34. "Ich weiß, was du getan hast."

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Er hatte die Knie fest an die Brust gezogen und die Arme schon beinahe krampfhaft um seine angezogenen Beine geschlossen. All seine Muskeln hatte er bis zum Anschlag angespannt. Immer wieder atmete Snape tief durch und versuchte seinen zitternden Körper zu wärmen.
Die Kälte kroch ihm bis in die Knochen hinein.
Tief durchatmen. Er durfte nicht vergessen, immer wieder tief durch zu atmen. Die vor Kälte leicht bläulichen Lippen fest aufeinander pressend, ließ Snape die Stirn auf die angezogenen Knie sinken, während er die Finger in dem dünnen Stoff seiner Häftlingsuniform vergrub. Noch nie im Leben war ihm so kalt gewesen. Zittrig atmete Snape wieder aus und schloss die Augen.
Über eine Stunde war Derek O'Brien da gewesen und hatte ihn aufs genaueste befragt. Alles hatte er wissen wollen. Was Snape alles wusste, was er getan hatte. Sowohl für den dunklen Lord, wie auch um Harry Potter zu schützen.
Gefühlt seine halbe Lebensgeschichte, hatte er diesem Mann erzählt.
Er war so unendlich müde. Schlafen. Er wollte nur ein paar Minuten Schlafen. Doch seit er hier war, schlief er fast gar nicht mehr. Wenn die Müdigkeit überhand nahm und er kurz davor war schließlich einzuschlafen, bekam er solches Herzrasen, dass er kaum atmen konnte.
Severus wusste nicht wie viel Zeit verging, in der er so zusammengekauert da saß und versuchte einfach nur die stechende Kälte in seiner Lunge und seinen Gliedmaßen zu ignorieren.
Erst als ihm ein anderer Geruch, als der des modrigen Strohs, auf dem er saß in die Nase stieg, begann Severus wieder etwas um sich herum wahrzunehmen.
Es war der warme, frische und ihm bekannte Geruch von Lavendel. Er war so zart, dass die gesamte Kälte, welche er eben noch gespürt hatte, vollkommen verschwand.
Etwas kraftlos hob er den Kopf.
Den Kragen, ihres dunkelroten Mantels hochgeschlagen lehnte sie locker mit einer Schulter an der Wand. Sie zog einen Moment ihre schwarzen Lederhandschuhe zurecht, ehe sie die Hände in die Taschen ihres Mantels steckte. Die Enden des schwarzen Schals um ihren Hals, hatte sie unter den Mantel gesteckt, unter dem Saum ihres Mantels blitzte der Saum eines dunklen Rocks raus und der Schaft ihrer Stiefel reichte ihr bis über die Waden.
Severus richtete den Rücken auf und ließ den Kopf hinter sich gegen die Wand fallen.
"Was tust du denn hier?" fragte er müde.
Sie stieß sich mit der Schulter von der Wand ab und ging langsam auf ihn zu.
"Das weißt du doch." erwiderte sie und ging vor ihm in die Knie.
"Du siehst nicht gut aus, Sev." murmelte sie und legte den Kopf leicht schief. Heiße Tränen stiegen ihm in die Augen, während er sie ansah. "Ich,-" er schluckte.
"Shh." machte sie und strich sich eine der langen braunen Locken aus dem Gesicht. "Ich hab Angst, Sissy." flüsterte er beinahe tonlos. Ein trauriges Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit.
"Ich weiß." raunte sie und lehnte sich mit den Ellenbogen auf die Knie.
Tränen fielen ihm auf die Wangen und er biss sich auf die Unterlippe. Sie zog sich die ledernen Handschuhe aus und legte ihre Hände über seine. Die Wärme, welche von ihren Händen ausging schoss ihm durch den gesamten Körper. Ihre weichen Hände strichen ihm über die Handrücken und er konnte spüren, wie sein Herz schnell zu schlagen begann.
"Es tut mir so leid." flüsterte Snape und noch eine Träne fiel ihm auf die Wange.
"Shh." machte sie nochmal, lehnte sich vor und strich ihm mit dem Daumen die Tränen von den Wangen.
Ihre warme Stirn lag an ihm an und er schloss einen Moment die Augen.
"Ich träume, nicht wahr?" fragte Severus leise, hob eine Hand an und legte sie auf ihre schmale Taille.
"Wenn du es weißt, ist es ein guter Traum." erwiderte sie und strich ihm sanft über die Wange, ohne ihre Stirn von seiner zu lösen.
Severus hielt sich mit einer Hand an ihr fest, während er mit der anderen Hand ihre Locken nach hinten strich.
"Es gibt Erinnerungen, die lassen mich nicht los und genau für diese Erinnerungen zieht man mich nun zur Rechenschaft." murmelte Severus.
Vor allem die Erinnerungen aus dem Jahr 1996 und 1997 hatten ihn fest im Griff.

1996:
Das Klirren der zerbrechenden Scheibe, ging den Schrein der Menschen um ihn herum voraus. Panisch wichen die Menschen so schnell zurück, dass sie über ihre eigenen Beinen stolperten und sich mit aufgeschlagenen Knien und Ellenbogen auf dem Boden wiederfanden.
Severus sah durch die Löcher in seiner Maske nur die Umrisse des Landens in dem er, ein anderer Todesser und Greyback gelandet waren. Als der letzte schwarze Rauchschwade seines Flugzaubers sich verzogen hatte, machte Severus einen Schritt zur Seite und machte so dem Werwolf hinter sich Platz.
Er beachtete Greyback nicht weiter, welcher wie ein Tier über die Ladentheke sprang und den Ladenbesitzer Ollivander am Kragen packte.
Severus versuchte auszublenden, wie Greyback den schreienden Zauberstabmacher zu sich riss, ihm grob einen kratzigen, dreckigen Sack über den Kopf stülpte und ihn mit gerade zu gnadenloser Brutalität hinter der Theke hervor zerrte.
Verzweifelt schrie Ollivander und Severus hielt einen Moment den Atem an, ehe er in das Regal vor sich griff und sich, sicher zehn Schachteln, Zauberstäbe unter den Arm klemmte.
Sein schwarzer Umhang stellte sich etwas auf, als Severus sich schnell umwandte und auf Greyback zutrat. Dieser sah den Zauberstabmacher mit einem bösen grinsen an und fletschte dabei die Zähne.
Ehe Severus noch wusste was er tat, ließ er die Hand nach vorne schnellen und packte an der Kehle des Werwolfs zu. "Der Meister will ihn unversehrt." knurrte Snape gerade zu und sah Greyback mit warnendem Blick an.
Der Werwolf kniff die Augen einen Moment zusammen, doch wagte es nicht die Hand gegen die von dem Todesser zu erheben, welche ihn am Hals gepackt hatte.
Er wusste wen er da vor sich hatte, das wusste er genau.
Auch wenn Snape immer wieder von Voldemort auf die Probe gestellt wurde, genoss er im Gegensatz zu vielen anderen Todessern Privilegien, von welchen Greyback nur träumen konnte.
Auch hinter der metallenen Maske, konnte Greyback genau sehen, wie Snape die Augen zu einem gefährlichen Blick verengte.
Steif nickte der Werwolf leicht.
Severus fasste fester um die Zauberstäbe unter seinem Arm zu und stieß Greyback am Hals zurück.
"Und jetzt beweg sich." fügte er zischend hinzu und nickte zur gesprengten Front des Ladens.
Grob drehte Greyback dem Zauberstabmacher, welchen er immer noch am Kragen gepackt hatte herum und zerrte ihn zu dem Türrahmen, aus welchem es die Tür herausgesprengt hatte.
Mit bestimmten Schritt schob Snape sich vor den Wolf und den anderen Todesser und verließ als erster den Laden.
Laut kreischten die Menschen auf, als sie Snape's schwarze Kluft und die silberglänzende Maske erblickten. Rutschten panisch zurück oder warfen die Arme über den Köpfen zusammen.
Severus ließ den Blick eine kurzen Moment schweifen, ehe er über die Schulter blickte.
Der zweite Todesser und schließlich auch Greyback mit dem verstörten Ollivander verließen den Laden und traten hinaus.
Bei Greyback's spöttischen Lächeln konnte Severus nur innerlich schnauben, ehe er den Blick zum Himmel richtete.
Nur minimal stieß er sich mit den Hacken vom Boden ab und spannte einen kurzen Moment seinen linken Unterarm an. Er konnte spüren, wie die Magie und sein Blut durch das dunkle Mal schossen. Augenblicklich schloss sich schwarzer Rauch um Severus und er schoss wie ein abgeschossener Pfeil vom Boden in Richtung Himmel.

Summertime Sadness (Harry Potter; Snape FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt