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Die Nachwirkungen des Sturms waren auch am nächsten Vormittag noch deutlich spürbar. Nebelfetzten waberten um die Hänge der Seneca Rocks in der Ferne, dazwischen tauchten einzelne Tannenspitzen hervor und ließen den Wald noch unwirklicher erscheinen. Am Horizont ballten sich dichte Gewitterwolken, dunkel und regenschwer und versprachen weitere heftige Schauer. Einzelne Sonnenstrahlen brachen durch die dunkle Wolkendecke und tanzten auf den sturmumtosenden Grasflächen wie kleine Discolichter auf und ab. Es war kühl, doch die Luft war frisch roch erdig, nach Wasser, Gras und Wald. Davis stand mit einer Tasse Kaffee an ein Geländer gelehnt gekleidet in einem dunklen Pullover, einer Cap und Jogginghose. Er sah auf den nassen Vorhof der unter einer dicken Schicht bunten Laub, abgebrochenen Ästen und Gräsern bedeckt war. In der Ferne grasten die Pferde des Nachbarn auf der Koppel und schlugen missmutig mit dem Schweif. „Der Sender hat gerade angerufen." Seine Mutter trat hinter ihm und zog den Morgenmantel enger um ihre schmalen Schultern. In der Hand hielt sie eine Zigarette. Wortlos inhalierte sie einen tiefen Zug und schielte auf Davis dampfenden Kaffee. Ihre spitzen Fingernägel waren in einem dunklen rot lackiert. „Trinkst du das alles?" Dieser schüttelte den Kopf und hielt ihr die Tasse hin. Sie ergriff sie. „Ja?" Davis schniefte und sah wieder über die Weide zu den zwei Pferden. „Sie haben die Verlosung des Radiopreises und die folgenden Aufzeichnungen um einen Tag verschoben. Aufgrund des Sturms sind die Straßen unpassierbar, zudem gibt es in der Stadt zahlreiche Sturmschäden über die berichtet werden müssen. Das gratis Training mit den Gewinnern wird am Donnerstag stattfinden." Sie nahm vorsichtig einen kleinen Schluck und sah ihren Sohn verwundert an. „Hast du etwa einen von meinen guten Haselnusskaffees genommen und sogar noch eine Priese Zimt hinzugefügt?" Er grinste sie selbstbewusst an. „Ich wusste halt das du kommen würdest, um ihn mit mir zu teilen." „Mein Sohn hat Geschmack. Hätte ich vorher gewusst das du so guten Kaffee machen kannst, wärst du schon vor Jahren dazu verdonnert wurden." Scherzte seine Mutter und nahm einen weiteren Schluck. Obwohl die Stimmung zwischen ihnen so ausgelassen war sie selten, war ihm nicht nach Witzeln zumute. Donnerstag. Davis sah schon Blakes feixenden Gesichtsausdruck vor sich, wenn dieser hörte das Davis am Morgen nach der Party direkt und garantiert verkatert wieder auf der Bahn stehen würde. Er löste seinen Oberkörper vom Geländer und schnippte mit den Fingerspitzen einzelne Wassertropfen vor sich. „Der Sturm war heftig," berichtete seine Mutter," ganze Bäume sind umgefallen. Straßen wurden gesperrt auch die Zufahrt zur Eishalle. Das Training heute also wird leider auch ausfallen müssen." Sie seufzte schwer und gab ihrem Sohn seinen Kaffee zurück, währenddessen inhalierte sie einen tiefen Zug. „Kacey hat mit dir gesprochen, oder?" Ein verschobenes Radiointerview konnte unmöglich der Grund dafür sein das seine Mutter ihre strenge nicht Rauchen! Regel aufhob. Sie nickte und fegte ein wenig Asche von ihrer Handfläche. „Nicht nur einmal. Deine Schwester hat eine Entscheidung getroffen und ich werde sie akzeptieren. Ohnehin warst von Anfang an du die Zukunft des Eissportes. Und du wirst es immer sein. Deine Schwester war mittelmäßig, sie hatte nie den Biss, die Eleganz und Perfektion. Dafür hat sie Zuviel von ihrem Vater geerbt." Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Davis wollte wütend sein, darauf das seine Mutter so abfällig über die Familie redete, doch er konnte es nicht. Zuviele Gedanken huschten durch seine Gedanken und er war seltsam benebelt. Er hatte heute Morgen die gesamte ihm verschriebene Ration an Tabletten geschluckt, siebzehn an der Zahl. Er hatte sie gezählt. Was genau sich in den Medikamenten befand und wogegen genau sie einzeln wirkten hatte er nicht wissen wollen. Die Folge war; er sah wirklich keine Gesichter mehr doch sein Körper fühlte sich schwerefältig an, und sein Kopf so leicht als wäre er in Watte gepackt. Als gehörten Kopf und Körper nicht mehr zusammen. Darum stand er seit gut einer Stunde hier draußen in dem kalten Morgen und versuchte sich ein wenig zu sammeln. Dass das Training heute ausfiel, störte ihn nicht sonderlich. Auf die Aussagen seiner Mutter ging er nicht ein. Seine Mutter blickte ihn vorsichtig von der Seite aus an. „Kacey hat es dir erzählt?" „Die Schwangerschaft? Ja." Er nahm seiner Mutter die Zigarette aus der Hand und zog daran. „Was hat sie gesagt?" Wollte sie wissen. „Nur das sie schwanger ist." Er zuckte mit den Schultern und wechselte die Kaffeetasse von der einen Hand in die andere. „Sonst nichts?" Fragte sie verhalten nach. „Was sollte sie denn noch gesagt haben?" Konterte er scharf. „Nichts Besonderes." Schweigend teilten sie sich den mittlerweile kalten Kaffee und als die Zigarette seiner Mutter aus war, ging sie zurück ins Haus und ließ ihn seinen Gedanken nachhängend stehen. Irgendwann frischte der Wind wieder auf, die Sonnenstrahlen waren von der unerbittlichen Wolkendecke verschlungen worden und auch er ging zurück ins Haus. Im inneren duftete es bereits unglaublich gut nach Eiern und Pfannkuchen. Seine Schwester stand am Herd, die Haare mit einem Kugelschreiber zum Knoten hochgehalten und backte Pancakes. Der Tisch war bereits gedeckt. Sie hatte frischen Kaffee aufgebrüht und Ahornsirup und Erdnussbutter aufgestellt. Ihre Mutter tauchte auf, sie hatte den Pyjama gegen ein Hemd und Jeans ausgetauscht, ihr übliches Outfit, in dem sie zuhause rumlief. „Muss das sein? Pancakes stehen nicht auf eurem Ernährungsplan." Sie verzog das Gesicht. Ohne sich umzudrehen, antwortete seine Schwester in einem Ton der keinen Wiederspruch zuließ: „Ja das muss. Ich bin keine Eiskunstläuferin mehr und Davis verliert nicht gleich sein Talent nur weil er sich einen Morgen nicht an seinen Ernährungsplan hält, Mom." In Davis keimte der Verdacht das die Tränen seiner Schwester gestern nicht nur aus Sorge um ihn, sondern vielmehr von einem heftigen Streit gerührt hatten. Die beiden starrten sich an. Also hatte seine Mutter die Nachricht von dem Auszug doch nicht so gut verkraftet wie seine Schwester ihm letzte Nacht hatte weiß machen wollen. „Na gut. Sieh nur zu das du, wenn du Ende der Woche ausziehst auch diesmal alle deine Sachen mitnimmst." „Das reicht." Schritt Davis, dem das zu bunt wurde nun entschieden ein. „Mom, ich kann essen was ich will und ich hatte schon ewig keine Pancakes mehr. Kacey, ich helfe dir nachher deine Sachen zusammenzusuchen. Punkt." Obwohl seine Körperhaltung locker war, hatte der Ton in seiner Stimme nicht ihre Wirkung verfehlt. Die beiden Frauen starrten ihn an. Seine Mutter wandte als erstes den Blick ab, murmelte etwas davon das sie bis morgen früh wieder zurück sei, und verließ das Haus. Die Haustür fiel mit einem saftigen Knall ins Schloss. „Oha." Murmelte seine Schwester und ließ dabei offen, wem dieser Ausdruck geschuldet war. „Hast du Hunger?" Sie stellte einen Teller mit einem Berg Pancakes auf den Tisch. „Und wie." Davis goss ihnen Kaffee ein und setzte sich. Der Regen hatte wieder eingesetzt, und sie einigen sich darauf den dreckigen Hof am nächsten Morgen zu reinigen. Den Rest des Tages verbrachten die beiden Geschwister auf dem Speicher, sahen sich alte Fotos an. „Guck mal da warst du gerade fünf Jahre alt!" Seine Schwester deutete ein Bild und Davis verzog peinlich berührt die Mundwinkel. Er saß nackt auf einem Bobbycar auf seinem Kopf eine riesige Unterhose, in der Hand hielt er ein verlaufenes Schokoeis, dessen Reste sein Bein herabliefen. „Scheußliches Bild." Sagte Davis voller Inbrunst und meinte es auch so. „Ich habe das Bild immer gemocht." Gab seine Schwester leise zu. „Es gibt nicht viele Bilder, auf denen du so strahlst wie auf diesem hier." Sie wedelte mit dem Unterhosen-Davis herum. „Haha." Er zog eine Grimasse und nahm ihr das kleine Foto ab. „Lust Football zu schauen? Ich glaube wir haben noch Popcorn irgendwo. Er zog seine Schwester auf die Beine und weg vom Dachboden und ihren düsteren Gedanken.

STARDUST - 365 Tage mit dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt