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POV: Jessica

Das Musical hatte nach ungefähr drei Stunden Spielzeit ein Ende gefunden, an der Garderobe holte ich die Mäntel von Lukas und mir. Wir verließen das Theater und setzten mit der nächsten Fähre zur anderen Seite des Hafens über. "Wollen wir noch ein bisschen an der Promenade entlang laufen, bevor wir etwas essen?", fragte Lukas.

"Country roads, take me home
To the place I belong
West Virginia, Mountain Mama
Take me home, country roads..."

Hand in Hand liefen wir den Bürgersteig oberhalb des Hafens entlang und blieben bei einem Duo von Straßenmusikern stehen, welche bereits ein üppiges Publikum angezogen hatten. Begeistert wechselte ich häufig meinen Blick zwischen dem Mann, der vortrefflich die Saiten der Gitarre zum Klingen brachte und dem Virtuosen am Cello. "Take me home, country roads... I hear her voice, in the mornin' hour she calls me... Radio reminds me of my home far away...", leise sang ich den Text des Klassikers und sah zu Lukas auf. Ein kleines erfülltes Lächeln zierte sein Gesicht und sein Blick hielt sich an den Musikern fest.

"Vielleicht können wir mit unserem nächsten Lied, den Liebenden unter euch eine kleine Freude bereiten.", sagte der Brillenträger, der seine Hände nicht von der Gitarre löste.

"Wer nicht strahlt beim Tanzen,
Feuerwerke Vulkan
Plötzlich und ohne Warnung neben mir..."

Verlegen und glücklich griente ich, Lukas setzte einen Schritt hinter mich und legte seine Arme um meine Körpermitte, er hauchte mir einen Kuss auf meinen Hinterkopf. Bereits bei den ersten Zeilen des Liedes, hatten sich zwei Paare aus der kleinen Masse an Menschen gelöst und sich näher an die Musiker gewagt, um eng umschlungen auf der Straße zu tanzen. "Du bist völlig plötzlich in mein Leben gerauscht...", raunte Lukas nahe meinem Ohr und zitierte somit den Text, des Liedes von Philipp Poisel.
"Haben ohne Worte unsre Herzen getauscht...", setzte ich mit laut schlagenden Herzen fort. Er schob mich leicht nach vorn, als Zeichen, dass wir uns ebenfalls zu der Musik bewegen sollten. Leicht gerötet nahm ich seine Hand und drängte uns durch die vier ausgedehnten Reihen des Publikums. Wir hatten es wieder, einen Moment, den wir nur für uns geschaffen hatten. Mit der angemessenen Körperhaltung begannen wir unseren Tanz. Meine linke Hand lag in der Rechten von Lukas, während meine auf seiner Schulter lag, seine linke Hand fand meine Hüfte. Mit einer einfachen Schrittfolge walzten wir über den Gehweg.

"In dir schließt sich der Kreis..."

Langsam löste sich die Hand von Lukas von meiner Hüfte und er führte mich mit einer Drehung unter seinem Arm durch sowie wieder zurück. Als seine linke Hand wieder an meiner Hüfte lag, ließ er meine los und legte seine andere Hand ebenfalls an meine andere Seite. Mit leicht großen Augen sah ich ihn an.

"Ich lieb dich jeden Tag..."

Der folgende Moment fühlte sich an, als würde er in Zeitlupe ablaufen. Lukas zog mich fest an sich heran, leicht entfernten sich meine Füße vom Boden. Mein Partner drehte uns um 180 Grad und setzte mich wieder auf dem Boden ab. Es war ein Augenblick, welcher einer Romanze auf der Leinwand glich. "Alles gut?", fragte er ruhig, als wir die Haltung für die letzten Worte des Liedes wieder eingenommen hatten. Sprachlos nickte ich und hielt meinen Blick in seinen blauen Augen fest.

"Du bist wie 'n Wunder
Bitte, änder das nicht

Und du zeigst mir, was ich nicht weiß
In dir schließt sich der Kreis"

Die abschließenden Worte waren gesungen, noch immer hielt ich meinen Blick in den Augen meines Liebsten fest. Wir näherten langsam unsere Gesichter, um den Moment für uns zu besiegeln. "Ich liebe dich.", hauchte Lukas unweit meiner Lippen. "Ich liebe dich auch, mein Schatz.", erwiderte ich und unsere Lippen trafen unmittelbar nach der Aussprache unserer Worte aufeinander.

~*~

"Da hat es ja ganz schön geschüttet.", merkte ich an, als wir das 'NENI' in unmittelbarer Nähe unseres Hotels verließen. Mein Blick lag auf der nassen Fahrbahn, nach dem Bürgersteig.
"Da hatten wir wirklich Glück, wenn wir jetzt noch eine kleine Runde gehen wollen.", merkte Lukas an und legte seine Hand in meine.
Wir liefen ein paar Meter, bis Lukas vor dem Schaufenster eines Shops für Musiker stehen blieb. Mein Handy vibrierte in der Tasche meines Mantels, auf dem Bildschirm war zu sehen, dass meine Mutter mich anrief. Zum Telefonieren lief ich zum Bordstein vor, dass Lukas sich in Ruhe ein Bild machen konnte. "... zwanzigster Mai in Göttingen, ist notiert.", sagte ich leicht lachend zu meiner Mutter. Ich wandte meinen Blick der Straße zu und lauschte den Worten meiner Mutter. Tief atmete ich durch, schloss meine Augen, als ich das Aufheulen eines Motors vernahm. "Ja, bei uns ist alles in bester...", der Wagen, dessen Motorengeräusche ich kurz zuvor vernahm, fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit an mir vorbei, direkt durch eine große Pfütze unweit des Kantsteines. "Ah... Fuck...", fluchte ich tropfnass. "Jessica?", hakte meine Mutter nach. "Ich rufe dich zurück.", merkte ich genervt an und beendete das Telefonat.
"Mäuschen?", Lukas stand trocken neben mir und sah mit großen Augen zu mir herunter.
"Unser nächstes Ziel ist das Hotel.", bestimmte ich genervt, stumm nickte er. 

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt