Familienstreit Teil 1

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Leos Sicht:
Die Tür knallte zu, als Marcus das Haus verließ. Ich spürte die Spannung in der Luft und wusste, dass es Zeit war, etwas zu unternehmen. Mein älterer Bruder war nicht das einfachste Familienmitglied, aber ich konnte nicht einfach zusehen, wie alles auseinanderfiel.

„Leo, du bist wirklich das Einzige Gute, das mir passiert ist", sagte Mom mit Tränen in den Augen. AManchmal wünschte ich mir, ich hätte nur dich als Sohn."

Diese Worte schnitten durch meine Seele. Ich wusste, dass Marcus Schwierigkeiten machte, aber dennoch schmerzte es zu hören, dass Mom sich einen anderen Sohn wünschte. Als die Tränen in ihren Augen glänzten, spürte ich den Drang, Marcus zu finden.

Ich rannte hinaus und folgte den Fußstapfen meines Bruders. Der Himmel war von dunklen Wolken bedeckt.

„Marcus, warte!" rief ich, als ich ihn auf der Veranda einholte.

Er drehte sich zu mir um, sein Blick ausdruckslos. „Was willst du, Leo? Ich will einfach nur meine Ruhe."

„Du kannst nicht einfach abhauen, wenn Mom dir sagt, dass sie lieber nur mich hätte. Sie ist verletzt und besorgt um dich", versuchte ich zu vermitteln.

Er lachte sarkastisch. „Besorgt? Das ist doch lächerlich. Sie versteht mich sowieso nicht."

Ich seufzte und versuchte, ihm in die Augen zu sehen. „Marcus, du kannst nicht erwarten, dass alle sich nach dir richten. Du musst auch einen Schritt auf Mom zugehen."

„Warum sollte ich? Sie hat doch schon entschieden, dass sie nur dich will. Vielleicht sollte ich ihr diesen Gefallen tun und einfach gehen", murmelte er.

Ich konnte die Frustration in seiner Stimme spüren. „Marcus, das ist kindisch. Du kannst nicht einfach weglaufen. Du bist ein Teil dieser Familie, egal wie schwer es gerade ist."

Er schüttelte den Kopf und begann weiterzugehen. „Ich habe keine Lust, mich mit ihren Erwartungen auseinanderzusetzen. Ich will nur mein eigenes Leben leben."

Ich folgte ihm hartnäckig. „Aber du hast auch Verantwortung, Marcus. Für mich, für Mom. Du kannst nicht einfach alles aufgeben."

Plötzlich blieb er stehen und sah mich mit traurigen Augen an. „Du weißt nicht, wie das ist, immer im Stich gelassen zu werden. Niemand hat je an mich geglaubt."

Ich fühlte Mitgefühl, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass wir als Familie zusammenstehen mussten. „Marcus, Mom meint es nicht böse. Sie ist besorgt um dich. Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden."

Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab. „Es gibt keine Lösung, Leo. Ich will nur glücklich sein, und das geht hier nicht."

Ich konnte nicht zulassen, dass er einfach davonlief. „Du suchst nach Glück im Alkohol, Marcus, aber das ist keine Lösung. Lass uns zusammen mit Mom reden. Wir können das vielleicht gemeinsam überwinden."

Seine Augen funkelten vor Wut. „Ich rede nicht mit ihr. Du kannst deine heile Familie haben, aber ich will einfach nur weg von hier."

Ich spürte, wie die Enttäuschung mich überflutete. „Marcus, du kannst nicht einfach die Tür zuschlagen und denken, dass das alles löst. Komm schon, lass uns zurückgehen und mit Mom sprechen. Vielleicht können wir gemeinsam eine Lösung finden."

Er zögerte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf und setzte seinen Weg fort. „Es ist zu spät, Leo. Es ist immer zu spät."

Ich blieb zurück und sah ihm nach, während er in der Dunkelheit verschwand. Ein Gefühl der Hilflosigkeit breitete sich in mir aus.

Nachdem Marcus gegangen war, kehrte ich ins Haus zurück, um mit Mom zu sprechen. Ihr Gesicht war von Trauer und Sorge gezeichnet, als sie mich sah.

„Mom, wir müssen über Marcus reden", begann ich vorsichtig.

Sie seufzte und setzte sich auf das Sofa. „Ich weiß, Leo. Aber er hört einfach nicht auf mich. Er will es nicht verstehen."

Ich setzte mich ihr gegenüber und versuchte, ihre Hand zu nehmen. „Es gibt Gründe, warum Marcus so ist, Mom. Er hat viel durchgemacht."

Ihre Augen füllten sich mit Fragezeichen. „Was meinst du, Leo? Warum verhält er sich so?"

Ich schluckte schwer und begann, die traurige Geschichte meines Bruders zu erzählen. „Er wurde oft im Stich gelassen, Mom. Von verschiedenen Menschen. Dad hat uns verlassen, als wir noch klein waren, und er hat das nie wirklich überwunden."

Mom senkte den Blick, und ich fuhr fort. AIn der Schule hat er es schwer. Die Lehrer haben nie an ihn geglaubt, und die anderen Kinder haben ihn oft gemobbt. Er hat immer zu hören bekommen, dass er nicht gut genug ist."

Tränen stiegen in ihre Augen, aber sie nickte, als ob sie ahnte, dass es noch mehr gab.

„Und dann gibt es noch etwas", fuhr ich fort, "Marcus hat das Gefühl, dass du ihn nicht akzeptierst. Dass du ihn nur kritisierst und dass er nie das ist, was du dir wünschst."

Sie schien geschockt. „Aber das stimmt doch nicht, Leo. Ich liebe euch beide."

„Ich weiß, Mom, aber manchmal kommt das nicht so rüber. Als du gesagt hast, du wünschtest, du hättest nur mich als Sohn, hat ihn das tief verletzt. Er hat das Gefühl, er ist nicht willkommen, dass er nicht so ist, wie du es dir wünschst."

Mom presste die Lippen zusammen. „Aber ich wollte nur ausdrücken, wie sehr mir sein Verhalten Sorgen macht, nicht dass ich ihn nicht liebe."

„Ich verstehe das, Mom. Aber Marcus braucht Unterstützung, keine Vorwürfe. Er fühlt sich allein gelassen und versucht, auf seine Weise damit umzugehen. Deswegen greift er zum Alkohol. Er will einfach nur glücklich sein, Mom."

Sie ließ meine Hand los und wischte sich eine Träne ab. „Ich wusste nicht, dass es so schlimm für ihn ist. Was können wir nur tun?"

„Wir müssen ihm zeigen, dass er nicht allein ist. Dass wir für ihn da sind, egal was passiert. Vielleicht sollten wir versuchen, mit ihm zu reden, wenn er bereit ist zuzuhören. Aber vor allem müssen wir ihm Zeit geben, Mom. Er wird sich nicht von heute auf morgen ändern."

Sie nickte langsam. „Du hast recht."

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