Kapitel 57

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Lucia
„Lu, bitte stoß mich nicht auch noch von dir weg." Levin sah mich flehend an und brachte damit den Panzer zum Bröckeln, den ich mir in der letzten Woche so mühevoll aufgebaut hatte. Es hatte mich genau drei Tage gekostet, um von einem emotionalen Wrack zu einer gefühlskalten Bitch zu werden. Ich hatte all meine Emotionen, den Schmerz, die Trauer und die Wut ganz tief in mir verschlossen. Und mit ihnen waren auch meine Lebensfreude, mein Lachen und alles andere verschwunden, was mich ausmachte. Aber alles war besser als das, was Alex aus mir gemacht hatte.

Ich hatte in diesen Tagen fast meine gesamte Zeit mit malen und zeichnen verbracht. Etwas, was ich früher ständig getan hatte. Seitdem ich Volleyball spielte, war es irgendwie zu kurz gekommen, doch kaum hatte ich wieder einen Stift oder Pinsel in der Hand, wusste ich wieder, warum ich es so liebte. Es ließ mich nichts fühlen, ließ all meine Gedanken verstummen. Und es half. Sogar verdammt gut. Nachdem ich schließlich mein gesamtes Zimmer umgestellt, meinen Kleiderschrank aussortiert und haufenweise Online-Shopping betrieben hatte, wurde mir klar, dass diese neue Version von mir, die Version die sich vornahm, sich nie wieder das Herz brechen zu lassen, einen neuen Look brauchte.

Am Dienstag raffte ich mich auf und ging zum Friseur. Ich machte mir pinke Strähnchen, die in meinem dunklen Haar hervor blitzten. Am Mittwoch fühlte ich mich schließlich bereit wieder zur Schule zu gehen. Seitdem war es immer dieselbe Routine gewesen. Aufstehen. Gewagtes Outfit anziehen, allerdings darauf bedacht, nicht den Dresscode zu brechen, all meine Gefühle unter einer dicken Schicht Make-up verstecken, gerade so viel, dass es noch erlaubt war und den Tag über mit niemandem sprechen. Es gab Tage, an denen klappte das perfekt. Es gab Tage, an denen ich einfach zu Hause blieb und malte. Und es gab den heutigen Tag.

Den Tag an dem mich Levin nach dem Unterricht abgefangen und zur Rede gestellt hatte.
Den Tag, an dem es mir bislang am schwersten fiel mein Pokerface aufzubehalten und keine Gefühle zuzulassen.
Camilla und Tyler war ich erfolgreich aus dem Weg gegangen. Ich war nicht fair zu ihnen, das wusste ich. Nichts von dem, was ich Cami vorgeworfen hatte und wie ich mich danach verhalten hatte, war fair gewesen. Nichts von dem was ich ihr vorgeworfen hatte, hatte gestimmt. Doch es war mir egal. Alles war egal.

Und ich kämpfte darum, dass auch Levin Celoso und seine Fürsorge egal waren. Seine Finger umschlossen mein Handgelenk und hinderten mich so daran, einfach an ihm vorbei zu gehen. „Ich kann nicht anders. Selbst wenn ich wollen würde," erwiderte ich so kalt wie ich konnte und schüttelte seine Hand ab. Er machte keine Anstalten, mich weiterhin am Gehen zu hindern, also schob ich mich wortlos an ihm vorbei. Während meine Miene ausdruckslos blieb, war mein Inneres ein einziges Chaos. Und ich musste es unter Kontrolle kriegen.

Auch in den nächsten Tagen hielt ich mich an meine gewohnte Routine, bis ich plötzlich das Bedürfnis danach verspürte, nicht mehr so allein zu sein. Ich sehnte mich tatsächlich nach Gesellschaft. Und vor allem sehnte ich mich nach meiner besten Freundin. Ich brauchte sie einfach. Neues Ich hin oder her. Ohne Camilla Celoso wollte ich nicht sein. So kam es, dass ich mich eines Morgens, etwa zwei Wochen nach unserem Streit, auf meinen alten Sitzplatz neben Camilla fallen ließ. Sie bemerkte mich nicht sofort, denn sie starrte traurig Löcher in die Luft. Etwa Ärger im Paradies?
Ich bezweifelte, dass sie überhaupt noch mit mir reden oder gar etwas mit mir zu tun haben wollte, nachdem wie ich sie behandelt hatte.

Dann sah sie aus ihren braunen Hundeaugen zu mir auf. Die gleichen, mit denen mich Levin beinahe aus dem Konzept gebracht hatte. „Hey," sagte sie überrascht und zerknirscht zugleich und ein vorsichtiges Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Hör zu, es tut mir leid, was passiert ist. Ich hätte dir von dem Deal erzählen sollen. Nein, mich gar nicht erst auf ihn einlassen sollen. Ich hätte Damion nicht vertrauen dürfen," plapperte sie sofort los.

„Cami," versuchte ich ihren Redefluss zu unterbrechen, doch sie sprach einfach weiter. „Ich wollte niemals mein Glück über Deins stellen ehrlich. Deswegen habe ich Damion auch nach unserem Streit weggeschickt..." „DU HAST WAS?", fragte ich entsetzt. Verdammt, das durfte nicht wahr sein.

Sie zuckte nur mit den Schultern und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. „Ja klar, ich meine wie hätte ich danach etwas mit ihm anfangen können." Ich seufzte. „Cami, was ich gesagt habe war doch Schwachsinn. Ich weiß doch, dass du es nur gut meintest. Weder du noch Damion hättet wissen können, dass das passiert," entgegnete ich und ehe ich mich versah, zog sie mich in eine feste Umarmung. „Ich habe dich so vermisst," schluchzte sie in meine Schulter und ich erwiderte die Umarmung etwas perplex. Und auch wenn ich und mein neues Mantra es ungern zugaben. Ich hatte sie auch vermisst. Sogar sehr vermisst. „Und übrigens gefällt mir dein neuer Look.
Er ist wirklich heiß", fügte sie nach einer Weile hinzu.
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Camilla
Mich mit Lucia zu vertragen war etwas, mit dem ich schon fast nicht mehr gerechnet hatte. Mir waren fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als sie plötzlich wieder neben mir gesessen hatte. Und jetzt, ein paar Tage später fühlte es sich an, als wäre sie nie weg gewesen. Auch wenn sie sich verändert hatte. Eigentlich war ich immer die Stillere von uns gewesen, doch jetzt war sie es, die an vielen Gesprächen nahezu überhaupt nicht beteiligt war. Und wenn sie etwas sagte, war sie oft sarkastisch und ironisch und lachte kaum. Das Maximum war ein kurzes Heben ihrer Mundwinkel. Es war, als hätte sich ihr gesamter Charakter verändert und ich hoffte inständig, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich meine beste Freundin wieder voll und ganz zurückhatte.

Obwohl Lucia nicht in ihrer Bestform war und ich alles gab, um es ihr nicht zu zeigen, realisierte sie, dass es mir nicht gut ging. Sie kannte mich einfach zu gut, um ihr etwas vor zu machen. Und natürlich konnte sie eins und eins zusammenzählen und erriet schnell, dass es Damion war, der dieses große Loch in mir hinterlassen hatte. Ein Loch, dass ich mit nichts wieder stopfen konnte. Denn ich vermisste ihn so sehr, dass es weh tat. Ich dachte, es würde besser werden, aber im Gegenteil. Die Sehnsucht nach ihm wurde von Tag zu Tag größer, bis weder Lucia noch ich meinen Zustand auch nur eine Minute länger aushielten.

Also schleifte sie mich in der Pause mit sich zum Tisch von Jay, Gabriel, Amber und Janette. Glücklicherweise gaben sie sich nicht mehr mit Alex ab. Trotzdem waren wir uns in der letzten Woche mehr oder weniger bewusst aus dem Weg gegangen. Doch nach wenigen Minuten stellte ich fest, dass das wirklich nicht nötig gewesen wäre, denn alle begrüßten uns super freundlich und verwickelten uns sofort in Gespräche.
Ich mochte die vier und war froh, dass das ganze Drama sich nicht auf unsere Freundschaft auswirkte. „Habt ihr was von Damion gehört?", fragte ich nach ein paar Minuten und es hatte beiläufig klingen sollen, doch natürlich tat es das nicht. Doch zu meiner Überraschung erntete ich statt einem spöttischen Grinsen nur ernste Blicke. „Nein, ehrlich gesagt ignoriert er unsere Nachrichten seit einer Weile. Sein Dad hat mich heute Morgen gefragt, ob er hier bei uns ist," antwortete Jay zögernd. Ich zog scharf die Luft ein.

„Bedeutet das, er ist seit heute Morgen verschwunden?" fragte ich entsetzte und vor meinem inneren Auge begann sich ein Horrorszenario nach dem anderen abzuspielen. Damion hatte mir schließlich von seinen depressiven Schüben erzählt und ich war mich nicht sicher, wie weit er gehen würde. Noch zu genau hatte ich seinen gebrochenen Ausdruck vor Auge, als ich ihm all diese hässlichen Dinge gesagt hatte. „Wir müssen ihn finden."
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oh boyy
sorry for not uploading yesterday:(
tomorrow will be very exciting guyss🫣

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