64. London - Scherben

99 8 0
                                    

Harry

Stundenlang starrte ich auf mein Handy auf diese Worte, auf diese Nachricht. Sie trafen mich mehr als alles andere in letzter Zeit. Nicht einmal die Gedanken, dass sie fort sein könnte, dass sie nicht mehr meins sein könnte. Sie stieß mich weg, ließ mich zurück und baute eine Mauer vor uns, vor mir auf. Bis jetzt gab es nur diesen Kuss, ein Fehler, den ich schnell bereute, doch tat ich es. Der Kuss mit meiner Exfreundin, ein Fehler, aber doch passierte es. Auch wenn es Olivia gegenüber nicht fair war, schmiss ich sie anschließend raus, meldete mich nun nicht mehr. Doch jetzt, wo ich diese Nachricht las, diesen Namen...da passierte etwas in mir. Sie gab uns auf, es war vorbei, es war einfach vorbei.

Ich schmiss mein Handy gegen die Wand, der Display zersprang sofort, wütend stand ich auf, schmiss meinen Couchtisch um. Wütend nahm ich meine Stehlampe, schmiss sie gegen die Fensterfront, die in tausend kleine Kristalle aus Glas zersprang. Meine Nerven drehten durch, ich verwüstete mein Wohnzimmer. Alles ging zu Bruch, wie mein Herz zersprang alles in gebrochene Stücke.

Wie lange ich dazu brauchte, wusste ich nicht, irgendwann saß ich außer Atem auf dem Boden, hielt mir mein Gesicht, Tränen verteilten sich auf mein Shirt, meine Hände waren wund. Ich sah mich um, was war in mich gefahren? Wie konnte ich zulassen, dass es mich so sehr mitnahm? Kopfschüttelnd stand ich auf, suchte nach meinem Handy. As ich es fand, sah ich es an. Es funktionierte noch. Ich ging auf meine Anrufkontakte, sie war trotzdem der letzte Kontakt, der mich versuchte, anzurufen. Ich rief sie an, bat sie zu mir zukommen.

21 Minuten, so lange dauerte es, bis sie kam. 21 Minuten, so lange dauerte es, bis ich ihr Gesicht sah und sie direkt an der Tür küsste und nach innen zog. Sie ließ es zu, sagte kein Wort. Fest drückte ich sie gegen die kalte Tür, sie schlang ihre Beine um meine Hüften. Unser Kuss war wild, fordernd und ziemlich schlampig. Ich verhielt mich wie ein Sexgeiler Typ, der es wollte. Ja ich wollte es, nicht mit ihr, doch tat ich es. Meine Gedanken lagen bei meiner Freundin, die aber anscheinend genau dasselbe mit ihrem Exfreund tat. Mein Kiefer spannte sich an, ich versuchte meine Gedanken abzuwimmeln.

Olivia, Olivia, Olivia...mein Fokus muss nun zu diesem Moment, ins Jetzt zurückkommen und mich auf das, was nun passieren wird konzentrieren. Ich ging mit ihr, in meinen Armen durch den Flur, trug sie in meine offene Küche, setzte sie auf die Kücheninsel, zog ihr den Pullover über den Kopf, schmiss ihn achtlos auf den Boden. Ich konnte ihren Blick erkennen, sie sah hinter mich. Sie sah das Chaos, sah mich schockiert an, doch schüttelte ich stumm den Kopf, küsste sie. Ich wollte nichts hören, sie nicht direkt ansehen...ich wollte einfach nur Ficken. Meinen Schmerz für einen Augenblick vergessen.

Mit mehr Druck als gewollt, drückte ich sie nach hinten, riss an ihrer Hose, zog ihr das Höschen aus und spreizte ihre Beine. Ohne sie einmal anzuschauen, nach ihrem Einverständnis zu fragen vergrub ich meinen Kopf in ihrem Intimbereich und kostete sie, sie schmeckte wie damals, ließ es sofort zu. Sie war bereit für mich, denn sie war so feucht, wie ich es von damals noch kannte.

Ihr Griff in meinen Haaren war fest, ihr stöhnen eine bekannte Melodie, doch nicht die Melodie, die ich mir wünschte. Ich konnte dieses Vorspiel nicht, doch wollte ich sie nicht zurückweisen. Ich hob meinen Kopf, öffnete meine Jeans und drang sofort in sie ein. Ich fickte sie auf der Kücheninsel, ohne Gefühle, ohne Gewissen. Es war nicht richtig, doch war es mir egal.

Ihr Orgasmus war nahe, ich konnte die Anspannung in ihrem Unterleib spüren, ich wollte nicht sehen, wie sie kam, ich wollte nicht, dass sie mich sah, diese Story zwischen uns war eigentlich vorbei. Ich entzog mich ihr, zog sie vom Tresen, drehte sie um, drückte ihren Oberkörper auf den Tresen und nahm sie in einer Position, wo ich ihr Gesicht nicht sehen musste. Es war falsch, vollkommen falsch was ich tat, aber ich tat es, wie ein wildes Tier.

Es war ein Akt der Befriedigung, meiner Befriedigung. Für einen Moment wollte ich einfach alles vergessen, mich vergessen, es einfach durchziehen. Doch nachdem ich in ihr kam, sie für meinen selbstverliebten egoistischen Gedanken benutzte, bereute ich es. Was tat ich hier, oder eher, was habe ich getan!! Ich habe sie betrogen, auf eine Art wie man niemals jemanden, den man liebt, betrügen sollte.

Liebe, empfand ich dieses überhaupt noch? Diese Gedanken, die ständig hin und her sprangen...sie fressen mich auf. "Geht es dir gut?" Rissen mich ihre Worte, ihre Stimme aus meinen Gedanken. Nackt und noch in einer Position, in der ich nicht solche Gedanken haben sollte, starrte sie mich über ihre Schulter an. Ich entzog mich ihr, ging kopfschüttelnd zurück, zog mir meine Jeans wieder höher.

"Es war ein Fehler...es...es tut mir leid...,dass hier...das gerade...es war falsch" stotterte ich leicht, fuhr mir durch die Haare und drehte mich um, ging direkt ins Bad um stellte mich unter die Dusche. Mir war es egal, egal was sie nun macht. Ich habe nicht nur Lila...nein auch Olivia in meinen Scheiß reingezogen und verletzt. Sie benutzt um mich von ihr, Lila zu befreien. Ich kann diesen ganzen Scheiß nicht mehr, ich will den ganzen Scheiß einfach nicht mehr. Es muss aufhören.

Das Wasser prasselte über meinen Körper, ich stützte meine Hände an der Wand ab, ließ mich gehen. Tränen flossen über meine Wangen, ließen meine Gedanken durch diese sprechen. Langsam richtete ich mich auf, atmete durch, wusch mir die letzten Minuten ab.

Nachdem ich wieder nach unten kam, war alles finster, sie war gegangen, verständlich. Ich hätte es ihr gleichgetan. Sie war für mich da, half mir durch diese Zeit, half mir wieder zu lachen, half mir wieder ein bisschen zu mir zu finden. Sie sprach mir Mut zu, war für mich, als ich am Boden lag. Und was tat ich? Ich habe sie gefickt, einfach ausgenutzt, um mich besser zu fühlen und mich für einen Moment besser zu fühlen. Für einen Moment überlegte ich, ob ich ihr schreiben sollte, doch tat ich es nicht, es brachte nichts.

"Was machst du hier" sprach ich zu mir selbst und sah mich um. Olivia hatte tatsächlich ein bisschen aufgeräumt...so gut es ging, doch die Scheibe war noch immer im Arsch, wie mein Handy, mein Leben und ich. Schnaubend ging ich zu meinem Handy, rief Jeff an. Ich hielt mich bedeckt, meinte es war ein Unfall mit dem Fenster. Irgendetwas musste ich ja sagen um diesen scheiß hier zu erklären. Die Wahrheit wird noch früh genug ans Licht kommen, kommt sie immer. Irgendjemand quatscht immer oder die Presse sieht alles. Mit so einem Scheiß fängt es in meinem Leben immer an. Heute Morgen stand ich auf, war noch guter Dinge und dann kam die Nachricht und das Bild. Ich sah sie, wie sie mit ihm im Park war...sie sah glücklich aus. Genau wie ich fing sie an, ein Leben ohne mich, ohne uns zu führen und weiterzuleben.

Ich setzte mich aufs Sofa, stützte meine Ellbogen auf meinen Knien ab, starrte nach draußen, durch das kaputte Fenster. Meine Gedanken waren eher wie ein Plan. Ein Plan, um das Ganze auf einer Art und Weise zu beenden. Ich tat dieses schon so oft, habe es ehrlich, unehrlich, im Streit oder auch auf einer freundschaftlichen Basis beendet. Doch nun war es anders. Wie beendet man etwas, was eigentlich schon ein Ende hat, doch ein Ende mit Gefühlen. Ich liebe sie noch auf eine Art und Weise, ich liebe sie noch, obwohl es schon lange nicht die Liebe zwischen uns ist, die es sein sollte. Kopfüber ging unsere Liebe los, wir verrannten uns. 

Wir verrannten uns in eine gute Zeit, großartigen Momenten und wir verrannten uns in der Liebe. Verbrennten uns die Finger, unsere Herzen und haben uns verändert. Wir sind zu Menschen geworden, die wir niemals sein wollten. Ich nahm mir wieder mein Handy. Ich öffnete die Nachrichten, die ich so kaum lesen konnte, doch seine Nummer war deutlich. Ich rief ihn an, hielt mir das geschrottete Ding leicht ans Ohr. Auch wenn dieses nun das Schwerste sein wird, was ich Tat und ich auch damit rechnen muss, dass sie nie wieder mit mir sprechen wird, mich nie wieder ansehen kann oder mich hassen wird, musste es sein. Sie war nicht in der Lage für sich selbst zu entscheiden und vor allem war sie nicht der Mensch, den ich kennengelernt habe. "Harry" ertönte es emotionslos aus dem Lautsprecher.

"Ich bin einverstanden! Mach was zu machen ist. Es ist das Beste für sie...denke ich. Auch wenn sie mich, dich oder sonst wen hassen wird, es muss sein. Ich gebe sie frei! Pass gut auf mein...ich meine auf unser...pass gut auf Liliana auf, Markus" Mit diesen Worten legte ich auf, schmiss mein Handy erneut weg und lehnte mich zurück.  

Late Night Talking (H.S.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt