9. Welcome to London

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Lila

Und weg war er. Ich sah noch, wie er das extrem schicke und luxuriöse Hotel betrat, ehe sich das Auto mit Harrys Fahrer und mir wieder in Bewegung setzte. Ich konnte es mir nicht verkneifen kurz mit den Gedanken zu spielen, wie es wohl wäre in so einem noblen Komplex unterzukommen. Mit Sicherheit hatte er hier eine eigene Suite, samt eigenem Bad und Badewanne. Ein leises Seufzen entwich mir, als mir einfiel in was für eine Absteige ich untergekommen war. Es ist alles andere als luxuriös oder pompös. Mein Hotel war einfach, schlicht. Mein Zimmer hat nicht mehr als ein Bett, einen kleinen Schrank und ein viel zu kleines Bad, wo man sich kaum um die eigene Achse drehen konnte.

Ich bedankte mich bei Duncon fürs Fahren und stieg aus dem Wagen aus. Kaum hatte ich die Tür des Autos zugeworfen fuhr er auch schon weiter. Ein kurzer Blick hinterher und schon verschwand ich ins Innere des Hotels und ging hoch auf mein Zimmer. Ich war wirklich erschöpft von diesem Tag. Es war einfach viel zu viel in so wenigen Stunden passiert.

Achtlos warf ich meine Tasche auf den Stuhl und humpelte ins kleine Bad. Der Blick in den Spiegel ließ mich zusammenzucken. Ich sah schrecklich aus. Mein Make-Up war etwas verlaufen, meine Haare waren total verzaust. Gott, wieso hat denn niemand was gesagt? Und vor allem wieso hatte Harry nichts gesagt? Ich habe doch genau gesehen, wie er mich beobachtete, wie er ständig seinen Blick auf mir liegen hatte. Wieso zum Teufel hat er dann nichts zu mir gesagt, wie schrecklich ich aussah.

"Es wird dringend Zeit fürs Bett" nuschelte ich mir zu, schnappte mir meine Zahnbürste und putze so schnell ich konnte meine Zähne. Anschließend aus den Klamotten gesprungen und in mein Schlafshirt rein. Für mehr hatte ich jetzt einfach keine Lust mehr. Ich wollte gerade einfach nur noch schlafen, und vor allem aber wollte ich in einem Bett liegen!

Der Wecker klingelte eindeutig zu früh. Warum habe ich meinen Flug noch mal so früh gebucht? Keine Ahnung. Schwungvoll wollte ich meine Beine aus dem Bett schwingen als mich der Schmerz zurück in Kissen warf. "FUCK!" fluchte ich laut auf als mir mein Knie zurück ins Gedächtnis kam. Ich schlug die Decke zur Seite und schluckte als ich mein Bein sah. Es hatte inzwischen alle Farben, die es gab, angenommen. Von Blau - grün war sogar meine Lieblingsfarbe lila dabei. Es war noch immer dick und geschwollen. Vielleicht sollte ich in London doch mal einen Arzt aufsuchen oder mir eine Salbe oder sowas organisieren. So konnte ich in 2 Tagen nicht in der Bierbude stehen. Und das würde bedeuten: keine Kohle!

Es half nichts, irgendwie kämpfte ich mich dann doch noch aus dem Bett, quälte mich unter die Dusche, um mich anschließend anzuziehen, meine Sachen zu packen und ein letztes Mal hier in Irland zum Frühstücksbuffet zu gehen. Eigentlich hatte ich gar keinen Hunger, aber am Flughafen war es mir später einfach viel zu teuer. Also schmierte ich mir etwas unliebevoll ein Brot mit etwas Käse, schnappte mir eine Tasse Kaffee und setzte mich inmitten des großen Frühstücksaals. Es war noch relativ leer hier. Logisch, es war gerade 6:15 Uhr. Welcher normale Mensch würde auch zu dieser Uhrzeit frühstücken oder grundsätzlich irgendetwas zu sich nehmen?

Nachdem Frühstück flitzte ich noch einmal rauf in mein Zimmer, um meinen Koffer zu holen. Keine Stunde später befand ich mich am Flughafen und checkte mich ein. "Gangplatz bitte" beantwortete ich die Frage der Dame am Schalter, die von mir wissen wollte, wo ich gerne sitzen möchte "Und so weit vorn wie möglich" fügte ich noch schnell hinzu.

Mit meinem Flugticket und meinem Handgepäck saß ich nun am Gate. Normal sollte das Boarding bereits vor wenigen Minuten gestartet sein. "Es tut uns leid, dass sich das Boarding um ca. 45 Minuten verschiebt. Grund ist eine kurzfristige Änderung eines Privatjets nach London." kam es aus den Lautsprechern an der Decke. Sofort sah ich auf. Privatjet? Nach London? Harry? Kurz zuckten meine Mundwinkel nach oben und ich musste den Kopf schütteln. War er wohl doch nicht pünktlich aus dem Bett gekommen.

Dennoch war ich froh als wir endlich im Flieger saßen und das Ding kurz darauf auch abhob. Ich hasste dieses Gefühl, wenn diese riesigen Maschinen den Boden unter den Füßen verloren. Ich hasste das Fliegen allgemein. Es war nicht die direkte Flugangst, aber dieses Gefühl keinen festen Grund unter sich zu haben, machte mich sichtlich nervös. Daher wollte ich auch nie einen Fensterplatz. Die Aussicht interessierte mich nicht, sie bestätigte nur mein ungutes Gefühl.

Nach knapp einer Stunde hatten wir England erreicht und ich kämpfte mich aus meinem Sitz. Für einen längeren Zeitraum das Knie so angewinkelt zu haben war nicht von Vorteil, das merkte ich jetzt als ich versuchte aufzustehen. Okay, vom Flughafen ging es nicht direkt ins Hotel, sondern erst musste ich schauen, dass ich eine Apotheke fand. Ich brauchte dringend etwas gegen die Schmerzen, und irgendeine Sportlersalbe, um diese Schwellung endlich wegzubekommen.

Nachdem ich gefühlte Stunden durch diese viel zu volle und gestresste Stadt gehetzt bin, hatte ich endlich eine Salbe in der Hand, die etwas gegen meine Schwellung machen konnte. Auch Schmerztabletten habe ich mit zur Sicherheit mitgenommen. Alles im Koffer verstaut sah ich auf mein Handy. Mein Hotel war 15 km von hier entfernt. Na klasse. U-Bahn? Sofort sah ich mich um und entdecke tatsächlich auf der anderen Straßenseite ein Schild, welches auf einer dieser Underground Station hinwies. Samt Koffer, Tasche und meiner Jacke machte ich mich also auf den Weg.

Ich kämpfte mich wirklich mit meinem ganzen Gepäck rüber zu dieser Station, um dann festzustellen das diese aktuell wegen Bauarbeiten nicht angefahren wird. Das war doch jetzt nicht euer scheiß ernst? Vor lauter Frust, Wut und Schmerzen kamen mir nun doch die Tränen und ich konnte sie nicht zurückhalten. Weinend stand ich da, wie ein Häufchen Elend und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war wirklich k.o. und wollte einfach nur in mein Hotel.

"Miss? Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" hörte ich eine ältere Dame neben mir sagen. Sofort wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und sah die Frau an. "ich... ja... entschuldigen Sie ich bin nur etwas aufgewühlt, weil ich zu meinem Hotel möchte und ich gerade absolut nicht weiß wohin ich muss" meine Stimme klang verzweifelter als ich es wollte. Aber gerade war es mir auch ziemlich egal wie ich auf andere Leute wirkte. Ich wollte nur noch in mein Hotel, diese Tablette schlucken und mich aufs Bett legen.

"Ach Gott, Herzchen. Das bekommen wir hin. Wo ist denn dein Hotel?" fragte sie mich und legte behutsam ihre Hand auf meine Schulter. "Ich glaube im Viertel Waterloo, oder so" erklärte ich ihr. Ich war dieser Frau gerade extrem dankbar, auch wenn sie noch gar nichts getan hatte. "Na okay, das wäre zu Fuß schon eine ganze Ecke. Also entweder läufst du die Straße hoch und oben dann rechts, da findest du die nächste U-Bahn-Station, oder du kommst mit mir, ich habe dort vorn mein Auto stehen und muss sowieso in diese Richtung. Ich kann dich gern das Stück mitnehmen?"

Kurz zögerte ich, ich kannte diese Frau nicht und sollte bei ihr ins Auto steigen? Naja, an sich schien sie freundlich und wirkte eher so, als wolle sie mir einfach nur helfen. "Das würden Sie machen?" fragte ich daher etwas ungläubig. "Aber natürlich. Ich sehe doch wie aufgelöst Sie sind, und dazu sieht ihr Knie auch nicht so aus als wolle es jetzt bis zur nächsten Station laufen. Kommen sie, ich fahre sie!" Noch etwas zögerlich sah ich der Frau hinterher, bis ich mich dann, doch dazu entschied ihr zu folgen und mich von ihr zum Hotel fahren zu lassen.

"Vielen Dank, wirklich. Kann ich Ihnen eine Kleinigkeit an Trinkgeld oder so geben, dass sie mich hier her mitgenommen haben?" fragte ich die ältere Dame als sie ihr Auto vor meinem Hotel zum Stehen brachte. "Ach was nein! So ein Quatsch, lass das Geld ja in deiner Tasche" winkte sie sofort ab und lächelte mich freundlich an "Brauchst du noch Hilfe bei deinen Koffern?" fragte sie mich stattdessen. Nun war ich es, die dankend ablehnte und sich alleine mit Koffer und Tasche ins Hotel begab.

Endlich. Endlich lag ich in einem unfassbar weichen und bequemen Bett. Eigentlich hatte ich geplant heute und morgen London anzusehen, aber ich befürchte wegen meiner Tollpatschigkeit am gestrigen Tag, hat sich das wohl erledigt.


Somit schmiss ich mir eine Schmerztablette ein, strich vorsichtig etwas Salbe aufs Knie und legte mich kurz darauf zurück ins Kissen. Ich brauchte keine 5 Minuten und war bereits im Land der Träume angekommen.


Late Night Talking (H.S.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt