Kapitel 11 - So viele Gedanken

51 4 0
                                    

TW: Bulimie, Erbrechen, Selbstverletzung, Narben

---------

POV Levi

Die Stunden zogen an mir vorbei, wie der Wind des Septembers an den Bäumen im Schulhof. Ich sah aus dem Fenster. Ein leerer Hof, ein paar Menschen liefen an der gegenüberliegenden Straße entlang, Autos fuhren auf der Straße. Wo die alle wohl hinwollen? Zur Arbeit.. nach Hause? Wo bestimmt schon jemand auf sie wartete. Kinder, Eltern, ihre Partner,.. Auf jeden wartet doch irgendjemand. Oder? Ich wollte es zumindest glauben. Wieder sah ich auf die Uhr. 09:26. 4 Minuten noch bis zur Pause. 4 Minuten noch bis ich wieder die Rolle des normalen Jugendlichen spielen musste.

Immer wieder musste ich an Eren denken. Ob er auch gerade daran denkt? An gestern? Irgendwie wirkt das alles völlig irreal auf mich. Wir haben uns erst vor kurzem getroffen.. Und jetzt? Was ist das jetzt bei uns? Steht er überhaupt auf Jungs? Oder war das.. nur ne hormonelle Nummer?! Am Ende probiert er sich nur aus.. So viele Fragen schwirrten da oben. Die Klingel riss mich aus meinen Gedanken. 

Schon kamen Mike und Nanaba zu mir rüber. "Alter, die Stunde zog sich ja eeewig.", jammerte Nanaba. Ich holte mir meine Brote raus. Die andern aßen schon. Ich nahm auch einen Bissen. Wohl wissend, dass ich das alles gleich wieder auskotzen werde. "Ein neues Restaurant soll hier aufgemacht haben, schon gehört?" fragte uns Mike, während er sich sein Käsebrot reinschob. "Waas? Wo?" Nanabas Augen wurden groß. "Dort wo die alte Pizzaria stand. Habt ihr heute Zeit? Wir könnten zusammen hinschauen." Nanaba nickte begeistert und beide sahen mich erwartungsvoll an. 

"Kann nicht, tut mir leid." "Hast du schon was vor?" "Ich treff mich mit einem Jungen aus der Parallelklasse." Beide blickten mich überrascht an. Kommt eben nicht oft vor, dass ich mich mit jemanden treffe. "Doch nicht etwa mit dem Neuen?" "Doch." Die beiden sahen einander an und fingen an zu grinsen. War ja kein Geheimnis, dass ich homosexuell war. Das mit Erwin weiß so gut wie jeder. Ist ja auch kaum zu übersehen.. so wie er mir ständig hinterherläuft. "Jaja.." gab ich genervt zurück. "Ich geh kurz aufs Klo."

Achon stand ich auf und lief zur Toilette. Ich vergewisserte mich, dass niemand hier war und schloss mich dann in eine Kabine. Automatisch kniete ich mich hin. Warum komm ich nicht davon weg? Ich weiß doch wie schädlich das für den Körper ist. Für meine Speiseröhre, meinen Magen, meine Zähne.. für mein Herz.. Trotzdem musste ich es tun. Sofort danach drückte ich die Klospühlung und ging zum Waschbecken. 

Im Spiegel sah ich eine erbärmliche Kreatur, die ich selbst sein soll. Kurz schloss ich die Augen. Wenn das alles doch aufhören könnte. Mein Arm brannte plötzlich etwas. War wohl die Seife, die in eine meiner Wunden kam. Eigentlich wollte ich aufhören damit.. mit dem selbst verletzen. So ganz gehts dann doch nicht. Gut, dass Eren die gestern nicht gesehen hat. 

Ich ging dann zurück in die Klasse. Die nächste Stunde fing auch schon an. Und die nächste, und die nächste, und die nächste,... Jede einzelne davon dauerte so unglaublich lange. Und in jeder einzelnen dachte ich an ihn. Dabei.. war ich mir doch im klaren, dass ich mein derzeitiges Leben keinem antun kann. Ich kann keine Beziehung anfangen, wenn ich mein eigenes Leben nicht unter Kontrolle habe. 'Beziehung'.. Da red ich schon von Beziehung. Dabei weiß ich nicht mal, ob das überhaupt noch weiter geht. Außerdem.. muss ich ihm doch irgendwann sagen.. dass ich krank bin? Die Bulimie alleine wird schon scheiße.. Aber dann noch die Selbstverletzung.. Meine depressiven Gedanken.. Erwin.. Er wird gehen. Eren wird sich das alles nicht antun wollen. Er wird mich verlassen.. Und genau deshalb.. muss ich es ihm bald sagen.

Jetzt kann ich das noch akzeptieren und verkraften. Denn.. was wenn wir uns immer näher kommen? Ich ihn wirklich gern habe. Ihn brauche.. Wenn er wichtig für mich wird.. Wenn ich endlich jemanden habe. Ich nicht mehr alleine bin.. Und er mich dann verlässt.. würde ich wieder in ein so tiefes Loch fallen.. wie damals, als mein Vater starb. Vielleicht in ein noch tieferes. Da ich ja jetzt schon so psychisch tot bin. Alles würde von vorne losgehen. Depressionen, Suizidversuche, absolute Leere. Und am aller schlimmsten.. Erwin würde es wieder schaffen mich zu manipulieren. Das weiß ich. Ich.. darf es nicht so weit kommen lassen. 

-----------

Habt einen schönen Tag💗

Mein geliebter Eren... [Eren × Levi]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt