55. London - Ich bin immer alleine

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Lila

Harrys leise Stimme und das sanfte Rütteln an meinen Schultern rissen mich etwas ungewollt aus meinem doch überraschenden tiefen Schlaf. "hmm?" murmelte ich verschlafen und drehte Harry etwas mürrisch den Rücken zu. "Babe bitte... ich möchte mit dir reden. Dreh dich um. Bitte!" Seine Stimme klang brüchig, dünn und vor allem aber verunsichert, dennoch war ich noch nicht richtig wach und so wie es aussieht war es auch noch recht früh. Zu früh. "Harry...es... es ist noch dunkel draußen, ich möchte schlafen..." nuschelte ich ins Kissen und zog mir die Decke bis an mein Gesicht ran. Keine Ahnung, ob ich Harrys Besorgnis gewollt oder unbewusst ignorierte, aber jetzt gerade wollte ich einfach schlafen, versuchen den ganzen Stress und die Ängste zu vergessen.

"Okay..." hörte ich es nur leise, während sich das Bett bewegte und ich kurz daraus hörte, wie die Schlafzimmertür wieder ins Schloss viel. Er war gegangen? Schlagartig setzte ich mich nun doch auf und sah mich im Raum um. Er war wirklich gegangen, hatte mich allein gelassen. Dabei brauchte ich seine Nähe gerade jetzt mehr als je zuvor. Ich konnte also nicht verhindern, dass sich der Kloß in meinem Hals immer schwerer anfühlte und ich ein weiteres Mal in Tränen ausbrach. Ich war allein, allein mit meinen Problemen, allein mit meinen Ängsten.

Mit gemischten Gefühlen und leisem Schlurzen stand ich auf, schmiegte mich in Harrys Shirt und ging leise in den Flur. Lauschte einen Moment, um zu schauen, wo er war. Doch ich hörte nichts. Ich wischte mir über mein verweintes Gesicht und ging leise die Treppe nach runter. Als ich ein Klirren im Wohnzimmer hörte, sah ich auf. Was machte er? Vorsichtig öffnete ich die Tür zum Wohnzimmer und sah, wie er am Esstisch mit dem Rücken zu mir saß. Vor ihm eine Flasche Scotch und ein halbvolles Glas, welches er gekonnt mir seiner Hand über den Tisch wischte, so dass die bräunliche Flüssigkeit darin hin und her schwappte, ohne überzulaufen.

Als er das Glas ansetzte und mit einem Zug leerte, zuckte ich erschrocken zusammen. Nein, er durfte nicht anfangen seine Probleme mit Alkohol zu lösen. Spätestens als er nach der Flasche Scotch griff, stand ich hinter ihm und hielt ihn an seinem Handgelenk fest "Hör auf!" sagte ich brüchiger, aber doch mit einer sehr bestimmenden Stimme.

"Ich habe Olivia angerufen!" 4 Worte. 4 Worte, die mich für einen Augenblick kurz nachdenken ließen. Olivia? Wer war... Moment... Olivia Wilde. Seine Ex-Freundin. Aus Reflex ließ ich seinen Arm los, zog ihn zurück und schluckte leise "Du... hast deine Ex-Freundin angerufen?" fragte ich leise, um sicher zu gehen, dass ich ihn richtig verstanden habe. Sein kaum merkbares Nicken reichte mir aus. "Du... hast deiner Ex-Freundin von.... von mir... von... meinen Ängsten erzählt?" Mit kleinen, langsamen Schritten entfernte ich mich von Harry. Doch dieser sprang sofort von seinem Stuhl auf und kam auf mich zu, griff nach meiner Hand und hielt mich fest "Lila, ich musste mit jemanden sprechen. Ich musste mit jemanden sprechen der... der außenstehend ist. Der uns beide nicht kennt und..." "Der uns beide nicht kennt?" unterbrach ich ihn mit lauter Stimme. "Sie ist deine EX, Harry!! Deine EX, wenn sie dich also nicht kennt, wer denn dann?? Die einzige Person, die SIE nicht kennt, bin ich! Und seit wann hast du das Recht über MEINE Probleme mit jemanden anderes zu bereden??? Ich kenne sie nicht, und ich will nicht, dass sie weiß, das ich vielleicht schwer krank bin! Es reicht mir das du und Denny Bescheid wissen. Niemand anderes sollte davon wissen... Niemand!"

"Stopp Lila! Stopp!! Seit wann, weiß Denny davon?" unterbrach er nun mich und sah mich eindringlich an. Ich wich seinem Blick aus und sah auf den Boden. "Lila! Antworte mir! Seit WANN weiß Denny davon??" wiederholte er seine Frage. "Ich... hab in gestern angerufen... bevor... ich in die Praxis bin..." gab ich leise zu, noch immer mit dem Blick auf den Boden gerichtet. "Ich war zu früh und... ich musste mit jemanden Reden. Ich wollte dir keine Angst machen, oder dir noch größere Sorgen als eh schon bereiten. Also... blieb nur Denny."

Late Night Talking (H.S.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt