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POV: Timi

Seit nun mehr als vier Wochen lag ich mit zwei gebrochenen Rippenpaaren in dem Bett des Krankenhauses. Basti flog eine Woche nach dem Unfall wieder zurück nach Madeira und erkundigte sich noch immer täglich nach meinem Wohlbefinden. Ich hatte mittlerweile einen guten Text, oder eher eine Liste, die ich als Vorlage nutzen konnte. Flach lag ich auf dem Bett des Krankenhauses und hielt mein Handy über meinem Gesicht, sodass ich ihm auch an diesem Tag wieder antworten konnte.

"1. Essen ist immer noch
bescheiden
2. Soll immer noch so gut
wie gar nicht aufstehen
3. Schmerzen beim Atmen
sind auch weg
4. Ich bin ein Star...
Holt mich hier raus!!!"

Steven und Melina hatten mich kurz vor ihrer Entlassung, sowie am vergangenen Wochenende ebenfalls besucht. Dass Ena es sich zur Aufgabe gemacht hatte, jeden Tag den Fahrweg von Bielefeld nach Braunschweig auf sich zu nehmen, um sich persönlich von meinem Zustand zu überzeugen, ließ mich immer noch schlecht fühlen, aber ich konnte sie auch nicht von ihrem Gedanken abbringen. Starr hielt ich meinen Blick an der weißen Decke des Zimmers fest und begann gelangweilt die Löcher in der Struktur zu zählen. Ein straffes Klopfen holte mich etwas verschreckt aus meinen Gedanken und eine ältere Dame trat in das Zimmer ein. "Herr Weitkamp?", durch ihren osteuropäischen Akzent und dem strengen Blick durch die schmalen Gläser ihrer Brille, schluckte ich kurz und weitete meine Augen. Ihre Haare hatte sie straff zu einem Dutt gebunden, ihre Arme verschränkte sie hinter ihrem Rücken. "Sie haben Glück, morgen können Sie sich langsam wieder aufrichten und wir werden Sie voraussichtlich am Ende der nächsten Woche entlassen." Erfreut über diese Neuigkeiten warf ich der Schwester ein kleines Lächeln zu und bedankte mich. "Ihre Freundin wartet bereits draußen.", zwinkerte sie kurz und verließ das Zimmer.

Ena verschränkte ebenfalls ihre Arme hinter ihrem Rücken und betrat das Zimmer mit einem Lächeln, dass mehr als nur Glück und Zufriedenheit ausstrahlte. "Da ist ja mein Honigkuchenpferd.", lachte ich, während sie auf das Bett zugelaufen kam.

"Ich habe es gerade schon von der Schwester erfahren. Du glaubst gar nicht wie ich mich freue, jetzt wo Jessie wieder in Berlin ist, ist es so erdrückend in diesem Haus zu sein, nur mit Heisenberg und Gustavo.", Ena setzte sich auf die Kante des Bettes und ich stützte mich ein wenig ab. "Wir haben eine Überraschung für dich.", lachte sie.
"Wir?", fragend zog ich eine Augenbraue nach oben und wartete auf eine Antwort meiner Freundin. Aus ihrer Jackentasche zog sie einen hellen, grauen Body, auf dem Micky Maus als Baby abgedruckt war. Ena lächelte noch immer, doch das Fragezeichen in meinem Kopf war nicht zu übersehen. Sie verwies auf die hellblaue Farbe, die der Body der abgedruckten Zeichen-Trick-Ikone trug. "Ein Junge?", fragte ich stolz und weitete wieder meine Augen. Ena strahlte soviel Freude aus, die ich nur wiedergeben konnte. Sie nickte und ich schlung überglücklich meine Arme um sie, sodass ich sie ruckartig an mich heranzog.
"Mach langsam, Tim... Nicht dass du doch länger hier bleiben musst.", sprach Ena unter einem lauten Lachen. Sie setzte sich wieder aufrecht hin, meine Hand fand sich unter ihrem Shirt wieder und ich strich ihr sanft über den Bauch. "Hast du... Ähm... Also Jessica und ich, wir hatten immer gesagt, dass wir uns zu Paten erklären werden.", verunsichert fuhr sie durch ihre noch leicht bläulich eher grün verfärbten Haare und presste ihre Lippen aufeinander.
"Darüber habe ich mir bisher nicht ein einziges Mal den Kopf zerbrochen, wenn ich ehrlich bin.", ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen und mein Blick suchte die Augen von Ena. "Aber das ihr sowas machen wollt, hätte ich mir auch schon denken können.", sprach ich amüsiert.
"Was würde dich hindern, einen Paten von deiner Seite aus zu bestimmen?", Ena stand kurz auf und setzte sich seitlich mit einem angewinkelten Bein wieder zu mir auf das Bett. Sie griff nach meiner Hand und strich mit ihrem Zeigefinger über meine Tätowierungen.
"Weil ich nicht weiß, wen ich als Paten bestimmen würde.", ich wandte meinen Blick von Ena ab und legte mich mit einem lauten Seufzen auf den Rücken.
"Ähm... Lukas?", selbstverständlich sprach sie seinen Namen aus.
"Er würde auch infrage kommen, aber wenn ich genau überlege auch Basti oder Marcel. Wenn ich wirklich auf die ganzen vergangenen Jahre zurückblicke... Puhh... Die Entscheidung wird länger dauern, Süße.", ich atmete tief durch und drehte meinen Kopf in die Richtung des Fensters.
"Nimm dir einfach die Zeit, die du brauchst. Du musst auch nicht, wenn du das nicht willst oder wenn du allgemein darauf keine Lust hast.", sagte Ena ruhig und strich mir über meinen Arm. "Vielleicht werden wir uns ja bei dem Namen eher einig.", lachte sie. "Ich hab' da mal was vorbereitet."
"Süße, ganz langsam. Wir reden in Ruhe darüber, wenn ich wieder zu Hause bin. Ich weiß, dass die Zeit immer wie im Flug vergeht, aber ich kann gerade mit einem guten Gewissen sagen, dass bis zu achtundzwanzigsten Oktober noch ein Stück Zeit ist.", sanft strich ich über ihre Wange. Ich legte meine Hand in ihren Nacken, wodurch ich sie vorsichtig zu mir herunterzog und Ena zärtlich küsste.

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt