45. Das Bootshaus

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Snape hatte eine Hand tief in seine Manteltasche geschoben. Mit der anderen hielt er eine Zigarette zwischen zwei Fingern. 
Den Blick starr auf die schmutzigen Fenster des kleinen Hauses vor sich gerichtet. Im Vergleich zu dem Schloss, welches direkt hinter ihm lag, wirkte es nicht größer als ein Fingerhut. 
Er stieß den Rauch langanhaltend zwischen den Lippen aus und blickte das kleine Haus hinauf und hinunter, ehe er sich langsam in Bewegung setzte. 
Die Tür knarzte laut, als Snape sie nach innen öffnete. Die Ketten der Boote schwankten leicht hin und her, worauf sie leise klimperten. 
Die Öllampen, welche das Bootshaus spärlich beleuchteten warfen ein schmutziges Licht auf die Boote und den nur grob gefegten Boden. 
Er nahm noch einen weiteren Zug von seiner Zigarette, ehe er sich zu der Wand umdrehte, welche gleich neben der Tür lag. 
Musterte die verdreckten Fenster, den kahlen Steinboden. Er ließ seine Zigarette auf den Boden fallen, drückte sie mit der Schuhspitze aus und trat näher an die Stelle heran, auf welcher er vor einigen Monaten gelegen war. 
Er musterte die Stelle genau, bevor er in die Hocke ging. Mit den Fingerspitzen einer Hand über den kalten Stein streichen, wandte Severus den Kopf herum und blickte zu dem Holzpfeiler in seinem Blickfeld. Der Holzpfeiler an dem er sie gesehen hatte. 
Langsam legte Severus eine Hand an seinen Hals. Fuhr mit den Fingerspitzen das vernarbte Gewebe an seinem Hals entlang. 
Er kniff, noch immer in der Hocke kniend die Augen einen Moment zusammen, als eine Flut alter Bilder ihn überrannte. 

"Nagini,- töte!" die Schlange schoss auf ihn zu. Biss ihn in den Hals in beide Beine, in die Arme, riss die Wunde an seinem Hals noch tiefer. Das heiße, brennende Gift schoss in sein Blut, verteilte sich mit jedem Herzschlag in seinem Körper. 
Angst kroch in ihm hoch, erfüllte jeden Winkel seines Geistes. 
Panik, Schmerz, Furcht, Trauer, Wut alle Gefühle von damals durchflossen ihn.

Snape atmete tief durch, versuchte sein rasendes Herz zu beruhigen, welches so schnell schlug, als wolle es ihm jeden Moment aus der Brust springen. 
Er öffnete die Augen, nahm langsam die Hand von seinem Hals und ließ seinen Blick wieder zu der Holzsäule wandern. 
Wäre sie damals nicht gewesen,-
Ein Klappern hinter ihm. 
Severus zog den Zauberstab aus seinem Ärmel und wirbelte in der Hocke herum. 
Wortlos ließ er die Spitze seines Zauberstabes aufleuchten und erleuchtete so den Türbereich des Bootshauses. 
Mit einer Hand den Griff der offenen Tür festhaltend, stand sie in der Tür. Das Haar zu einem Dutt gesteckt, ein cremeweißer Mantel über einem nicht ganz knielangen Rock in Karamell und einem weißen Pullover mit Wasserfallkragen. Gleich neben ihren cremeweißen Stiefeln lag ihr Zauberstab auf dem Boden. 
Dessen Spitze flimmerte noch einmal in blass, weißem Licht, dann erlosch es. Ihre Augen hatte sie vor Schreck weit aufgerissen, während sie ihn anstarrte. 
Snape drückte sich von seinem gebeugten Knie hoch, dabei von ihrem verschreckten Blick verfolgt. 
"Hier war es." flüsterte sie, riss ihren Blick von ihm los und starrte auf die Stelle wo er einst gelegen war. 
Sie war beinahe so blass wie ihr Mantel selbst. 
Zögerlich löste sie ihren Blick von der Stelle wieder und richtete ihn erneut auf Severus. 
"Ich hab dich damals gespürt." flüsterte sie und sah wieder weg. 
"Gespürt, wie das Leben aus dir gleiten wollte.- Monate lang hab ich nicht verstanden was an dem Tag los war. Dabei warst du es." sie schüttelte leicht den Kopf. Snape sah sie nur nicht verstehend an. 
"Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst." gab er zu, zog eine Braue nach oben und ging ein Paar Schritte auf sie zu. 
Er fasste sie an der Schulter, zog sie von der Tür weg und schloss diese hinter ihr, dann hob er ihren Zauberstab auf, strich den Dreck von diesem ab und verschränkte die Arme, noch immer mit ihrem Zauberstab in der Hand, vor der Brust. 
Noch immer sah sie ihn nicht an. 
"Ich hab nach dir gerufen. Als ich im Krankenflügel lag.- Das haben mir die Schwestern erzählt." diese Aussage trug nicht wirklich zu Klärung bei. 
Severus wurde ungeduldig. 
"Elisabeth,-" zischte er und knackte einmal mit seinem Kiefer. 
"Jetzt sortiere dich, sprich in klaren Worten oder ich wende Legilimentik an. Das schwöre ich dir." warnte er sie und zeigte drohend mit der Spitze ihres eigenen Zauberstabs auf sie. 
Lizzy blinzelte einige Momente. 
"Ich konnte an dem Tag, an dem bei euch in der Nacht die Schlacht war, am 02. Mai, genau spüren wie das Gift der Schlage sich in dir verteilte. Wie der Tod nach dir griff. Die Kälte, die Angst, den Schmerz, ich konnte alles fühlen. Ich hab nie gewusst, dass du es warst, den ich in diesem Moment gespürt habe.- Man sagte mir, als ich wieder klar bei Sinnen war, ich hätte nach dir gerufen. Immer und immer wieder." endlich hob sie ihren Blick wieder zu ihm an. 
nun konnte Snape nur dastehen und sie anstarrten. 
Eine halbe Ewigkeit standen sich die beiden nur gegenüber und sahen einander an, dann drückte er ihr ihren Zauberstab in die Hand und wandte sich ab. 
Er steckte sich eine frische Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. 
Wieder sah er mit tiefreichendem Blick zu der Holzsäule. 
"Das kommt nicht selten vor." erklärte Snape schließlich und stieß den Rauch durch die Lippen hindurch aus. 
"Das eine Schülerin,-" setzte Lizzy skeptisch an.
Snape wandte sich schnell um. "Nein, du hast vor 17 Jahren gelacht, Kleines. Das erste Mal gelacht und zwar für mich.- Das erste Lachen eines Kindes bindet die Personen aneinander. Mit einer Intensität, die sich ein anderer kaum vorzustellen vermag.- Es ist also nicht ungewöhnlich, dass man in bedeutsamen oder besonders tiefgründigen Momenten,- den jeweils anderen spürt oder,- sieht." er nahm noch einen Zug. 
Lizzy zog die Brauen zusammen. 
"Du hast mich gesehen,- in dieser Nacht." schlussfolgerte sie und trat direkt vor ihn. Mit zwei Fingern zog sie ihm die Zigarette aus der Hand und nahm einen Zug von dieser. 
"Nicht nur in dieser Nacht." gestand Snape und steckte beide Hände tief in seine Manteltaschen. "Ich habe dich öfter gesehen und öfter von dir geträumt, als du dir vorstellen kannst." Er wandte den Blick von ihr ab und blickte auf die schwarze Wasseroberfläche, welche er durch den Seeausgang des Bootshauses sehen konnte. 
"Zuletzt in Askaban." 
Lizzy ließ ihren Blick auf ihm einen Moment ruhen, dann nahm sie noch einen Zug von der Zigarette. Er rauchte viel stärkere Zigaretten als sie. 
"Was,- hast du geträumt?" fragte sie nach einer Weile des Schweigens. Dabei beobachtete sie die kleinen Wellen des Sees. 
Severus schwieg, betrachtete weiter den fast ruhig daliegenden See. 
Er wählte seine Worte voller Bedacht. 
"Du wärst noch hier, bei mir. Aber weit weg von all dem Trubel. Wir könnten so reden wie jetzt. 
Ohne ein Versteckspiel. Ohne Angst." Snape stockte und strich sich mit einer Hand über die Stirn. 
"Angst wovor?" ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. 
Snape zuckte die Schultern und ließ die Hand sinken. 
"Dich zu verlieren,- wieder." 
"Aber du warst einverstanden, mich weg zu schicken, rüber in die Staaten.- Minerva sagte, es war mit deine Idee." Lizzy sah ihn nicht verstehend an. 
Severus schnaubte. 
"Du warst noch ein Kind und wurdest jeden Tag älter.- Ich hatte die Sorge, ich würde anfangen dich zu begehren, während du,-" er sprach den Satz nicht zu Ende. Sie schnappte nach Luft. 
"Das hättest du nicht.- Ich kenn dich seit ich Kleinkind war.- Du hast mich auf dem Arm gehalten, wenn ich Angst hatte, auf mich aufgepasst. Nie hättest du,-" 
"Du kannst es nicht wissen." knurrte Severus und wandte sich ab. 
"Du kannst nicht wissen, was noch alles passiert wäre." fügte Severus hinzu und drehte ihr den Rücken zu. 
"Kann ich schon!" wurde Lizzy laut, ließ die Zigarette ins Wasser fallen und ihre Hand zu ihm nach vorne schnellen. 
Sie bekam ihn am Handgelenk zu fassen und hielt seine kühle Hand fest. 
"Ich,-" weiter kam sie nicht. 
Severus fuhr zu ihr herum, drehte seine Hand aus ihrem Griff, packte um ihre Beiden Hände zu und drängte Lizzy so schnell rückwärts, dass diese nur stolpern konnte. 
Sie prallte hart mit dem Rücken gegen den Holzbalken hinter ihr. 
"Sag nicht, dass du mich kennst, Elisabeth!" fuhr Severus sie mit schnalzender Stimme an. 
"Du kennst mich nicht,- weißt nicht was ich getan habe, noch wozu ich fähig bin!" donnerte Severus weiter und drängte Lizzy noch dichter an den Balken in ihrem Rücken. 
Er griff um ihre Handgelenke so fest zu, dass seine Knöchel weiß hervor traten. Lizzy hielt seinen Blick stand. Seine Augen waren so schwarz wie Obsidian selbst. 
"Du kannst mir keine Angst machen, Severus." zischte die Gryffindor und ihre Augen funkelten kampflustig. 
"Und ich werde nicht nachgeben, nur weil du mich jetzt einzuschüchtern versuchst." fügte sie an. 
Severus kniff kurz die Augen etwas zusammen. 
"Das versuche ich nicht." antwortete er trocken aber leise. 
"Sondern?" fragte Lizzy. Nun war ihre Stimme ein Schnalzen. 
"Ich versuche, dir zu widerstehen, Sissy." gestand er und sein Griff lockerte sich leicht um ihre Handgelenke. 
Ihre Augen fixierten ihn. Ihre Augen, welche einen warmen, beinahe brennenden Ausdruck angenommen hatten. 
Ihre Rehaugen, welche so selten schön waren. 
"Verdammt." zischte Severus, drückte ein Knie zwischen ihre Beine und drückte dieses mit einem Ruck nach oben. So brachte Severus Lizzy wieder gerade auf die Beine, die der Gryffindor etwas eingesackt waren. 
Lizzy holte erschrocken Luft, als Severus sie nach oben lupfte und hielt sich aus Reflex an seinen Schultern fest. 
In einer gleitenden Bewegung, legte Severus ihr eine Hand an den Hals, drückte mit dem Daumen ihr Kinn nach oben und ließ seine Lippen mit den ihren verschmelzen. 
Der Schreck wich aus Lizzy ebenso schnell wie er gekommen war. 
Sie warf die Arme um seinen Hals, zog sich an ihn, schmiegte ihren Köper an seinen, ließ zu, dass Severus die Hände unter ihren Mantel um ihre Taille führte.
Ließ zu, dass er sie noch fester an sich drückte, mit den Händen ihren schmalen Rücken auf und abwanderte. 
Ließ zu, dass der Kuss leidenschaftlicher wurde. 
Er wollte sich nicht bremsen,- er wollte sie nicht bremsen, die sich ihm so,- beinahe bereitwillig in die Arme legte. Sich so dicht an ihn zog, dass er ihr rasendes Herz spüren konnte. 
Diese Leidenschaft, sie ging nicht nur von ihm aus. Sie war es, welche den Kuss tiefer werden ließ, welche ihm leicht über den Nacken kratzte und so einen Schauer über seinen Rücken jagte. 
Sie konnten hier nicht bleiben,- nicht hier. 
Snape presste sie mit beiden Händen noch fester an sich,- so fest, dass ihre Füße vom Boden abhoben. 
In einer ausladenden Bewegung drehte er sie und sich herum und bevor Lizzy auch nur nochmal Luft holen konnte, verschwand das Bootshaus um sie herum. 
Doch war Lizzy's Körper viel zu abgelenkt, um sich mit etwas so lächerlichem wie dem Apperieren zu beschäftigen. 
Sie merkte kaum, das Luft abschnürende Gefühl in der Brust. Merkte nicht wie ihr Körper durch Raum und Zeit geschleudert wurde. 
Alles was sie spürte, war Severus, der sie fest an sich drückte, ihre Lippen mit voller Leidenschaft in Beschlag nahm. 
Erst als Severus sich erneut mit ihr in den Armen herumdrehte, ihre Beine ausladend herum schwang und sie schließlich mit den Absätzen auf harten Untergrund traf, stockte sie im Kuss und lehnte sich etwas von Severus zurück. 
Sie brauchte einen Moment um zu erkennen wo sie war. Dazu noch, da es dunkel war. 
Mit einem Schnippen von Severus entfachte sich ein Feuer im kalten Kamin. 
Dann erkannte sie es...




Summertime Sadness (Harry Potter; Snape FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt