D- Party

5 2 0
                                    


Die Nacht war lang, die Musik laut. Je weiter die Party voranschritt, desto weniger wurde Davis Zurückhaltung. Hatten ihn anfangs noch einige erkannt, und er sich eher gescheut mit Alkohol in der Hand fotografiert zu werden so war nun alles egal. Drogen, Alkohol, Joints. Morgen würde er das bereuen. Aber heute noch nicht. Die Erinnerung an den Zwischenfall hatte er an den Rand seines Bewusstseins gedrängt doch, sie nagte immer noch an ihm und verleitete ihn nur weiter dazu noch mehr zu trinken. Mit jedem Getränk und jeden Joint wurden seine Gedanken wirrer, bis er schließlich ausgelassen mit seinem Freund und einigen anderen feierte. „Lilly müsste eigentlich auch bald kommen. Sie will sicher mit dir tanzen." „Warum sollte ich mit Lilly tanzen wollen?" Gab Davis irritiert zurück. Blake sah ihn nur lange an, nickte schließlich und zuckte mit den Schultern. „Also doch nicht." „Also doch nicht was?" Brüllte Davis über den Lärm hinweg. Nicht sicher seinen Freund korrekt verstanden zu haben. „Nichts. Schau mal die Kleine da." Blake hatte seine verschwitzten Arme um Davis Nacken gelegt und deutete mit einer halb leeren Wodkaflasche auf ein Mädchen, das auf der anderen Seite des Lagerfeuers stand. Sie war stark geschminkt, ihre Platinblonden Haare hingen ihr lang und glatt bis auf die Taille und über den Rundungen ihres Tops quollen deutlich sichtbar ihre Brüste. Blake leckte sich über die Lippen, doch Davis zögerte. „Ich weiß nicht, die daneben ist besser." Die Freundin der Blondine hatte leuchtend rote Haare, die ihr in kräftigen Wellen über die Schulter fielen, sie fing Davis Blick auf und lächelte aufreizend. Er erwiderte es schief. „Dann go for it." Blake lachte und prostete einem weiteren Jungen zu. Davis neigte den Kopf. „Und was ist, wenn sie uns erkennen?" „Was dann? Trotz seines hohen Alkoholpegels gelang Blake ein ausgezeichneter ist-doch-egal Blick. „Vielleicht erkennt sie dich, vielleicht findet sie dich heiß, aber vermutlich ist sie total besoffen. Was macht das schon für einen Unterschied?" Blake zuckte mit dem Achseln und winkte die beiden Mädels heran. Die Mädchen lächelten und kamen Hand in Hand auf sie zu geschlendert. Blake legte seinen Arm um Davis Schulter und schob ihm unauffällig ein Bier in die Hand. „Na ihr süßen", lallte er eine Spur zu besoffen, denn während er das sagte, zwinkerte er seinen Freund verschwörerisch zu. Davis dem der letzte Joint das Gehirn vernebelt hatte, grinste nur. Die Rothaarige fing seinen Blick auf und lächelte. Im funkelnden Flammenschein glänzte das Feuer und ihm schien es, als würden sich zwischen den Feuerzungen Schatten züngeln und nach ihnen greifen. Er streckte eine Hand aus, um die funkelnden Schemen Bilder zu berühren, ließ sie auf halbem Weg jedoch sinken als sein Blick sich wieder klarte und statt wabernden Schatten nur noch rote Haare da waren. Die Mädchen nahmen das zum Anlass ihm zuzuprosten. „Auf eine gute Nacht." Brüllte Blake und leerte sein Bier in einem Zug. Davis schwenkte seine halb leere Flasche. „Wie heißt du?" „Roxana." Die rothaarige strich sich die Haare nach hinten und warf ihm einen auffordernden Blick zu. Blake beugte sich so dicht nach vorne das sein alkoholisierter Atem Davis Wange streichelte. Ihr Haar war lang und so feuerrot, dass es unmöglich echt sein konnte. Doch faszinierenderweise stand es ihr ausgezeichnet und ließ sie nur interessanter wirken. „Das Roxana ist ein aufstrebender Star, merk ihn dir, der schläft nicht mit jeder." Er lachte und nahm einen tiefen Schluck von Davis Bier. Während ihm das Ganze eher unangenehm war, lächelte sie anerkennend. „Ich wusste das ich dich irgendwoher kenne. Warst du im Fernsehen?" „Unter anderem", wich er aus. „Na dann." Sie streckte ihm die Hand entgegen, eine unweigerliche Aufforderung. Er ergriff sie und gab hinter seinem Rücken seinem Kumpel ein High Five. Die Blondine sah ihnen etwas gereizt nach. Blake zog sie an sich, doch sie schien abzuwehren. Roxana führte ihn fort von dem Lagerfeuer tiefer in den Wald hinein. Je weiter sie liefen, desto mehr wurden die Partygeräusche, Rufe, lachen und gelegentliche Jubelschreie zu einem unbedeutenden Hintergrundrauschen. Die Nacht wurde stiller und das Knistern des Feuers mischte sich mit dem leichten Säuseln des Herbstwindes der hoch oben durch die Blattkronen strich. Nur gelegentlich lugte der Schein des vollen Mondes durch die Wipfel hindurch und beleuchtete silbrig schimmernde Tannen und in Dunkelheit liegende Baumstümpfe. Die Seneca Rocks waren von hier nicht zu sehen. Er schloss für einen Sekundenbruchteil die Augen und genoss die plötzliche Stille, die sich plötzlich laut anhörte. Roxana oder Rexona? Wie hieß sie gleich noch mal? Schien die Dunkelheit eher als bedrohlich zu empfinden, denn sie zuckte ihr Handy und ließ den künstlichen Lichtschein zitternd über den mit Tannennadeln bedeckten Waldboden gleiten. „Nicht." Davis nahm ihr das Handy ab und steckte es in seine Tasche. „Wenn du nur lange genug wartest, werden deine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen. „Bisschen unheimlich, oder?" Sie tat es als Scherz ab, doch ihre Stimme verriet sie. „Finde ich nicht." Er lächelte sachte. Endlich wirkten die Drogen und der Joint und verströmten eine sonderbare Kälte in seinem Körper. „Du bist ganz kalt." Die Rothaarige hatte nach seiner Hand gegriffen und drückte sie. „Und du heiß." Er meinte es nicht metaphorisch, sondern ganz ernst. Sie lächelte und schob ihre andere Hand in seinen Nacken. Er ließ das Bier fallen und trat näher an sie heran. „Ich frage dich nur einmal, willst du das wirklich?" Die Schatten, die er schon vorher in ihrem Haar betrachtet hatte, kringelten sich seine Fingerhaut empor. Rasch zog er sie zurück. Sie schien die Bewegung falsch verstanden zu haben, denn sie nickte eifrig. „Ja. Das will ich." Er lächelte sie an. Sie hatte ja keine Ahnung. Während sie gemeinsam gegen einem mit dichtem Moos bewachsenen Stamm sanken, griffen seine Finger tiefer in ihr Haar. Sie legte den Kopf in den Nacken, soweit es ihr möglich war und atmete zittrig ein und aus. Davis war gewiss kein Kind der Traurigkeit doch so mitten in der Nacht in einem Wald hatte er es auch noch nie gemacht. Und plötzlich wollte er es. Ob es bei ihr die Anziehung zu einem aufstrebenden Star war oder schlichte Lust und Betrunkenheit, wusste er nicht und es war ihm auch egal. Der Drang der plötzlich aus ihm herausbrach war so urdringend, dass er ihr mit einer raschen Bewegung das knappe Top vom Leibe riss und sich an sie presste. Seine Hände fanden ihren Weg über ihre blassen Brüste hinunter zu ihrem Bauchnabel. Schatten krochen unter ihrer Haut und den Poren hervor, er betrachtete sie fasziniert und erregt. Während sie eng an den Baum gepresst miteinander schliefen und heißere rhythmische Töne ausstieß, erlebte er einen Trip der anderen Art. Ihr Antlitz schien sich zu teilen und gab das einer weiteren Frau da, deren Zügen von einer unweigerlichen Schönheit waren das sie nicht von dieser Welt sein konnte. Zischen den zusammengezogenen Stirnfalten wölbten sich ein zweites Paar Brauen, so dicht und dunkel wie die Tannen herum. Noch während er diesen Vergleich machte, zogen Fetzen von Mondlicht über ihre nackten Körper hinweg und schälte aus dem Körper des menschlichen Mädchens, mit dem er schlief, eine Göttin hervor. Er drang tiefer in sie hinein und die Lust explodierte in ihm. Sie stieß einen Laut aus der, wie das gequälte Wimmern eines Tieres klang und er packte ihre Handgelenke und presste sie über ihrem Kopf an den Baumstamm zusammen. Auf ihren geschlossenen Augenliedern zeichnete sich ein weiteres Paar Augen auf. Türkisfarbene Pupillen, die so geschlitzt waren, dass die Wimpern beinahe den Haaransatz berührten. Eine Nase, die so lang und schmal und gerade war, dass er, wenn er darüberstrich den harten Knochen spitz durch die Haut stechen fühlte. Das Antlitz der Göttin rann in Schemen über den menschlichen Körper hinweg. Aus Roxanas Schulterblättern wuchsen weiße Flügel die explosionsartig aus ihr hervorschellten und dann verblichen. Das Moos des Stammes schien um sie herum zu greifen und die das zweite Antlitz ihres Gesichtes noch schöner und bewundernswerter erscheinen. Während Roxana die Augen geschlossen hielt, öffnete die Göttin ihre und er hielt ihren Blick fest. Kaltes Eisblau und Türkis, das zu einer Sinfonie verschwammen und eine Einheit schaffte, die nicht von dieser Welt war. Er legte den Kopf nach hinten und erlaubte sich ein triumphierendes Lächeln, erst dann drangen die Geräusche der Wirklichkeit zu ihm hindurch und das Lachen der Göttin verwandelte sich zu einem Wimmern. Roxana weinte. Mit einem Schlag wurde er in die kalte Realität zurück katapultiert und er starrte sie entsetzt an. Dort wo die Nase der Göttin gewesen war, klaffte nun quer über ihr menschliches Gesicht ein breiter Striemen Blut. Er hatte sie gekratzt. Erschrocken wich er einige Schritte zurück und bemerkte das ihre Kleider wild zerfetzt über dem Waldboden lagen. „Es tut mir leid Roxana." Beteuerte er und sah betreten auf das Mädchen das kraftlos zu Boden gesunken war und hysterisch weinte. Er ging vor ihr in die Hocke heilt jedoch gebührend Abstand. Scham und noch ein weiteres Gefühl, das viel tiefer ging und dass er weder einordnen konnte und mochte, wallten in ihm auf. Bleierne Müdigkeit und Erschöpfung überkam ihn. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzten." Beteuerte er. „Das warst nicht du, ich habe mich selbst gekratzt, als ich abgerutscht bin. Du hast mich nicht verletzt." Sie wischte sich mit der Hand über die Augen und ihr Weinen verstummte. „Es waren deine Augen, du Freak. Oh Gott, was tue ich hier nur. Ich kenne dich ja nicht mal." Sie stand auf und griff wahllos nach dem erstbesten Oberteil das sie sich schützend vor die Brust hielt. Er erkannte seine matschverschmierte Jeans. „Du hast mich angestarrt, durch mich hindurchgestarrt. Die ganze Zeit über warst du überhaupt nicht richtig da. Scheiße Mann ich dachte du bringst mich um." Erneut rannen Sturzbäche von Tränen über ihre Wange. Sie ließ seine Jeans fallen und schnappte sich ihr Zeug. Mit ihren Klamotten in der Hand drehte sie sich um und entfernte sich langsam von ihm. „Roxana." „Nicht. Folge mir bitte nicht." Trotz der Tränen lächelte sie ihn an. „Du bist ein schöner Mann Davis, du musst mich nicht lieben, aber du könntest wenigstens so tun, als wärst du an mir interessiert. Ich schlafe nicht mit jedem weißt du, aber du hast nicht mit mir geschlafen, sondern mit dir selbst." Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und drehte sich um, er starrte ihr nach und sah zu wie ihre nackte Gestalt tiefer zwischen der Dunkelheit des Waldes verschwamm. Die Drogen und der Alkohol taten sein Übriges. Er wollte ihr nachlaufen, doch plötzlich wallte Übelkeit und Erschöpfung so stark in ihm auf das es ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Zweige knackten. Etwas undeutliches schälte sich aus der Dunkelheit. Eine Gestalt? Ein Mensch oder doch Einbildung? Er taumelte, hob die Hand vor Augen als ein scharfer Lichtstrahl aufglomm und ihm direkt ins Gesicht schien. Wie die Scheinwerfer eines Autos, oder das Licht einer Göttin. War es Realität? Die Wirkung seiner Medikamente schienen gegen den Alkohol gänzlich zu verblassen und drohten ihn in einen Strudel aus Illusionen zu reißen. Ein stechender Schmerz war da mit einem mal an seinem Hinterkopf. Die Müdigkeit überkam ihn so plötzlich und allumfassend das seine Augen sich bereits geschlossen hatten, noch bevor sein Kopf den Waldboden berührt hatte.




Die Tropfen, die über seine Wimpern rannen, weckten ihn. Zuerst dachte er was wären Tränen, und er wischte sie unwirsch brummend weg. Sein Rücken tat so weh, dass er noch im Halbschlaf beschloss eine neue Matratze kaufen zu gehen. Er streckte die Hand aus, um nach seinem iPhone auf dem Nachttisch zu tasten als sein Handrücken gegen etwas raues unergiebiges stieß. Überrascht öffnete er die Augen ein Spaltbreit und wünschte sich im selben Moment er hätte es nicht getan. Die dämmrige Helligkeit flutete durch seine Lieder und verursachten einen beinahe körperlichen Schmerz. Nur langsam flutete sich sein Bewusstsein mit dem Geschehen der letzten Nacht. Die Party. Die Drogen, Blake, das viele Alkohol. Der Sex. Erst jetzt hob er den Kopf und wartete einige Sekunden, bis sein Blick sich klarte. Schmerzen schossen sein Rückgrat hervor und seine Kehle war so trocken, dass sie schmerzte. Es mochte noch sehr früh am Morgen sein. Das Licht war so dämmrig, dass es gerade schemenhaft die Umrisse bezeichnete. Es war still und kalt, und das, was er irrtümlicherweise als Tränen betrachtet hatte, war ein feiner Nieselregen, der durch die Zweige der Tannen hindurch auf ihn herabstob. Wer weiß wie lange schon. Erst jetzt registrierte er das er Splitterfaser nackt und komplett durchfroren war. Seine steif gefrorenen Finger tasteten nach dem Bund seiner verdreht daliegenden Jeans und bekamen sie erst beim dritten Versuch zu fassen. Allein sie zu sich herzuziehen, kostete ihn schon unmenschliche Kraft. Er ertastete ein mit kleinen Steinchen bezogenes Handy, die Versuche es einzuschalten schlugen fehl. Das Display blieb dunkel. Sein eigenes leuchtete auf und zeigte die Zeit an. 5:20 Uhr. Die Uhrzeit sagte ihm gar nichts. Er wusste nicht, ob es früh oder spät war, als raffte er seine Kopfschmerzen ignorierend sich auf und trat den Weg nachhause an. 

STARDUST - 365 Tage mit dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt