Eins

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Irritiert runzelte Osamu die Stirn. Er konnte laut und deutlich ein Wimmern hören. Es war Wochenende und dämmerte bereits. Der Trubel des Feierabends war glücklicherweise überstanden, dennoch tummelten sich immer noch genügend Gäste im Restaurant herum.

Vorsichtig spickte er durch die großen Fensterscheiben, doch konnte weit und breit keine Menschenseele erkennen. Doch je näher er an der Scheibe war, desto besser konnte er das Weinen hören.

Somit entschied er sich die Türe zu öffnen und genauer nachzusehen. Und was er dort sah, ließ sein Herz tief in die Hose rutschen.

Ein kleiner Junge?

Dieser Junge, war höchstens 5 Jahre alt. Osamu fragte sich, wo denn seine Eltern waren. Es war unüblich, in seinem Alter, alleine herumzuirren. Hatte er sich verlaufen? Seine Eltern aus den Augen verloren?

Instinktiv kniete er sich auf Augenhöhe. Der Junge, der sich an die Außenfassade des Restaurants lehnte, zuckte augenblicklich zusammen und sah den Grauhaarigen ängstlich an.

„Hast du dich verlaufen, Kleiner. Wo sind denn deine Eltern?", fragte er in einem sanften Ton. Eigentlich hatte er überhaupt keine Erfahrung mit  Kindern, doch er bemühte sich.

„MAMAAAAA", schluchzte der Junge unaufhaltsam.

Mama? Ein Ausländer?

„Verstehst du unsere Sprache?", fragte Osamu verunsichert. Wenn nicht, wäre es ein Problem. Doch zu seiner Überraschung, nickte der Junge. Auch wenn nur zögerlich. Dabei wischte er seine Tränen mit dem Ärmel weg und schluchzte schon wieder. Sein Magengrummeln unterbrach das Ganze und ungewollt musste Osamu glucksen.

„Komm doch rein, dann kannst du was Kleines essen und mir erzählen, wo du deine Mama zuletzt gesehen hast. Na, was meinst du Kleiner?"

Der kleine Junge nickte leicht und stand mit Osamu's Hilfe auf.

„Wie heißt du denn?", fragte er ihn, als er ihn auf die Sitzbank platzierte und sich dazu setzte.

Der kleine Junge sah misstrauisch zu ihm auf. Mit einem seichten Lächeln, wollte sich Osamu nun zuerst vorstellen. Vielleicht würde es ihm dann einfacher fallen.

„Also ich bin Osamu und du bist?", teilte er ihm grinsend mit und bekam ein wackeliges Lächeln zurück.

„R-Ren.. Amami"

Er nannte seinen Vornamen zuerst, ob er wirklich nicht von hier war? Doch sein Name war Japanisch.

„Du hast aber einen schönen Namen", staunte Osamu und erhellte dadurch das Gesicht des kleinen Ren's. Seltsamerweise, brachte das Strahlen des Kindes Osamu unheimliche Erleichterung. Ren summte zustimmend. Er fand seinen Namen auch toll. Immerhin hatte seine Mama ihn für ihn ausgesucht.

Osamu stand kurz auf, um Ren eine Portion Onigiri auf den Tisch zu stellen.

„F-Für mich?", fragte dieser überrascht. Seinen Kopf auf der Hand gestützt, schmunzelte Osamu.

„Sicher. Iss brav auf, danach bring ich dich zur Polizei."

Ren's Augen wurden groß und spiegelten Panik.
„W-Was.. Wieso? H-Hab ich irgendetwas angestellt.. Ist es.. Ist es weil ich mein Essen nicht bezahlen kann?", erschrocken sah Ren auf seine Onigiri.

Osamu konnte nicht anders als zu lachen.
„Nein, nein. Wir gehen dahin, damit sie uns helfen deine Mama zu finden."

Nachdem Ren artig aufgegessen hatte, gab Osamu seinem Mitarbeiter Bescheid, dass er kurz weg müsse.

Mit dem Jungen an der Hand, betrat er die Polizeistation.

„Bleibst du bei mir, Osamu?", der griff um seine große Hand wurde augenblicklich stärker. Er konnte förmlich die Angst spüren, mit der der kleine Junge wohl zu kämpfen hatte. Eigentlich wollte er ihn den Beamten überlassen und zurück ins Restaurant gehen. Doch nachdem Ren ihn mit seinen Kulleraugen ansah, konnte er nicht anders, als zuzustimmen.

„Sicher", sagte er und tätschelte seinen Kopf.

Als sie sich bei den Beamten anmeldeten, schienen diese ziemlich besorgt. Es kam nicht oft vor, dass ein kleiner Junge verloren ging.

„Wie sieht denn deine Okāsan aus?", fragte eine junge Polizistin, die Protokoll führen wollte.

„O..ka.. san.. Osamu, was ist das?", fragte Ren an den Grauhaarigen gerichtet und er konnte aus dem seitlichen Blickwinkel die erschrockenen Gesichter der Polizisten erkennen. Unterdrückte sein Schmunzeln. Woher sollten sie denn auch wissen, dass dieser kleine Junge anders war.

Er war ja zuerst auch überrascht, doch kam schnell zur Erkenntnis, dass Ren wohl im Ausland groß geworden ist.

„Sie meinen deine Mama", klärte er den kleinen Jungen auf.

„Achsooo. Mama ist wunderschön!", strahlte er übers ganze Gesicht und Osamu liefen bereits die Schweißperlen, die Schläfe entlang.

Das würde wohl nicht so einfach werden, wie gedacht. Vor allem nicht in dem Tempo, in dem er sich das wünschte.

„REN", die aufgebrachte, weibliche Stimme, riss ihn aus den Gedanken und Angesprochener zuckte freudig auf Osamu's Schoß hin und her, bis er letztendlich aufsprang.

„MAAAAAMAAAAA", rief er und rannte auf seine Mutter zu, die der kindlichen Beschreibung 'wunderschön' definitiv gerecht wurde.

Doch was Osamu noch viel mehr überraschte, war etwas anderes.

Denn Ren's Mama.. warst du.

Decisions - Miya Osamu x OC/ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt