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„Käsesahne und Olivenschokoladencracker." Fluchte sie und besah sich stöhnend das Chaos, das ihre Mutter angerichtet hatte. „Oh Mum." Da ihre Mutter ihr die Nutzung jeglicher gewöhnlichen Schimpfwörter verboten hatte, hatte Olivia bereits in jungen Jahren gelernt ihre Wut etwas weniger umgangssprachlich und mit fantasievollen Wörtern und Essenskombinationen auszudrücken. Je weniger die Wörter zusammenpassten desto eindrucksvoller der Fluch, und es gab nur wenig das weniger zusammenpasste als Käse, Oliven, Schokolade und Sahne. Ihrer Meinung nach. Oliva hatte ein beachtliches Repertoire an diesen Flüchen anzubieten, schließlich bot ihre Mutter ihr auch oft genug die Möglichkeit dazu. In einem Anfall von Mütterlichkeit hatte sie beschlossen Pfannkuchen zu machen. Da sie letzte Woche angeblich bei einer Kochshow gesehen hatte, dass die besten Pfannkuchen, die waren, die sich wieder von der Decke lösten, hingen nun zahlreiche halbgare Pfannkuchenfetzen an der Decke herab. Die sich nun langsam lösten und mit dumpfen Plätschern auf dem Küchenboden ausbreiteten. Es machte ein sattes Platsch und Olivia spürte, wie langsam etwas Warmes Weiches ihren Scheitel hinunterrann. Mit spitzen Fingern zog sie sich den Teigklumpen vom Kopf und sah anklagend zu ihrer Mutter, die ihrem Blümchenschlafanzug wie die Unschuld vom Lande auf einem Küchenstuhl saß. Sie hatte sich einige Streifen Küchenrolle abgerissen und auf ihren Kopf gelegt, um die herabregnenden Teigklumpen nicht so frontal abzubekommen, wie ihre Tochter. Die noch vor wenigen Sekunden nichts ahnend durch die Tür gekommen war, und sich prompt in einem absoluten Schlachtfeld wiederfand. Die halbgaren Pfannkuchen an der Decke waren nicht halb so schlimm wie die rohen Teigspritzer die sich überall auf Wand, Kühlschrank und am schlimmsten(!) in dem offenen Küchenschrank ergossen in dem sich Teller, Schüsseln und Tassen stapelten. Olivia wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, tendierte eher zum Weinen, und überlegte zum tausendsten Mal, ob sie einfach ausziehen und ihre verrückte Mutter sich selbst überlassen sollte. Aber das kam nicht in Frage, zumal es durchaus möglich war das ihre Mutter das Haus abfackelte und sie sich eine Vollzeitpflege nicht leisten konnte. „Es tut mir leid mein Schatz, aber dein Vater kommt doch bald von seiner Reise zurück und dein Bruder..." „Dad und Ben kommen NIE WIEDER zurück Mom. Kapier das doch endlich! Nie wieder!" Schrie sie ihre Mutter an, während nun wirklich Tränen der Verzweiflung über ihre Wangen flossen. Sie machte auf dem Absatz kehr und zog die Tür ihres alten Kinderzimmers mit solch einem Knall zu, dass diese im Scharnier gefährlich weit verrutschte, so als würde sie wirklich gleich aus den Angeln brechen. An der einen Wand des kleinen Zimmer stapelten sich Kartons bis zur Decke hoch. Schiefe Stapel, allesamt unbeschriftet, doch das war nicht nötig, denn sie wusste exakt was sich in ihnen befand. Die Scheibe ihres Fensters hatte einen breiten Riss und war so milchig, dass sich darunter nicht wirklich erkennen ließ, ob es lichter Tag oder düsterer Nachmittag war. Sie vergrub ihr Gesicht in dem Kopfkissen dessen Bezug übersät war mit Sternen und kleinen Einhörnern war, die zwischen den Sternen hin und her sprangen. Die Tränen rannen ihn über die Wangen und versanken in dem weichen Stoff, der schon so viele ihrer Tränen versiegen hatte lassen. Nach einigen Minuten klopfte es zaghaft an der Tür. „Schatz?" Ihre Mutter stand ihm Türrahmen. Ihr doch hübsches aber so furchtbar ausgemergeltes Gesicht war vor lauter Kummer verzogen. Sie ließ sich neben ihrer Tochter auf die Bettkante sinken und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir so leid. Ich weiß das sie nie wieder kommen werden. Ich vergesse es nur manchmal." Sie verstummte und Olivia nahm an das sie ihre Tränen trocknete. „Es ist nur so, ich vermisse sie so schrecklich." Nun bebte die Stimme ihrer Mutter wirklich. „Ach Mom." Olivia schniefte und rückte in dem schmalen Bett so weit an die Wand wie nur möglich. Ihre Mutter zögerte nicht und schlüpfte zu ihr ins Bett. Ihre kalten Hände ergriffen die ihrer Tochter und drückten sie fest. „Ich weiß das ich nicht die perfekte Mutter bin Livy, dass ich vergesslich und voller Fehler bin. Und auch wenn wir Ben und Dad verloren haben, haben wir immer noch uns. Unsere zerbrochene kleine Familie. Aber wir haben uns und ich werde niemals vergessen das du meine Tochter bist. Mein kleines Mädchen, das so schnell so groß werden musste. Und ich kann es gar nicht oft genug sagen, aber ich bin so stolz auf dich Livy." Olivia kuschelte sich eng an ihre Mutter. „Danke Mom." Und während sich beide Frauen gegenseitig in den Schlaf weinten, klopfte der abendliche Herbstwind mit leisen unrhythmischen Schlägen gegen das undichte Fenster.

STARDUST - 365 Tage mit dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt