein Handy neben mir, auf der Stufe aus Holz ab. Wieder atmete ich tief durch, stellte die Flasche beiseite und erhob mich. Aus dem dunklen Regal im Wohnzimmer holte ich nach Wochen die angerissene Zigarettenschachtel und nahm sie mit einem Feuerzeug, welches neben dieser lag, mit nach draußen. Ich lehnte mich gegen die Wand aus Holz und zündete mir einen der Glimmstängel an. Gedankenversunken blickte ich den langsam verblassenden Rauch an und merkte, wie mir eine warme Träne aus dem Auge lief. Nachdem ich die Zigarette zu Ende geraucht hatte und den Stummel im Aschenbecher ausgedrückte, nahm ich durch die regelmäßige Vibration meines Handys wahr, dass ich angerufen wurde. Ich bückte mich, um mein Mobiltelefon von dem Holz zu nehmen.

"Hallo Schwesterherz, Frau Strobel ist also noch am Leben.", gut gestimmt, wie es mir in diesem Moment möglich war, versuchte ich meine Sorgen zu überspielen.
"Hey Lukas...", sagte sie weinerlich. Nur selten hörte man bei ihr so einen Tonfall, verunsichert führte ich Daumen und Zeigefinger meiner linken Hand zwischen meinen geschlossenen Augen zusammen und rümpfte die Nase.
"Ich bitte um keine schlechten Nachrichten, meine Liebe.", sagte ich schwer und sank mit dem Rücken an der Hauswand zu Boden.
"Lukas... Papa... Papa liegt im Krankenhaus...", aufgelöst sprach sie zu mir und ich ließ meinen Hinterkopf gegen das Holz fallen.
"Was ist passiert?", fragte ich und griff wieder nach der Zigarettenschachtel in der Tasche meiner Jogginghose.
"Er hatte einen leichten Herzinfarkt.", als meine Schwester am Telefon begann zu weinen, brachen bei mir ebenfalls alle Dämme. - Ich kann nicht mehr... - "Die Ärzte meinen, dass... Lukas?"
"Ich bin noch dran...", wieder rümpfte ich meine Nase und nahm einen weiteren Zug von der Zigarette. "Aber das ist mir gerade einfach alles zu viel.", unkontrolliert liefen mir die Tränen über meine Wangen.
"Was meinst du mit alles?", fragte meine Schwester besorgt.
"Sei mir nicht böse... Ich lege jetzt auf.", ich wartete nicht auf eine Reaktion von ihr, sondern zog das Handy von meinem Ohr und beendete das Telefonat. Die Zigarette drückte ich den Aschenbecher und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

POV: Jessica

"Jessie?", Ena rüttelte mich aus dem Schlaf und mein erster Blick hielt sich an der hellen digitalen Anzeige des Weckers fest, der auf dem Nachttisch von Tim stand. - 01:26 Uhr - "Hat das gerade geklingelt?", fragte sie und schaltete das Licht ihrer Lampe auf dem Nachttisch an.
"Was meinst du?", gähnte ich, als wir das Klingeln an der Haustür hörten. "Wer ist das?", fragte ich verunsichert. Etwas verängstigt antworte Ena mit einem Schulterzucken und sah mich mit großen Augen an. Ein entfernt einschlagender Blitz ließ uns aufschrecken und der prasselnde Regen wurde stärker, wieder klingelte es.
"Gehen wir zusammen?", fragte Ena und ich nickte. Langsam liefen wir die Treppen herunter und ich öffnete vorsichtig die Tür, sodass ich nur durch einen Spalt blicken konnte. Durchnässt stand Lukas vor der Tür, ich sah in das traurige Gesicht meines Freundes.
"Lukas?", fragte ich perplex und besorgt.
"Lukas?", flüsterte Ena und zog die Haustür auf.
Ich setzte einen Schritt auf ihn zu und er zog mich fest an sich heran, innerhalb von Sekunden breitete sich die Nässe auf meiner Kleidung aus und er begann zu weinen.
"Schatz, was ist passiert?", fragte ich und legte meine Arme um seine Körpermitte.
"Ich... Ich wusste nicht, wo ich hin sollte... Ich... Ich kann nicht mehr... Du... Du bist das Einzige, dass mir gerade noch Kraft geben kann.", sagte er und schnappte nach Luft. 

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt