chapter 34

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Triggerwarnung!Suizidversuch und Gewalt!

Narben verbrauchen zum Verheilen vielleicht ein Jahr und vielleicht sogar ein paar Monate mehr.Dies wurde mir nach meiner OP ebenfalls von meinem damaligen Doktor mitgeteilt. Es wird anfangs noch weh tun, aber es wird nach einer Weile abheilen. Bis heute wusste ich nicht, was er damit gemeint hatte. Meine Narbe am Bauch oder mein zerbrochenes Herz. Ich tippe auf Ersteres , er konnte nicht wissen, dass seit jenem Tag mein Herz fallen gelassen wurde. Würde er meine Narbe meinen, dann hatte er so ziemlich gelogen. Es tat nicht nur anfangs weh, es tut jetzt immer noch weh. Vielleicht war ich aber daran nicht ganz unschuldig. An jedem Tag, wo sich die Narbe nach Heilung und Neuanfang anfühlte, schnitt ich sie erneut auf. Ich wollte die Schmerzen spüren, wollte lieber daran ertrinken, als ohne Brad weiterzuleben. Meistens tat ich es in der Nacht, wo meine erstickenden Geräusche, niemanden wecken konnte. Ich wollte wissen, ob dieser Aufriss der Vergangenheit, ihm zurückholen könnte. All das Geschehene ungeschehen lies. Ich wollte wissen, ob dieser Schmerz, den Gefühlen Brads entsprach, als er mich seit jenem Tag alleine zurückließ. Ich wollte es verstehen. Verflucht , ich dachte, dass diese Schmerzen es wert waren. Allerdings vergossen meine Tränen und die erstickenden Geräusche von mir , in irgendeiner erneut gebrochenen Nacht, zu einem qualvollen Schrei, bis Dad ins Zimmer gestürmt kam. Danach wurde ich ohnmächtig, weil ich zu viel Blut verloren hatte. Später bin ich im Krankenhaus aufgewacht und wurde von Klinik zu Klinik, von Psychiatrie zu Psychiatrie geschickt, weil ich versuchten Selbstmord begangen hatte. Dabei wollte ich einfach nur Heilung und verstanden werden. Nichts davon passierte. Ich habe nichtmal Sam von alldem erzählt, weil ich mich geschämt hatte. Das tue ich noch heute. Aber mittlerweile wage ich keine Finger mehr ans Messer., weil ich nicht mehr schwach bin. Ich bin es nicht und werde es nicht mehr sein. Trotzdem muss ich mich jetzt um meine Narbe erneut kümmern, weil zwar diesmal kein Stich den Schmerz verursacht hat, sondern ein Haufen an Sand. Zuerst hatte ich meinen Bauch desinfiziert und danach etwas Salbe aufgetragen. Allerdings scheitere ich jetzt an das Verwickeln mit einem etwas dickerem Verband. Vorher hatte das sonst immer Amelia für mich getan, aber sie jetzt hier herzuholen, ist unnötig. Vor allem, wenn sie jetzt Zeit hat , mit ihrem Ehemann, in der Bar zu trinken. Ich muss das jetzt alleine hinbekommen.Mit meiner linken Hand hielt ich den Verband an meiner Narbe fest und versuchte mit meiner rechten Hand den Verband um meinen Bauch, als auch meinen Rücken zu verbinden. Allerdings lockerte sich erneut das Verband und ich warf die Rolle Verband an die hinterste Ecke des Räumes. Ich brummte wütend und fing an zu schluchzen. Scheiße, fange ich gerade wirklich an, wegen eines Verbandes, zu weinen? Es scheint so. Das kann doch nicht so schwer sein, aber wieso bekomme ich es nicht hin? Ich stützte mich überanstrengend an einer der medizinischen Arbeitsplatten ab.Wieso,verfluchter Mist, kann ich keinen Verband umwickeln? Wieso kann ich nachts nicht schlafen? Wieso bin ich nicht glücklich? Ich habe einen perfekten Freund, eine gute Arbeit, die Chance bei Top Gun zu fliegen, aber warum bin ich dann verflucht nochmal nicht glücklich? Wieso, nach all den Jahren, nach all dem Schmerz, rast mein Herz wie verrückt , wenn es Brad sieht?
„Alles in Ordnung?" erschreckte mich eine männliche Stimme , als ich mich zitternd zur Eingangstür umdrehte und meine Augen auf seine trafen. Diese verdammten dunkelbraunen Augen. Brad verkreuzte besorgt die Arme vor der Brust, als er sich kurz räusperte und seinen Körper an dem Türrahmen anlehnte. Mein Herz klopfte ungeheuer schnell. Ich vermied Augenkontakt , als ich zu Boden schaute , mir kurz die Tränen wegwischte und zum anderen Ende des Raumes lief, um den Verband aufzusammeln.
„Was machst du hier?" fragte ich, als ich mich zur Rolle hinunter bückte und sie aufhob.
„Nach dir sehen." erwiderte er und eine Gänsehaut überflog mich. Mit wackeligen Beinen begab ich mich wieder zurück zum Medizinertisch und wickelte dabei unabsichtlich aufgeregt, die  Rolle um meine Finger.
„Gut, hast du ja jetzt. Dann kannst du auch wieder gehen." ein kurzer Blick streifte zu Brad. Ein Fehler. Schnell drehte ich mich zum Fenster um und begab mich wieder ans Einwickeln. Eine angespannte Luft drückte sich über unseren Köpfen ein. Er soll mich einfach wieder alleine lassen.
„Brauchst du Hilfe?"
„Nein."fauchte ich, dabei lockerte sich erneut der Verband um meine Hüften.
„ Sieht aber nicht so aus." provozierte er mich und ich kniff meine Fingernägel in meine Haut.
„Geh einfach wieder, Brad." bat ich ihn und versuchte mich zu kontrollieren.
„Ich will dir helfen,Ava."
„Ich brauch deine verfickte Hilfe nicht!" wütend drehte ich mich um und warf den Verband nach Brad, der an ihm abprallte und etwas weiter rollte. Meine emotional aufgewühlten Augen trafen auf seine, als er einen Schritt auf mich zu machte, den Verband aufhob und nun vor mir kniet. Es waren Seine verletzlichen Augen, die mich schwach machten.
„Lass mich dir helfen, Ava und danach gehe ich, wenn du das möchtest."seine Stimme war dünn und ich konnte ihm nicht länger in die Augen schauen, weshalb ich mich im Raum umsah, versuchte etwas Luft zu bekommen, als ich schließlich mit einem Nicken einwilligte. Dennoch wagte ich kaum eine Sekunde, einem kurzen Augenblick zu ihm zu sehen. Vielleicht beobachtete ich ihn auch nur durch einen kleinen Augenwinkel. Brad fing an, ein etwas größeres Stück des Verbandes abzuwickeln und versuchte es um meinen Körper zu positionieren. Dabei landeten seine Hände an meiner Hüfte, die er beruhigt und sanft anfasste. Ich hielt die Luft an, als Brad etwas verunsichert zu mir aufschaute.
„Tue ich dir weh?" die Worte fließen, wie ein leiser Hauch über seine Lippen. Ich verdrehte die Augen,als mein Blick von seinem aufgefangen wurden. Ich wollte etwas erwidern, ihn beschimpfen, aber mir hat es Hals über Kopf die Sprache verschlagen. Alles in mir verstummte, als ich den Blick nicht mehr von ihm nehmen konnte. Langsam schüttelte ich den Kopf. Er tat mir nicht weh. Ganz im Gegenteil. Seine Berührungen taten gut. Mehr als das. Nur aus diesem Grund halte ich die Luft an, weil ich den Gedanken und die Tür zur Vergangenheit nicht öffnen darf. Mit einem zögernden Lächeln, machte er sich wieder an die Arbeit, doch lies schnell wieder seine Hände von mir los.
„Deine Hose überdeckt etwas von deiner Wunde, kannst du sie ein Stück runterziehen?"bat er mich , doch diesen Gedanken konnte er sofort wieder knicken.
„Das hättest du wohl gerne! Auf keinen Fall."schlug ich ab und Brad räusperte sich etwas.
„Ava, es ist wirklich nötig ,sonst-
„Vergiss es,Brad!" fiel ich ihm durchs Wort und mittlerweile hatte Brad seine Hände zu Fäusten geballt. Kalte Gänsehaut durchfuhr mich, als ich bemerkte, wie Brad sich unberechenbar die Zähne aufeinander biss und die Augen schloss. Als wäre er kurz davor sich zu verlieren.
„Willst du , dass es weiter weh tut, Ava? Dann nur zu, dann brauchst du auch keinen Verband!" alles wurde still, als ich die Reue in Brads Augen, bei seinen Worten, sah. Mein Herz setzte aus, als mir die Kehle zugeschnürt wurde.

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Scheiße, was hatte ich getan? Ich hätte Ava nicht so anmachen dürfen. Niemals. Nur diese ganze Sache mit der Narbe, die Erinnerungen an den Unfall, Ava bewusstlos in meinen Armen, meine Schuld. Dass wurde mir einfach alles zu viel. Genau deshalb ist es wichtig, dass ich unbedingt mit Ava sprechen muss.

„Tut mir leid."

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Seine Entschuldigung beruhigte mich auf komische Art und Weise, aber machten seine Worte nicht ungesagt. Ich erinnerte mich zurück , an die Zeit, wo ich mir das angetan hatte. Wo ich diesen Schmerz zugelassen hatte. Wo ich wollte, dass dieser Schmerz, das einzige Gefühl ist , was ich spüren wollte. Aber in Brads Augen sehe ich die Vergangenheit. Unseren Unfall. An den ich mich immer noch nicht erinnern kann. Aber die Einzelheiten von Dad, damals im Krankenhaus ausreichten, um die Last wieder hinauf zu holen. Er wollte mich nie wieder sehen. Es sei aus und vorbei mit uns. Aber wieso fühlte es sich dann so an, als wären wir noch mittendrin in unserer Geschichte?
„Schon gut."
„Nein, ich hätte dich nicht so anmachen dürfen. Das war ungerecht und falsch."rechtfertigte er sich, doch aus irgendeinem Grund konnte ich nicht sauer sein. Stattdessen flossen meine Hände um seine, die an meiner Taille lagen. Meine Finger rutschten unter den Bund meiner Sporthose, die ich nach unten schob, auf Höhe meiner Unterhose. Wenn nicht sogar etwas tiefer. Danach stoppte ich die brodelnde Verbindung unserer Finger und lies meine Arme normal hängen. Nur für einen kurzen Hauch von Moment hab ich so viel gespürt und jetzt? Jetzt fühlt es sich wieder, wie die vergangenen 14 Jahre ,an. Mit zittrigen Händen fing Brad an ,meine Narbe anzufassen und ich erlaubte es ihm. Weil es sich gut anfühlte. Seine Finger sorgten für Wärme an den kältesten Stellen meines Körpers , die leidenschaftliche Gelüste in mir erweckten.Leise stöhnend legte ich den Kopf in den Nacken, als meine Hände lustvoll erneut auf Brads Hände sprangen, die mit ihnen zusammen, den schmerzhaftesten Teils meines Körpers erkunden. Ich sollte ihn hassen, aber in diesen Moment, liebte ich seine Nähe und seine Berührungen. Weil er einfach nur für mich da ist.

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Was hatte ich Ava bloß angetan? Was bin ich für ein Monster? Ich hatte diese Narbe schon am Strand gesehen, aber jetzt, hautnah, sehe ich mehr. Schmerz und Leid verpackt in Blutergüssen, blau angeschwollenen Flecken und blutigen Kratzspuren, die auf die operierte Narbe hinweisen. Das war ich. Ich konnte nicht anders, als über ihren Teil der Vergangenheit zu fahren, um in Ava hineinzusehen. Ich wollte spüren, was mit ihr passierte, was durch unsere Trennung in ihr ausgelöst wurde. Was durch meinen Fehler, in ihrer Gefühlswelt verändert wurde.Doch als ihre Hände plötzlich meine suchten und fanden und diese gemeinsam über die Vergangenheit fuhren, spürte ich nur ein einziges ,ausgelöstes Gefühl in Ava. Sehnsucht. Und aus diesem Grund, tat ich genau das, was ich getan hatte.

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Erschrocken erhob ich meinen Kopf aus den Nacken, als Brads Lippen meine Narbe küssten. Nur eine leichte und sanfte Berührung, die eine Explosion in mir hervorrief. Ich schluckte schwer, als ich um Atem rang.
„Tut mir leid, ich hätte das nicht tun sollen." entschuldigte er sich schnell, als er sich ertappt auf die Beine stellte und mir verunsichert in die Augen schaute. Ich wusste, wenn ich meinen jetzigen Gedanken in die Realität umsetze , gibt es kein Zurück mehr. Dann ist der Teil der Vergangenheit, den ich mit meinem Leben beschützen wollte, endgültig geöffnet. Aber seit Langem tat ich das, was ich seit 14 Jahren ausgeblendet hatte. Mein Herz. Ich hörte auf mein Herz.
„Halt die Klappe!" und damit versiegelte ich meine Worte, mit den Lippen Brads, die ich auf meine presste.

„the earth divided us,but the sky made us one."-Bradley (Rooster) Bradshaw ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt