D - Im Hotel

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Gedämpftes Sonnenlicht fiel durch die fadenscheinige Vorhänge und warf leichte Schattenmuster auf die cremefarbene Raufasertapete. Nikotinflecken zogen sich darüber hinweg. Schmorr Spuren lauter Nächte. Das Bett war überraschend ausladend und bequem und nahm einen Großteil des Raumes ein. Davis Lider hoben sich flackernd und er fand sich auf dem Rücken liegend, den Arm um die Schulter der Polizistin gelegt vollständig unbekleidet wieder. Auch sie war nackt und schlief noch. Seine Fingerspitzen fuhren leichte Kreise über ihr Schulterblatt, zuerst vorsichtig dann immer neckender. Susanna lächelte, als er ihr die Haare aus der Stirn strich, und wandte ihm ihr Gesicht zu. „Du bist ja wach." Seine Stimme klang heißer, rau. Er sehnte sich nach einem heißen Kaffee. „Schon eine ganze Weile, Halbschlaf." Bestätigte sie seine Vermutungen. „Du hättest mich wecken können." Er zog die Bettdecke höher und drehte sich um ohne sie loszulassen. Ein Blick auf seine Uhr. 10:30. Er seufzte und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Ich könnte einen Kaffee vertragen." Murmelte sie, das Gesicht an seine Halsgrube gepresst. Davis grinste und fuhr mit der Hand durch ihre Haare. Gegenüber ist ein kleines Diner, wenn du willst, kann ich zwei holen. Du kannst ja so lange liegenbleiben oder duschen oder so. Er schob sie sanft beiseite und schlüpfte in seine Sachen, die um das Bett herum verteilt lagen. „Du warst nicht schlecht letzte Nacht." Ihr Grinsen hatte etwas neckendes. „Nicht schlecht ist wohl die Untertreibung des Jahrhunderts." Gab er im Brustton der Überzeugung von sich und schlüpfte in seine Jeans und seine Lederjacke. Sie lachte leise. „Ja du hast recht." Davis nahm die Schlüssel von der Kommode und schloss die Tür mit einem leisen Quietschen. Während er den dicken Teppich entlanglief, auf dem Susanne mit ihren hohen Absätzen solche Probleme gehabt hatte, wirbelten Bilder der letzten Nacht durch seinen Kopf. Nackte Körper, verschwomme Erinnerungen, der seidige Glanz ihrer Haare im Schein der Straßenlampen. Ihr zarter Duft nach Vanille und dunklem Leder. Er passierte den Empfang, der verlassen war und trat durch die Eingangstür des schäbigen kleinen Motels, das jetzt bei Tageslicht noch heruntergekommener wirkte. Moorfields lag verlassen vor ihm. Der Asphalt war gesprungen und rissig. Die Scheiben der Baars und Kneipen dunkel. Einzig die Neonlichter leuchteten noch und verliehen dem trostlosen Ambiente etwas postapokalyptisches. Strommasten säumten die eine Straßenseite, die Leitungen führten quer über der Hauptkreuzung hinweg. Etwas das er für feinen Nebel hielt waberte durch die Straßen, es war kalt und er schlang beim Gehen die Hände um seine Arme. Heute war Halloween, der 31 Oktober. Ob das traditionelle Kürbisschnitzen mit seiner Mum und Schwester stattfinden würde, war ungewiss. Die lange geplante Halloweenparty mit bei seinem Freund Blake war wohl abgesagt. Er hatte seinen Freund seit Tagen nicht mehr gesprochen. Noch etwas, was auf der langen Liste seiner Versäumnisse stand. Seinen Manager anrufen, mit den Sponsoren sprechen und mit Dr. Brahms. Davis wollte unbedingt wissen, was in seiner Akte stand, denn dass er einen riesigen Sturm nur knapp umschifft hatte, war ihm nur allzu bewusst. Doch die Mordanklage, die noch immer gegen ihn aufrechterhalten wurde, lastete schwer auf seinen Schultern. Dennoch musste er sich eingestehen das er es letzte Nacht durchaus genossen hatte. So falsch es war ausgerechnet mit der Polizistin zu schlafen die ihn verhaftet hatte, so reizvoll war es auch gewesen. Er erreichte die Tür des kleinen Diner, das er gestern ausfindig gemacht hatte. Abgesehen von der Tankstelle schräg gegenüber das einzige Geschäft das geöffnet hatte. Die Diskotheken und Bars würden erst später am Abend öffnen. Kaum zu glauben das eine der belebtesten Straßen Moorfields so verlassen vor ihm lag. Er stieß die Tür auf und trat in einen kleinen gefliesten Raum mit einigen Tischen und einer lieblos hergerichteten Theke. Es stank nach Fett, Schweiß und kaltem Zigarettenrauch. Davis verzog das Gesicht und versuchte möglichst flach durch den Mund zu atmen. „Hallo?" Rief er schließlich als er einige Minuten alleine dagestanden hatte und keiner erschienen war, um ihn zu bedienen. „Komme." Rief da eine mürrische Stimme, die so hoch war, dass er im ersten Moment geglaubt hatte, eine Frau spräche zu ihm. „Was willst du?" Ein ziemlich Übergewichtiger Amerikaner mit einem Rolling Stones Shirt das beträchtlich über seinem Bauch spannte, erschien aus dem Hinterzimmer. Davis erhaschte den Blick auf einen vollkommen überfüllten Raum und eine große Spielekonsole. „Zwei Kaffee, schwarz bitte." Das Lächeln ließ er bleiben, der Typ war ihm schon unsympathisch genug. „Habe ich nicht. Maschine ist kaputt." Brummte der Typ und fuhr sich mit seinen kurzen Wurstfingern durch viel zu lange zottlige, ungeschnittene Haare. „Eine Cola vielleicht?" „Ähm nein danke. Trotzdem schönen Tag noch." Er trat den Rückzug an und verließ den Laden, der Typ erwiderte seinen Gruß gar nicht erst. „Idiot." Murmelte Davis vor sich hin, während er großen Schrittes die Tankstelle auf der anderen Straßenseite ansteuerte. Hier wurde er endlich fündig. Er bestellte zwei große schwarze Kaffees, Donuts für sie beide. „Willst du unsre Halloween Edition probieren? Kürbislatte mit Zimtschaum. Der Kassierer, der sehr viel dünner und freundlicher war als der Typ vom Diner grinste ihn an. Seine Nikotingelben Zähen stachen unregelmäßig aus einem schmalen pockennarbigen Gesicht hervor. Ein kleiner Ziegenbart ließ ihn noch hagerer und ausgezerrter wirken. Doch trotz seines offensichtlichen Verfalls und seines schwer abzuschätzenden Alters wirkte der Mann sehr freundlich. „Danke." Davis ließ offen, was er damit meinte, und trat einen Schritt zurück. Der Mann schien erst unsicher, griff aber nach zwei neuen Becher und stellte ihm ein kleines Tablett auf den Tresen. „Leichter zum Tragen." Erklärte er, so als müsse der Zweck des Tabletts ihm überhaupt erklärt werden. Während er wartete, fiel sein Blick durch die verblichenen Fenster auf die verlassenen Zapfsäulen. Ein Zeitungsstand neben ihm erregte seine Aufmerksamkeit, den auf einer der Zeitungen prägte grobkörnig sein Gesicht, offensichtlich eine Paparazzi Aufnahme. Er machte sich nicht erst die Mühe die Überschrift zu entziffern wandte aber rasch den Blick ab, in der Hoffnung nicht erkannt zu werden. Doch es war zu spät, der Typ war seinem Blick gefolgt und seine Augen weiteten sich. „Ich wusste das ich dich irgendwo her kenne. Gleich als du den Laden betreten hast. Du bist dieser Sportler, der das Mädchen umgebracht hat, richtig?" Der Mann wich einen Schritt zurück und stieß gegen das Zigarettenregal. Seinem unglücklichen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, bereute er es bereits so freundlich zu ihm gewesen zu sein. Davis stieß scharf die Luft aus und unterdrückte seinen aufkochenden Zorn. „Sie sollten nicht alles glauben, was die Klatschblätter schreiben." Meinte er nur, nahm den Kaffee und legte einen zwanziger auf den Tisch. „Stimmt so." Es war ihm egal das das viel zu viel Trinkgeld war, er wollte nur noch in das Motel zurück. Den zumindest Susanna schien ihn nicht zu verurteilen, auch wenn er nach wie vor nicht wusste, ob er ihr trauen konnte. Und ob sie ihm denn glaubte.

Sie lag immer noch im Bett, als er zurückkam, war aber am Handy. „Ich dachte schon du hast mich sitzen lassen." Meinte sie nur halb im Scherz als er sich neben sie setzte das Tablett mit den vollen heißen Getränken vorsichtig auf dem Schoß balancierend. „Ne. Keine Chance." Er reichte ihr einen der Kaffees. „Heiß und schwarz." Sie nahm das Getränt an und blies vorsichtig über die dunkle Oberfläche. „Wie hast du geschlafen?" Susanna strich sich die Haare über die Schulter und nahm einen kleinen Schluck. „Fast gar nicht." Gab er zu und wunderte sich, warum er nicht müder war. „Ging mir genauso. Es gab ja viele andere Dinge, die sehr viel spannender waren als schlafen." Er erwiderte ihr Lächeln und biss in seinen Donut. „Also Pläne für heute? Du hast heute frei, oder?" Meinte er kauend. Sie nickte. „Ja, und du? Ich kann mir vorstellen das es auch für dich schöneres gibt als nachhause zu kommen." Er dachte kurz nach. „Ich sollte schon mit meiner Familie reden, aber nicht jetzt. Wenn sie das Gespräch nicht suchen, dann muss ich es auch nicht tun." Bedrückte Stille herrschte zwischen ihnen. „Glaubst du mir denn?" Stellte er schließlich die Frage, die ihm seit gestern auf der Seele brannte. Sie dachte lange nach, nickte bedächtig. „Ich glaube an die Gerechtigkeit. Ich glaube daran das das Schicksaal einem das zuteilt das man verdient." „Das hast du schonmal gesagt." Er zog die Beine an und legte einen Arm darüber. Ihr Blick verhakte sich in seinem, hielt an ihm fest. „Weil es so ist Davis. Nichts im Leben passiert ohne Grund. Und unser Charakter formt sich durch solche Situationen. Außerdem habe ich gemerkt das Ohlsen sich gar nicht mehr so sicher ist. Und das will bei ihm was schon heißen." Ihre Lippen verzogen sich zu einem anerkennenden Lächeln. Die Anziehung, die zwischen ihnen im Raum stand, war fast mit den Händen greifbar. Er stellte die Getränke zur Seite und beugte sich so dich zu ihr vor das er ihren heißeren zitternden Atem über seine Wange streifen spürte. „Vielleicht können wir nicht alles in unserem Leben selbst bestimmen", er stieß gegen sie und sie ließ sich nach hinten sinken, bis ihr Kopf das Kissen berührte und ihre Haare wie ein ausgebreiteter Fächer um sie herum lagen. „Aber manche Dinge liegen definitiv in unserer Entscheidungsgewalt." Er ließ sind nun vollständig herabsinken und presste seine Lippen auf ihre. Sie lächelte in den Kuss hinein und griff um seinen Nacken. „Zum Glück."

STARDUST - 365 Tage mit dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt