Kapitel 65

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Camilla
„Was hast du mit meinem Cousin gemacht?!", fragte ich Lucia aufgebracht und marschierte ohne eine Begrüßung in ihr Zimmer. Statt einer Antwort fand ich eine weinende Lucia, die sich auf ihrem Bett zusammengekauert hatte. Oh Scheiße.

Ohne ein weiteres Wort legte ich mich zu ihr und zog sie an mich. Und zu meiner Überraschung ließ sie die Geste zu. „Ich...Ich kann im Moment einfach nichts Ernstes mit jemandem haben. Es geht nicht. Ich bin ein totales Wrack, weiß nicht mehr wer ich bin und ...generell weiß ich einfach überhaupt nichts mehr," schluchzte sie in meine Schulter. Ich streichelte ihr beruhigend über den Rücken.

„Du bist kein Wrack und es ist normal, dass man sich manchmal verliert und nicht mehr weiß, wer man ist. Eigentlich weiß das doch niemand von uns so genau. Außerdem weiß ich genau wer du bist. Es gibt immer Leute um dich herum, die dich daran erinnern wer du bist, wenn du es mal vergessen hast," versuchte ich sie zu beruhigen.

„Ich will nicht, dass Levin geht," schniefte sie. „Dann lass ihn nicht gehen," flüsterte ich und strich ihr übers Haar. „Aber...ich bin nicht bereit...", fing sie an. „Liebst du ihn?", unterbrach ich sie. Sie stutzte. „Liebst du ihn, Lucia?", fragte ich nochmal, obwohl ich die Antwort kannte. Ich fragte es, damit sie es selbst begriff.

„Ich...ja, verdammt," gab sie schließlich zu und ich konnte ein kleines triumphierendes Grinsen nicht verhindern. „Dann bist du bereit. Denn du hast ihm dein Herz schon geöffnet, auch wenn du es vielleicht nicht gemerkt hast." Sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. „Aber was ist, wenn ich wieder verletzt werde?", fragte sie und ich sah die Angst in ihren Augen. Ich nahm ihre Hand.

„Davor kann dich keiner beschützen. Aber du wirst viel mehr von dir selbst verletzt, wenn du ihn gehen lässt. Es ist immer ein Risiko, sich zu verlieben. Aber du bist es sowieso schon längst eingegangen, als du angefangen hast mit ihm zu schlafen. Mach nicht den gleichen Fehler wie ich und stoße ihn von dir weg, Lucia." Sie starrte mich mit offenem Mund an. „Woher...?" Ich lachte. „Woher ich das weiß? Ich habe zwei Augen im Kopf und ein nicht allzu schlechtes Kombinationsvermögen." Sie versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen. „Es tut mir leid. Ich hätte es dir erzählen sollen. Es ist nur so komisch, weil er...dein Cousin ist und ich dachte du wärst sauer," gestand sie und sah mich schuldbewusst an.

„Ach, Lucia. Wie kommst du darauf, dass ich es dir, nach allem was du durchgemacht hast, übelnehme, auch mal ein bisschen Spaß zu haben? Auch wenn ich es etwas komisch finde, dass es dazu Levin braucht, ja. Aber es war ohnehin unumgänglich. Gott, ihr seid schon seit Monaten wie zwei Raubtiere umeinandergekreist," beschwichtigte ich sie, was auch ihr ein leichtes Schmunzeln entlockte. „Und jetzt komm. Hol ihn dir zurück. Er hat gesagt sein Flieger geht in...oh scheiße in einer knappen Stunde," stellte ich entsetzt fest und zog Lucia vom Bett.
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Lucia
„Du bringst uns noch um!", fluchte ich, als Jay mit einem halsbrecherischen Tempo um die Kurve fuhr. Er hatte erst seit Kurzem seinen Führerschein und das merkte man auch leider etwas an seinem Fahrstil. „Willst du ihn noch erwischen oder nicht?", war alles, was er antwortete. Cami auf dem Rücksitz war gefährlich ruhig geworden und ihr Gesicht hatte einen leichten Grünstich. Es war 16.50 Uhr. In zehn Minuten würde Levins Flieger gehen und wir waren nicht mal ansatzweise da. Ich würde ihn verpassen. Ich würde ihm nicht mehr sagen können, dass ich gelogen hatte. Dass ich sehr wohl etwas für ihn empfand und zwar eine ganze Menge. Und dass ich nicht wollte, dass uns ein Ozean trennt, sondern dass ich ihn an meiner Seite brauche.
Dass ich nur glücklich sein kann, wenn er bei mir ist.

Um genau zwei Minuten nach vier sprintete ich durch die Abflughalle, bis zum Check-in Schalter nach Texas. Nur um festzustellen, dass er leergefegt war. Frustriert, verschwitzt und völlig atemlos bleib ich stehen und schaute aus dem Fenster, wo ich gerade noch das Flugzeug abheben sah. Und ich fragte mich, ob mich mein Schicksal verarschen wollte. Denn ich konnte mich nicht daran erinnern, dass eins der Flugzeuge in die ich gestiegen war, jemals pünktlich abgehoben war. Aber natürlich genau jetzt. Genau jetzt, wo mein gesamtes Glück davon anhing.

Cami und Jay hatten mich mittlerweile eingeholt. „Ich habe ihn verpasst. Und ich konnte ihm nicht mehr sagen, was ich wirklich für ihn fühle," seufzte ich und hätte am liebsten einfach losgeheult. Doch die beiden sahen mich nicht wirklich an. Sie blickten viel mehr auf etwas, was sich hinter mir befand. Auf jemanden der sich hinter mir befand. „Dann sag es mir doch einfach jetzt." Seine Stimme hätte ich unter Tausenden wiedererkannt.

Ich wirbelte herum und blickte in Levins grinsendes Gesicht. „Du Arschloch," murmelte ich und fiel im gleich darauf in die Arme. Er zog mich an sich und es war das Schönste, was ich jemals gefühlt hatte. „Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren," flüsterte ich in seiner Umarmung und Levin gab ein brummendes Geräusch von sich.
„Hättest du nicht. Du bist nicht die Einzige, die nicht ehrlich war. Denn nicht mal ein Ozean zwischen uns hätte mich dazu gebracht, dich jemals zu vergessen." Schmetterlinge stiegen in mir auf. Ich löste mich ein Stück aus der Umarmung, um ihm in die Augen schauen zu können.

„Du hast Recht, ich war nicht ehrlich zu dir. Natürlich empfinde ich etwas für dich, ich empfinde alles für dich. Wahrscheinlich bin ich noch viel verrückter nach dir als du nach mir," sagte ich und versuchte das Beben in meiner Stimme zu unterdrücken. „Das bezweifle ich," raunte er und küsste mich. Ich erwiderte seinen Kuss und vergrub meine Hände in seinen Haaren. „Moment, woher wusstest du überhaupt, dass ich gelogen hab und kommen würde?", fragte ich und hielt inne.

„Cami," sagten wir gleichzeitig und ich hatte meine beste Freundin noch nie mehr geliebt, als in diesem Moment. Denn sie hatte mich gerettet und mir den entscheidenden Tritt in den Hintern gegeben, damit ich mein Glück nicht verpasste. Ich drehte mich grinsend zu ihr um, nur um festzustellen, dass sie und Jay uns lächelnd beobachteten. „Ich schulde dir was," murmelte ich und hörte ihre Antwort nicht mehr, denn Levin zog mich wieder an sich und hob mich ein Stückchen hoch. Ich quietschte auf.

Und in diesem Moment wurde mir klar, dass es die richtige Entscheidung war, für diesen Jungen alles zu riskieren. Ihm all das zu geben, was noch von mir übrig war. Dass es okay war, wenn man seine Baustellen hatte und dass man es dennoch verdiente, geliebt zu werden. Denn er war der Einzige, der all die Teile von mir, die zerbrochen oder verloren gegangen waren, wieder finden und richtig zusammen setzen konnte.
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leute, vielen dank für 2k🥹🥹
i love u so much 🫶🏻🫶🏻
morgen kommt noch ein epilog für euch:)
danach starte ich mit meinem neuen buch „the other man", ich werde versuchen jeden zweiten tag hochzuladen:)
so stay tuneddd❤️

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