Kapitel 55

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Tyler
Lucas und ich hätten eigentlich einen schönen Abend können. Die Betonung liegt auf hätten und können. Stattdessen wurde daraus der Abend, an dem alles den Bach herunterlief. Lucia hatte sich von Alex getrennt und mit Camilla sprach sie auch nicht mehr, was diese übrigens absolut fertig machte und dann hatten sich sie und Damion auch noch gestritten. Und zu allem Überfluss, behandelte mich Lucas in letzter Zeit immer mehr wie einen Kumpel und das ging mir gewaltig gegen den Strich.

Camilla kam am Sonntag wie ein Häufchen Elend zu unserem Volleyballspiel und Lucia kam überhaupt nicht, genau so wenig wie Lucas, Levin oder gar Damion. Und Cami wollte mir partout nicht erzählen, worüber sie genau gestritten hatten. Eigentlich wollte sie überhaupt nicht reden. Alles, was sie hervorbrachte, war irgendwas von wegen, dass sie eine schlechte Freundin wäre und es ohnehin nicht verdient hätte, glücklich zu sein.
Und dass Damion ohnehin nicht mehr zu ihr zurückkommen würde.

Ohne Lucia und mit einer depressiven Stellerin kriegte unser Mixed-Team natürlich überhaupt gar nichts auf die Kette und wir verloren beide Sätze haushoch. Die nächste Woche verlief ähnlich deprimierend. Montag und Dienstag tauchte Lucia nicht in der Schule auf und Cami und ich fingen an, uns ernsthafte Sorgen zu machen. Auch Levin wirkte völlig neben der Spur und Lucas bekam ich kaum zu Gesicht, was meine Sehnsucht nach ihm nur noch größer machte.

Mein Vater zu Hause, den anscheinend meine Existenz gerade besonders nervte, machte das Ganze nicht unbedingt besser. Ich sehnte mich nach nichts mehr, als ein wenig positiver Energie und Ablenkung und freute mich umso mehr, als ich Lucas am Dienstagnachmittag auf dem Schulflur begegnete. „Hey," sagte ich und lächelte ihn an, denn sein Anblick löste in mir ein angenehmes Kribbeln aus.

Doch er ging einfach so an mir vorbei und warf mir nur einen kurzen Seitenblick zu. Mein Lächeln erstarb. Was war das denn?
War das sein Ernst?
War ich ihm mittlerweile so peinlich, dass ich nicht mal mehr gut genug als Kumpel für ihn war?
Wut sammelte sich in meinem Bauch. Hinter Lucas lief Delilah her und warf mir einen bemitleidenden Blick zu. Dumme Kuh. Hatte er mich ihretwegen nicht mal richtig angeschaut? Eine Sekunde später vibrierte mein Handy.

Lucas: Sorry wegen gerade, ich weiß, das war scheiße:/
14:32
Lucas: Ich mach's wieder gut versprochen...
14:32
Lucas: Hast du später Zeit?
14:33

Unschlüssig starrte ich auf mein Handy. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien. Warum verhielt er sich so, wenn er wusste, dass es mich verletzte? Ich begann etwas zu tippen, doch löschte es vor dem Abschicken wieder und starrte unschlüssig auf mein Display.

Lucas: Diesmal machen wir was, wo wir nur für uns sind, okay?
14:40
Lucas: Komm schon Ty, lass mich nicht hängen
14:42

Okey, dann muss dir aber was wirklich Gutes einfallen...
14:45

Lucas: Yeyyy, du wirst es nicht bereuen<3
14:45
Lucas: Ich hol dich um vier ab, freu mich auf dich<3
14:45

Um Punkt vier hörte ich Lucas Auto draußen. Unschlüssig was ich hatte anziehen sollen, verließ ich mit gemischten Gefühlen das Haus. Zum Glück war mein Dad noch nicht da gewesen... Einerseits freute ich mich Zeit mit Lucas zu verbringen, andererseits ging mir diese Geheimnistuerei gehörig gegen den Strich. Ich verstand es ja, aber das machte es nicht weniger schmerzhaft.

Als ich unschlüssig vor seinem Auto stehen blieb, stieg Lucas aus und nahm mich in den Arm. Ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können, geriet mein Herz aus dem Takt. „Es tut mir leid," murmelte er und ich wusste, dass ich machtlos war. Ich konnte ihm nicht böse sein. Er löste sich von mir. „Danke fürs Kommen," entgegnete er, als ich zu perplex war, um etwas zu sagen. „Als hätte ich eine Wahl gehabt," witzelte ich und Lucas wuschelte mir kurz durch meine ohnehin chaotische Frisur. Sein Lächeln ließ mich fast vergessen, was vorhin passiert war. Wie er mich behandelt hatte. Aber nur fast. Denn obwohl ich ihm verzieh, nahm ich mir vor, so etwas nicht noch mal mit mir machen zu lassen.

„Warum hast du mich eigentlich vorhin ignoriert?", fragte ich nach einer Weile. Lucas seufzte. „Es war wegen Delilah. Sie...sie ahnt etwas und ich habe Angst, dass sie Gerüchte über uns verbreitet, wenn sie uns zusammen sieht," antwortete er schließlich und mir fiel wieder Delilahs mitleidiger Blick ein. Das Schlimme daran war, dass ich es verstehen konnte. Aber würde es nächstes Mal wieder so sein? Würde es immer so sein? Würde ich immer ein kleines, schmutziges Geheimnis bleiben? Ich beschloss diese Gedanken zu verdrängen und stattdessen das Thema zu wechseln. „Wo fahren wir eigentlich hin?", fragte ich und Lucas grinste. „Wandern."

Ich war eigentlich noch nie ein sonderlich großer Wanderfreund gewesen, aber ich gab mein Bestes, mich darauf einzulassen. Abgesehen davon war ich einfach nur froh, Zeit mit Lucas zu verbringen, egal was wir machten. Trotzdem konnte ich einen skeptischen Blick nicht verhindern, als Lucas mir wenig später triumphierend ein paar Wanderschuhe unter die Nase hielt. „Woher weißt du überhaupt meine Schuhgröße?", fragte ich verblüfft, als sie wie angegessen passten. Er zuckte nur geheimnisvoll mit den Schultern. Ich lachte. Mittlerweile wusste ich, dass er es mochte seine kleinen Geheimnisse zu haben.

Und ich fand es zugegeben ziemlich heiß. Wir verfielen in ein lockeres Gespräch und die erste halbe Stunde konnte ich tatsächlich problemlos mit Lucas mithalten. Auch wenn ich mir ziemlich war, dass er sich an mein Tempo anpasste. Schließlich hatte er schon öfter erzählt, dass er es liebte zu wandern. Dass es ihm half, seinem Kopf frei zu bekommen. Und irgendwie konnte ich es verstehen. Auch wenn ich ein hartes Volleyballtraining oder ein gutes Buch bevorzugte, musste ich zugeben, dass die englische Landschaft etwas Beruhigendes hatte.

Kurze Zeit später mussten wir unseren Smalltalk einstellen, denn ich brauchte all meine Luft, um die letzten Schritte zu meistern. Schweiß hatte sich in meinem Nacken gesammelt. Es war immer steiler geworden und langsam spürte ich jeden meiner Muskeln. Lucas sah so aus, als würde ihn das hier kein bisschen anstrengen. Vielleicht sollte ich öfter mal mit ihm ins Fitnessstudio gehen. Ich war wohl doch nicht so fit, wie ich durch Volleyball eigentlich gedacht hatte. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir es schließlich geschafft. Ich fühlte mich, als wäre ich einen Marathon gelaufen, aber ich stellte fest, dass es sich definitiv gelohnt hatte. Denn der Ausblick war atemberaubend. Ich war so beeindruckt von der Landschaft und nebenbei damit beschäftigt, wieder Luft zu holen, dass ich ein wenig brauchte um zu realisieren, dass Lucas aus seinem Rucksack eine kleine Decke und ein paar meiner Lieblingssnacks hervorkramte.

Meine Augen leuchteten. Ich liebe Süßes über alles. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als ich feststellte, dass er sich gemerkt hatte, was ich mochte. „Omg, sind das Oreos?", fragte ich begeistert und setzte mich neben ihn. Meine Augen begannen zu leuchten wie die von einem kleinen Kind. Lucas lachte. „Ich kenne niemanden, der so sehr auf diesen Süßkram abfährt, wie du." Ich schob mir nickend einen Keks in den Mund. Ich war wirklich verfressen. „Ja, vermutlich würde ich sogar meine linke Hand gegen etwas Süßes eintauschen." Lucas zog amüsiert eine Augenbraue hoch. Okay, das hatte er definitiv von Jay.

„Nur die Linke?" Ich grinste. „Mhm, die Rechte brauche ich schließlich noch," antwortete ich unschuldig und realisierte erst dann, wie zweideutig das klang. Lucas kam mir ein Stück näher. „Wäre auch wirklich schade. Sie ist nämlich sehr talentiert," flüsterte er und küsste mich.

Es war kein sanfter Kuss. Er war einnehmend und forderte nach mehr. Meine Haut prickelte. „Willst du ihre Dienste etwa in Anspruch nehmen?", raunte ich zwischen unseren Küssen und glitt langsam mit einer Hand an seinem Shirt herab. Er seufzte. „Vielleicht sollten wir schnell zurück zum Auto," murmelte er und zog mich näher zu ihm, sodass ich auf ihm lag und genau spüren konnte, wie sehr ihm das hier gefiel. Ich grinste verschmitzt.

„Könnten wir... oder wir könnten...", setzte ich an, doch statt meinen Satz zu beenden, überprüfte ich kurz, ob wir auch wirklich allein waren und schob dann meine Hand unter den Bund seiner Shorts.
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when the gays are carrying the whole story AHAHAH

don't want to love youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt