Davis back in NYC

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Etwa eine Woche später war von dem Ausflug in die weiten Kanadas kaum mehr als die Fetzen der Erinnerung übrig. Der glitzernde Schnee, ihre Unbeschwertheit, die unberührte Natur all das hatten sie zurückgelassen, als sie am nächsten Tag spät in den Flug zum JFK eingestiegen waren. Die nüchterne Realität hatte sie beide eingeholt. Davis saß in einem weißen Hemd und einer hellgrauen Anzughose steif am Tisch und starrte auf die Schlagzeilen die vor ihm ausgebreitet auf dem Tisch lagen. Die Tasse Kaffee die neben ihm stand war mittlerweile erkaltet. Weißlicher Milchschaum hatte sich in der Mitte zu einem kleinen Punkt zusammengezogen. Er sah es und kam nicht umhin eine parallele zu seiner aktuellen Situation zu ziehen. Ein hässlicher Fleck der nicht so recht in die ruhige Umgebung passen wollte. Unerwünscht. Sie beide. Um diese rührselige Gedanken zu vertreiben, nahm er rasch einen tiefen Schluck. Das Gebräu war tatsächlich fast komplett ausgekühlt und er stellte sie naserümpfend wieder ab. Denn entgegen vielen anderen hasste Davis kalten Kaffee. Dazu gehörte auch Eiskaffee. Er verstand einfach nicht was so viele daran mochten ein paar wässrige Eiswürfel und eine Kugel Eis in ein Heißgetränk zu schütten. Seiner Meinung nach hatte das nichts mit Sommergetränk oder Hotsummer Drink zu tun, sondern vielmehr der Versuch Kalorien zu sich zu nehmen und sich dabei nicht schlecht zu fühlen. Sein Vater stand neben ihm mit den Fäusten in die Hüften gestemmt, eine Zornesfalte pulsierte auf seiner Stirn. „Mein Sohn ein Schläger." Er fuhr sich erbost mit den Händen durch die Haare. Sie waren wieder nachgewachsen und längere dunkelbraune Strähnen fielen seinem Vater in die sturmgrauen Augen. „Wir hatten eine Abmachung Davis. Keinen Ärger mehr." Ohne seinen Sohn überhaupt zu Wort kommen zu lassen, stützte er sich am Tisch ab und beugte sich soweit über Davis das dieser die winzigen geplatzten Äderchen in dessen Iris sehen konnte. „Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen." Die Enttäuschung, die in der Stimme seines Vaters mitschwang, wog schwerer als die Beleidigung, die er seinem eigenen Sohn entgegenknallte. Davis biss verärgert die Zähne aufeinander und wich dem wutentbrannten Blick seines Vaters nicht aus. Es kostete ihn all seine Selbstbeherrschung, doch schließlich war es sein Vater, der zuerst den Blick abwandte und heftig fluchend die Zeitungsausschnitte vom Tisch fegte. „Du bist absolut nutzlos. Wertlos. Wie du es so weit bringen konntest, ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich war das auch der Grund warum du dich damals für den Einzellauf entschieden hast. Du bist nicht Teamfähig." Er wandte sich Amanda zu die blass und verschreckt in einer Ecke stand und bisher kein Wort gesagt hatte, vermutlich aus Angst selbst zur Zielscheibe zu werden. Mit einem verächtlichen Blick maß er sie. „Ich hoffe mein nächster Sohn wird nicht so Verlierergene haben." Diese Satz schlug allen Anwesenden entgegen wie eine knallende Peitsche. Davis wurde blass vor Zorn. „Wie kannst du so etwas sagen?" Sie schlug sich die Hand vor den Mund und brach in Tränen aus. „Es reicht." Nun erhob sich Davis und stellte sich schützend vor Amanda. „Lass sie aus dem Spiel." Er musste seine Stimme nicht heben, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Sein Vater lachte nur und breitete die Arme aus. „Ach willst du mich jetzt etwa auch schlagen?" Davis starrte ihn, jegliche Kampflust mit einem Mal aus seinen Adern gewichen. „Nein." Erklärte er abweisend und ließ die Fäuste senken. Er hatte nicht mal gemerkt das er sie angehoben hatte. Sein Blick viel auf das verwüstete Wohnzimmer und die herumliegenden Zeitungsschnipsel. Blake hatte Wort gehalten und tatsächlich ein Video im Internet veröffentlicht. Das Video war so zusammengeschnitten und manipuliert worden, als wäre es tatsächlich er gewesen der auf seinen ehemaligen besten Freund losgegangen wäre. Aus Zorn und Verbitterung. Neid darüber nun nichtmehr der Star der Eiskunstlaufszene zu sein. Man sah die beiden grobkörnig verpixelt im Umkleideraum stehen, und da er tatsächlich wesentlich größer und muskulöser war als sein Gegenüber wirkte er sehr bedrohlich. Scheinbar ohne Vorwarnung sah man ihn ausholen und zuschlagen. Einen geschockten Blake der zu Boden ging und beteuerte seine Nase sei gebrochen. Blut floss unter seinen Fingern hervor. Blut das im echten Leben nicht dagewesen war. Er selbst verließ fluchtartig die Kabine, was Blake die Gelegenheit gab, einige Anspielungen auf Roxanas Tod zu geben und anzudeuten er habe während seiner Karriere immer mal wieder gedopt und sei auch nun auf Drogen. Er musste zugeben das er selbst absolut wahnsinnig gewirkt hatte, doch anders als von Blake dargestellt waren es nicht die Nachwirkungen von Drogen, sondern vielmehr seine Emotionen. Seine Wut und die Trauer, als ihm der Ausmaß des Verrats seines Freundes klargeworden war. Mit diesem Video verlor er nun auch die wenigen Unterstützer, die er bis dato noch gehabt hatte und auf seinen sozialen Medien häuften sich die Morddrohungen. Dass das alles nur Behauptungen waren, spielte keine Rolle. Das Gerücht über seine Dopingvergangenheit schlug Wellen, stieß bei seinen Konkurrenten und Gegnern natürlich auf großen Anklang. Jedes seiner ehemaligen Läufe wurde nun genauestens unter die Lupe genommen. Die Brillanz und Perfektion mit der er arbeitete nicht mehr Talent und harter Arbeit zugeschrieben, sondern vielmehr unlauteren Mitteln und Doping. Selbst der letzte Rest seiner Würde schien nun in den Dreck gezogen. Googelte man seinen Namen war da nichts mehr außer Hass und Verachtung. Die Wettbewerb Komitees hatten angekündigt seine Medizinischen Unterlagen und die negativen Dopingnachweise genauestens auf Manipulation zu untersuchen. Dummerweise fiel ihm genau dieser eine kleine Schwindel ein, den er damals bei einer Routineuntersuchung betrieben hatte. Obwohl das kaum einige Monate her war, fühlte es sich an wie in einem anderen Leben. Einem perfekten Leben, in dem seine größte Sorge immer nur perfekte Läufe und das Verheimlichen seiner Krankheit gewesen war. Nicht das das einfach war, doch verglichen mit den Problemen und seinem Ruf nur wenige Monate später, erschien ihm das geradezu bedeutungslos. Er hatte an dem Tag eine erhöhte Dosis an Schmerzmitteln geschluckt und obwohl er genau gewusst hatte, dass das ein Ergebnis nicht gänzlich verändern und den Test positiv ausfallen lassen würde, war er so darauf bedacht keinen einzigen Makel in seiner perfekten Brillanz zu haben das er stattdessen die von Blake angebotene Probe seines Urins abgegeben hatte. Die ihm dieser beinahe aufgedrängt hatte. Zu jenem Zeitpunkt war er sogar noch erleichtert gewesen und hatte es für eine gute Freundschaft gehalten. Nun aber fragte er sich in einem Anflug von Verbitterung ob Blake damals schon das düstere Ziel verfolgt hatte ihm Schaden zuzufügen. Zutrauen würde er dieser Person mittlerweile alles. „Nimmst du Drogen?" Der gebrüllte Schrei seines Vaters riss ihn zurück in die harte Realität. „Nein." Leugnet Davis. Sein Vater sah ihn mit einem Blick an, der so vor Abscheu und Verachtung nur so troff. Langsam, beinahe behäbig öffnete er den Verschluss seiner Aktentasche, die auf seinen Stuhl lag und holte ein kleines braunes mit Gepäckkleber umwickeltes Päckchen heraus. Es war aufgeschnitten. Davis der wusste was nun kam, wehrte sich nicht. Sein Vater sah ihn an, während er das Päckchen umdrehte und ausschüttelte. Mehrere Beutel mit Pillen und weißem Pulver fielen heraus. Die gehören nicht mir. Wollte er sagen, doch er blieb stumm. Was hätte das auch für einen Sinn gemacht? Seine eigenen Pillen, die er mittlerweile nun ständig statt der Tabletten nahm, trug er immer bei sich. Darauf bedacht das kein anderer sie je zu Gesicht bekommen würde. Das Päckchen, das sein Vater offensichtlich beim Durchwühlen seines Zimmers gefunden hatte, stammte von Ethan. Davis und er hatten mittlerweile einen Deal ausgehandelt. Ethan besorgte Davis seine Pillen, auch wenn er es nur widerwillig tat- was für ihn als Menschen sprach- hatte er es doch schließlich aufgegeben Fragen zu stellen und seinen Freund davon abhalten zu wollen. Und Davis erledigte im Gegenzug einige Botengänge in den schickeren Vierteln New Yorks. Mit seiner Sprachgewandtheit und seinem tadellosen Aussehen schaffte er es sich ungesehen unter New Yorks High Society zu bewegen und Ethans Kundenstamm etwas auszuweiten. Ihre Freundschaft war besiegelt mit einem Pakt aus Drogen und Blut, untergraben mit einer Mauer des Schweigens. Doch Davis der außer Olivia nun niemandem mehr traute, hielt es für besser sich seine Feinde zu Freunden zu machen. Und als Drogendealer hatte Ethan selbst mehr als genug Interesse daran seine Geheimnisse für sich zu behalten als mehr über Davis, eigene wissen zu wollen. Außerdem hatten die beiden jungen Männer in letzter Zeit immer öfter Zeit miteinander verbracht und verstanden sich zunehmend besser. Sein Vater würde dem Ganzen allerdings keinen Glauben schenken und Davis selbst hatte wenig Interesse daran sich noch mehr Ärger einzuheimsen als eh schon, indem er zugab, wie tief er wirklich gerutscht war. Außerdem halfen die Pillen wesentlich besser als die Tabletten, auch wenn er sie in wesentlich kürzeren Abständen einnehmen musste, er behielt einen klaren Kopf. Kein schwindendes Sehvermögen, Krämpfe, Stimmen oder Visionen. „Erde an Davis. Hörst du mir noch zu oder ist in deinem Drogenverschissenen Hirn eh alles schon zu spät?" Sein Vater war noch immer außer sich vor Wut. Davis ballte die Fäuste und stütze sich an der Tischkante ab. „Was willst du von mir hören? Alles, was ich dir erzähle, würdest du mir doch eh nicht glauben." Er schüttelte stoisch mit dem Kopf. Sein Vater atmete sichtbar tief durch, ihm gelang es seine Wut auf ein erträgliches Maß zu drosseln doch sein Kopf war hochrot. „Ich will überhaupt nichts von dir hören, ich will Taten sehen." Er holte ein weiteres Päckchen aus seiner Aktentasche und ließ es quer über den Tisch schlittern. Davis erkannte es auf einen Schlag. Es war ein Drogentest zum Selbstdurchführen für zuhause. Seine Schwester hatte so ein Gerät. Eine Zeitlang war es ein Partyspiel an ihrer Highschool gewesen, neben Alkoholtests auch Drogentests an sich selbst durchzuführen, um zu sehen, wer was konsumiert hatte. Natürlich nicht so perfekt wie eine professionell durchgeführte Urin oder Blutuntersuchung, aber es verrichtete seine Zwecke. „Ich möchte das du einen Test durchführst. Jetzt sofort und wenn der nicht augenblicklich negativ ist, wirst du deine Sachen packen und dich hier nie wieder blicken lassen, haben wir uns verstanden?" Davis blickte erst seinen Vater an. Lange. Dann hob er langsam eine Hand und schob mit dem Zeigefinger zurück über den Tisch, weg von sich. Die Geste war unmissverständlich. Unfähig und unwillig auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, sah er zu Amanda hinüber. Als sie die Wahrheit in seinen Augen erkannte, fing sie an zu schluchzen. „Bitte sag das das nicht wahr ist." „Es tut mir leid." Entgegnete er mit einer Stimme, die so belegt war, dass es sich anfühlte als sei ein Bagger über seine Stimmbänder gefahren. Ohne seinen Vater weiter zu würdigen, trat er mit nichts als den Anzug am Leib um ihn herum und umarmte Amanda. „Sag dem Baby, das sein großer Bruder stolz auf ihn ist und es liebt." Flüsterte er der hemmungslos schluchzenden Frau ins Ohr. Tränenpfade aus Trauer und flüssiger Wimpertusche flossen über ihre Wange und ruinierten ihr kunstvolles Makeup. „Ich will das du es kennenlernst. Versprich mir das du es im Arm halten wirst." Sie schlang die Arme um seinen Hals und schien ihn gar nicht mehr loslassen zu wollen. „Ich muss los." Er machte sich von ihr frei und gab ihr einen letzten Kuss auf die Stirn. Zu seinem Vater, der wie versteinert am Tisch stand, drehte er sich nochmals um. „Es tut mir leid, dass ich solch eine Enttäuschung für dich gewesen bin. Alles, was ich immer wollte, war den Sohn zu sein und dich stolz zu sehen." Ohne sich noch einmal umzusehen, öffnete er die Tür, nahm den Aufzug nach unten. Als er den weichen Teppichboden über der Lobby durchquerte und die gläserne Eingangstür hinter ihm mit einem weiteren Klicken ins Schloss, war es endgültig. Er war ein weiteres Mal aus dem Leben einer, seiner, Familie ausradiert worden. Als sein Blick auf sein verschwommenes Spiegelbild in einer Pfütze fiel durchzuckte ihn die Erkenntnis das das Leben ein ständiges Spiel mit dem Feuer war. Wohin man auch ging, hinterließ man verbrannte Erde. Narben in den Herzen der Menschen die man einst geliebt und vergöttert hatte, und dies auch eines Tages wieder tun würde. Denn kein Mensch vergaß. Alles, was sie tun würden können, war verzeihen, doch ein bitterer Beigeschmack würde immer blieben.

STARDUST - 365 Tage mit dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt