Er atmete tief durch, während er sich langsam auf den Rücken drehte.
Die Sonne eines heiteren Mai-Tages fiel durch einen Spalt in den dunkelgrünen Vorhängen, in sein Schlafzimmer. Fiel ihm direkt auf die Augen.
Severus rieb sich müde die Augen, strich sich das schwarze Haar aus dem Gesicht und drehte dann müden den Kopf nach links.
Halb sieben in der Früh, das an einem Sonntag, zeigte sein Wecker an.
"Verdammt." knurrte Severus und drehte den Kopf in die andere Richtung.
Eine Flut von dunkelbraunen Locken ergoss sich über das Kissen neben ihm. Eine schmale Schulter hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen.
Natürlich schlief sie noch,- sie hatte ja auch die Schattenseite des Bettes.
Darüber hinaus hatte sie ihm den Rücken zugedreht.
Auf ihrer nach oben zeigenden Schulter prangte ein dunkler, violett-schwarz-blauer Fleck. Das Überbleibsel eines Klatschers, der ihr bei dem Quidditchspiel gegen Ravenclaw, vor zwei Tagen in die Schulter gedonnert war.
Nach dem was Minerva im Lehrerzimmer erzählt hatte, hatte es Poppy fast eine halbe Stunde Überzeugungsarbeit zusammen mit Mister Malfoy gekostet, bis man ihre ausgekugelte Schulter überhaupt hatte anfassen dürfen.
Den Schrei, den sie dann beim Einkugeln von sich gegeben hatte, hatte man bis in die Eingangshalle gehört.
Er hatte ihn zumindest gehört.
Das Veilchen, welches sie noch zusätzlich abgestaubt hatte, als sie durch den Klatscherschlag nach vorne gekippt und auf ihrem Besenstiel aufgeschlagen war, hatte Poppy einfach in Ruhe gelassen. Dem hatte er sich noch am gleichen Abend gewidmet. Zumindest hatte er es versucht.
Doch auch ihn, hatte es nicht wenig Überzeugungsarbeit gekostet, bis sie ihn an ihr blaues Augen rangelassen hatte.
Fauchend wie eine Katze war sie durch sein Wohnzimmer gesaust und nur immer wieder: "Lass mich! Das tut gar nicht weh! Geh weg!" gerufen.
Ihr Kater Will, welcher seit Monaten entweder bei ihm im Labor auf dem Schreibtisch lag oder in SEINEM Wohnzimmer auf dem schwarzen Ledersofa, hatte sich da unter den Tisch vor dem Kamin verzogen.
Hätte man nicht gewusst, dass ihre Verletzungen von einem Quidditchspiel stammte, hätte auch Severus gedacht, Miss Black sei in eine Schlägerei geraten. Severus strich ihr einmal mit den Fingerspitzen leicht über den ihm zugewandten, nackten Rücken, dann schlug er die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett.
Er zog sich seine schwarze Anzughose an, griff sich sein Hemd und warf dieses über.
Sie gab ein leises Geräusch von sich und er warf einen Blick über die Schulter zurück.
Lizzy vergrub das Gicht weiter im Kissen, dann lag sie wieder ganz ruhig da. Snape ließ kurz den Blick über sie streifen, dann weiter zu dem Nachttisch auf ihrer Seite. Neben einer kleinen Leselampe und ihrem Schulbuch für Zauberkunst, lag eine Silberne Halskette auf diesem. An der feingliedrigen Silberkette, hing der Schlüssel, welchen er ihr gegeben hatte, zusammen mit einem grünen, geschliffenen Edelstein.
Ihm waren beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen, als er vor einige Monaten, im Zaubertrankunterricht diese Kette um ihren Hals entdeckt hatte. Sie hatte nur die Schultern gezuckt und ihm erklärt, wenn sie jemand frage, was das sei, würde sie sagen: Bis auf ihren Vater waren alle der Familie Black in Slytherin. Es sei ein Erbstück der Familie, das sie in ihren Sachen gefunden habe.
Zu seiner eigenen Überraschung klang das auch noch plausibel.
Leise verließ Severus das Schlafzimmer, zog die Tür hinter sich zu und betrat das Wohnzimmer.
Über seinem Esstisch waren ihre Unterlagen verteilt. Bücher, Pergamente, eine Schreibfeder in einem Tintenglas, Notizbücher und Aufzeichnungen von Miss Granger. All das Lag um einen Stapel von Bibliotheksbüchern verteilt. Das ganze Wochenende war sie über den Büchern gebrütet, hatte sogar am Samstag das Mittagessen verpasst.
Freitag auf Samstag war sie hier am Tisch eingeschlafen, Samstag hatte sie immer wieder ein vollgeschriebenes Pergament in den Kamin geworfen, von vorne angefangen zu schreiben und es wieder in den Kamin geworfen. Er war ihr gegenüber an seinem Tisch über den Aufsätzen der dritten Klasse gesessen und hatte ihr eine ganze Stunde mit erhobener Augenbraue und verschränkten Armen zugesehen.
"Das ist auch nur Mist." hatte sie gezischt, wieder ein Pergament zusammengeknüllt, war aufgestanden und hatte es in den Kamin geworfen.
So war das eine ganze Weile bis weit in den Nachmittag hinein gegangen.
Irgendwann hatte er es schließlich nicht mehr ausgehalten.
"Was denkst du, was das wird?" hatte er irgendwann gefragt, seine Aufsätze und ihren Bücherstapel bei Seite geschoben und sie erwartend angesehen.
"Nicht!" hatte sie gejapst.
"Meine ganze Ordnung!"
"Ist nicht mehr wirklich vorhanden, Sissy." hatte er sie nur nüchtern erinnert.
Um halb zwei In der Nacht hatte er sie schließlich von ihren Unterlagen losreißen können. Auch wenn er im übertragenen Sinne ein Stemmeisen dafür gebraucht hatte.
Der Grund für die Anspannung welche nicht nur bei Lizzy sondern auch all den anderen Schülern der siebten Klasse zu spüren war, war einfach zu erklären. Die Abgabe ihrer Hausarbeit stand vor der Tür.
Seitenweise Pergament wurde seit Tagen von den Schülern in jeder freien Minute beschreiben, Lehrbücher gewälzt, Aufzeichnungen zu Rate gezogen, Sternen-Konstilationen berechnet.
Zumindest berechnete Lizzy wie eine Wahnsinnige.
Die wildesten Sachen hatte sie ihn gefragt, ob Vollmond an dem 31.10 vor 17 Jahren gewesen war, ob der Jupiter am Himmel gestanden hatte und und und.
Als er nur ein gepresstes: "Keine Ahnung, das weiß ich doch jetzt nicht mehr, Sissy." rausbekommen hatte, hatte sie verärgert die Augen zusammen gekniffen und war in die Bibliothek gelaufen.
Ein verärgertes Maunzen riss Severus aus seinen Tagträumen und er blickte auf.
Mit vorwurfsvoller Mine saß Will vor der Tür, welche aus seinem Wohnzimmer in sein Labor führte.
"Wasss?" zischte Severus langanhaltend.
Wieder gab der graue Kater, der nach wie vor sein Gryffindorhalsband wie einen Orden trug, ein aufforderndes Maunzen von sich und blickte zu der Tür, vor der er saß.
"Ja!" stieß Severus aus und ging schnell auf den Kater zu.
"Tu mir einen Gefallen, lauf in die Küche oder such dir eine Maus. Tu was du willst, aber tu es draußen." erklärte Severus und öffnete ausladend die Tür.
Anmutig erhob sich der getigerte Kater, reckte den Schwanz in die Höhe und huschte zur Tür hinaus.
Severus ließ die Tür hinter dem Kater zufallen und strich sich erneut das Haar aus dem Gesicht.
Sein Blick fiel auf ihre bunte Strickjacke mit Trompetenärmeln, welche über seiner Couchlehne lag.
Das war eindeutig die Arbeit von Misses Weasley, das war nicht zu übersehen. Ein Weihnachtsgeschenk wenn er sich nicht irrte.
Diese Jacke war sehr schnell bei ihm eingezogen. Erstens ihr war in seinen Privaträumen zu kalt und zweitens passte sie in seine Gehröcke und Umhänge beinahe dreimal rein. Seine Schulternähte lagen bei ihr auf der Hälfte ihrer Oberarme auf.
So war diese knallbunte Jacke in sein Reich eingezogen.
Severus schnaubte, als er die Jacke betrachtete. Obwohl es nun schon fünf Monate waren, in denen er und sie so viel Zeit miteinander verbrachten, einander so nahe standen, wie Snape es nie für möglich gehalten hatte, kam es ihm noch immer so vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er das erste Mal ihre Lippen geküsst hatte.
Gleichzeitig kam es ihm wie eine Ewigkeit vor.Über die letzten Pergamentrollen der dritten Klasse gebeugt, blickte Severus auf, als die Tür zu seinem Schlafzimmer, eine Dreiviertelstunde später aufging.
Das nasse Haar hing ihr über die Schultern. Sie war duschen gewesen. Das noch nasse Haar hinterließ nasse Flecken auf ihrem grauen Shirt.
"Morgen." wandte Severus sich zu ihr um und legte den Unterarm auf der Rückenlehne seines Stuhls ab.
Ihr Veilchen nahm langsam eine dunkellila-grünliche Färbung an. Mittlerweile verlief es jedoch weite rüber ihre Wange und ihre Schläfe. Sie sah aus, als hätte sie eine Rauferei mit Viktor Krum persönlich hinter sich und keinen Quidditchunfall mit einem Besenstiel.
Hätte man gewusst, dass Lizzy öfter hier bei ihm war, hätte es Severus auch nicht gewundert, hätte Minerva ihm wegen Verdacht auf häusliche Gewallt einige Fragen gestellt.
"Morgen." erwiderte sie ohne ihn anzusehen. Zwischen ihren Brauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet.
Severus verfolgte sie mit den Augen. Sie trat ihm gegenüber an den Tisch, nahm ihre beschriebenen Pergamentrollen zur Hand und blätterte diese durch.
Eine ganze Weile sagte keiner von Beiden etwas. Severus korrigierte seine letzten Aufsätze und lehnte sich dann wieder in seinem Stuhl zurück.
Dass er sie jetzt nicht ansprechen brauchte, was so sicher wie das Amen in der Kirche.
Als Lizzy ihre letzte der 13 beschrifteten Pergamentrollen gelesen hatte, ließ sie sich wie ein Häufchen Elend auf den Stuhl neben sich fallen und das letzte Pergament in ihrer Hand sinken.
Jetzt.
"Ich bin ganz Ohr." nickte Severus und sah Lizzy erwartend an. Jetzt war sie aufnahmefähig und Severus ahnte, welche Erleuchtung die junge Gryffindor ereilt hatte.
"Ich bin fertig." wisperte sie, die Augen fest auf das Blatt Pergament in ihrer Hand gerichtet.
"Ich kann unmöglich fertig sein." schüttelte sie gleich darauf den Kopf und blickte zu ihm auf.
Severus hob eine Braue.
"Wenn du nichts mehr zu schreiben hast, bist du fertig." erklärte Severus diplomatisch und sah Lizzy mit einem vielsagenden Blick an.
"Zwölf Wochen Arbeit." flüsterte diese und blickte wieder auf ihr Pergament runter.
"Zwölf Wochen Arbeit und nun bin ich fertig? Einfach so?" wieder schüttelte sie den Kopf. Ja zwölf Wochen hatte sie gearbeitet wie ein Tier. Tag und Nacht, jede Minute in die Arbeit investiert. Worüber sie schrieb, hatte Severus keine Ahnung.
Severus schnaubte mit einem kühlen Lächeln und drückte sich aus seinem Stuhl hoch.
"Los." er streckte ihr die Hand entgegen.
"Gib her." forderte er.
"Du darfst nicht Beta-Lesen." sie sah erschrocken zu ihm auf.
"Das will ich auch nicht." erwiderte Severus trocken, nahm ihr die Seite aus der Hand und steckte sie zu den anderen, der Nummerierung nach, dazu. Dann rollte er die Pergamente zu einer großen Rolle ein.
"Was hast du vor?" fragte Lizzy und stand schnell auf.
"Du bist fertig. Du hast die Arbeit dreimal neu geschrieben.- Glaub mir,- du bist fertig." erklärte Snape und wandte sich um.
"Ich geb sie zusammen mit denen die die Slytherin schon bei mir abgegeben haben ab." erklärte Snape und ging geradewegs in sein Labor. Lizzy wollte ihm im ersten Moment folgen, doch kaum, dass er die Tür zum Labor geöffnet hatte, blieb Lizzy wie erstarrt stehen.
Sie hatte jedes Mal Herzrasen, wenn sie durch die Tür trat oder diese Tür offen stand.
Was wenn jemand das Labor betrat? Was wenn jemand sie sah?
Severus trat an sein Pult heran, nahm Wachs, Kerze und das Siegel von Hogwarts zur Hand und entzündete die Kerze.
Das geschmolzene, rote Wachs topfte auf die Pergamentrolle. Severus hatte einen ernsten Ausdruck auf dem Gesicht, als er das Siegel in das flüssige Wachs setzte und so die Hausarbeit von Lizzy bis zur Lesung des Prüfungskomitees zu versiegeln.
Er öffnete die Schublade in seinem Schreibtisch mit einem Schnippen seiner Finger und legte die Rolle von Lizzy oben auf. Dann verschloss er die Schublade wieder mit Magie.
Er wandte sich wieder zu Lizzy um, trat durch die Tür in das Wohnzimmer und ließ die Tür hinter sich zufallen.
"Nun hast du die nächsten drei Wochen Zeit, dich auf deine Prüfungen vorzubereiten." erklärte Severus sachlich, trat an Lizzy vorbei zu dem Tisch, auf dem einige ihrer Lehrbücher lagen, griff das für Verteidigung gegen die dunklen Künste und warf ihr dieses zu.
"Fang schon mal an." fügte Severus hinzu, als Lizzy das Buch mit beiden Händen abfing.
Nun ging es also auf die Zielgerade zu.
DU LIEST GERADE
Summertime Sadness (Harry Potter; Snape FF)
FanfictionEr ist wie, ein Regenschauer im Sommer. Sie ist wie der Sonnenschein im Winter. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie ziehen sich an, stoßen sich ab. Kreisen umeinander, wie die Erde um die Sonne, ohne dabei die Hand des anderen los zu l...