Die Sonne ging gerade runter und verschwand als brennender Feuerball hinter den Berghängen. Die angefrorene Oberfläche des Sees brach sich in allen möglichen Farben, und sah aus, als wäre es aus flüssigen Silber, durchzogen mit Gold, eisblauen Akzenten und feurigen Rot und Orangetönen wie ein lebendes Wesen. Der in Dunkelheit gehüllte Bergkamm war wie ein abstraktes Schattengebilde in einem Farbenspiel das schöner nicht sein hätte können. Der Herbst neigte sich dem Ende zu und die meisten Bäume waren nicht mehr als ein einzelnes Gerippe, knarziger Äste, dazwischen vereinzelt stehende Tannen. Doch die Blätter, die zu Boden gefallen waren, waren noch frisch und glänzten von der aufsteigenden Taunässe. Sie standen schweigend nebeneinander und sahen zu wie die Sonne hinter dem Horizont versank und die Oberfläche des Sees einem schönen dunklen Blauton wich. Davis fasste prüfend auf die dünne Eisschicht und sie gab sofort nach. „Hätte nicht gedacht das er um diese Jahreszeit schon gefroren ist." Er sprach mit sich selbst doch seine Schwester antwortete ihm trotzdem. „So kalt wie die Nächte hier oben sind, wundert es mich eigentlich das er noch nicht komplett gefroren ist. Weißt du wie tief er ist?" „Keine Ahnung", er machte eine unbestimmte Handbewegung, erhob sich und zog sich Shirt und Lederjacke aus. „Was tust du?" Seine Schwester starrte ihn entgeistert an als er mit nacktem Oberkörper vor ihr stand und seine Schuhe von sich kickte. „Komm, aber mach schnell." Er streckte die Hand nach ihr aus, doch sie trat zwei Schritte nach hinten und verschränkte so schnell ihre Arme, als würde sie geradezu befürchten das er sie packen würde. „ Nur ganz kurz", lockte er sie. „Auf. Keinen. Fall. Ich geh da nicht ein. Im Ernst nicht. Du solltest es auch nicht tun." „Dann halt nicht", er seufzte als er sah das er seine Schwester nicht würde umstimmen können und entledigte sich auch seiner Jeans. Barfuß tapste er auf dem kalten Stein und durchbrach das Eis. Ohne nachzudenken, schritt der in den See, bis das kalte Wasser seine Taille umspielte. Die eisige Kälte drang in ihn ein wie tausend Nadelstiche, zuerst kam der Schock als er stumm bis drei zählte und dann untertauchte. Sein Körper reagierte sofort. Nachdem das erste Erschrecken vorbei war, flutete ein prickeln seine Venen und ein ungeheures Glücksgefühl strömte durch seine Adern. Begeistert ließ er den Kopf nach hinten sinken und lachte. Diese eisige Kälte gemischt mit absoluter Euphorie, für solche Momente lebte er. Am Himmel erschienen die ersten Sterne, er kannte sich nicht aus mit Sternbildern, doch in seiner Fantasie war das gesamte Firmament ein Wunderspiel. Er machte einige Schwimmzüge, wobei ihn jedes Mal ein elektrisiertes Gefühl erfasste, wenn die feinen Härchen auf seinen Armen mit den auf dem See treibenden Eissplittern in Berührung kamen. Seine Schwester stand am Ufer, seine Sachen in Arm. „Ich glaub es ist genug, du solltest jetzt rauskommen." Sie hatte recht, sein Körper war mittlerweile so unterkühlt das ihm das Eiswasser im See wärmer vorkam als die Luft, die sie umgab. Er schwamm zum Ufer, stieg aus dem See und fühlte im ersten Moment nichts. Weder Kälte noch Wärme noch Schmerzen. In diesen wenigen Sekunden, in denen sein Körper taub und schockgefroren war, lebte er. Dann setzte das Prickeln wieder ein, kroch sein Rückgrat hinunter. Er schüttelte sich und nahm seiner Schwester seine Sachen ab. „Danke. Nächstes Mal kommst du mit." Kaceys Miene ließ keine Zweifel daran das dieses nächste Mal, wenn überhaupt im Hochsommer geschehen würde. „Wie spät ist es?" Wollte er wissen, während er sein tropfendes Haar mit der Leder behafteten Seite seiner Jacke abrieb. „Gleich 8." „Hmm." Irgendwie löste das nichts in ihm aus. Er überlegte kurz ob er das jetzt als Erst so früh?" Oder; „was, schon so spät? - Interpretieren sollte. Entschied dann aber, dass es ihm eigentlich auch egal war. „Also heim so langsam." „Ja schon, oder?" Er zog sich rasch an, wobei die Kälte sich nun deutlich bemerkbar machte, und verabscheute aus tiefstem Herzen das Gefühl der kalten steifen Jeans über nasse Haut streifen zu müssen. Sie kletterten gemeinsam wieder zum Wagen hinab. Deutlich langsamer diesmal. Seine Schwester steuerte so zielstrebig auf die Beifahrerseite das kein Zweifel daran bestand wer fahren würde, vermutlich war sie nicht gerade erpicht darauf im Dunkeln die enge kurvige Straße hinunter fahren zu müssen. Er würde sogar diese beschissene Straße tausend Mal fahren, wenn das nur bedeutete hinter dem Steuer sitzen zu können. „Warum verrätst du Mum nicht eigentlich das du einen Führerschein hast?" Als sie im Wagen saßen, drehte er das Heißluft Gebläse auf die höchste Stufe, das Wagendach blieb natürlich zu. Obwohl er unter anderen Umständen eine Cabriofahrt unter dem Nachthimmel sicher genossen hätte. „Sie hält alles das nichts mit dem Eislaufen zu tun hat für Zeitverschwendung." Knurrte er und dachte an die letzte Diskussion, die sie geführt hatten und die in einem heftigen Streit ausgeartet war. „Ja gut, aber jetzt wo du ihn doch hast, kann sie doch nichts mehr dagegen sagen?" Davis schaltete die Fernstrahler des Autos an und warf seiner Schwester einen geringschätzigen Blick zu. „Kennst du Mom wirklich so schlecht?" Er schnaubte. „Auch wieder wahr." Kacey widmete sich ihrem Döner, den sie vorhin nur halb gegessen hatte, was ihn an seinen eigenen knurrenden Magen erinnerte. Er würde zuhause essen. Die Nacht um sie herum war so dunkel, dass es absolut war beängstigend zu wissen das sie neben einem mörderisch tiefen Abgrund fuhren und nicht das geringste davon erahnen konnten.

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STARDUST - 365 Tage mit dir
Misterio / SuspensoEigentlich läuft in Davis Leben alles perfekt. Er ist auf dem Höhepunkt seiner Eiskunstlaufkarriere, die Presse liebt ihn und Olympia scheint zum greifen nah. Wäre da nicht diese eine verhängnisvolle Partynacht bei der ein Mädchen verschwindet. Sie...