9. On Set

2.5K 114 0
                                    

Die Party nahm in den frühen Morgenstunden ein Ende und Madlin sammelte uns ein und drängte uns zum Fahrzeug. Wir waren noch so aufgepeitscht, dass wir gar nicht fahren wollten. Aber wir mussten uns Madlins Anweisungen fügen. Sie war wirklich streng mit Shelly. Durch meine Anwesenheit vermutlich noch strenger.

„Denk an den Nachdreh Morgen. Ich erwarte dich gut aussehend und frisch." raunte sie in Shellys Richtung und mir wurde einmal mehr klar, wie instrumentalisiert Shelly war. Sie konnte nicht selbst entscheiden, was sie tun und lassen wollte. Dieser Gedanke machte mich traurig.

„Wenn du willst, kannst du mit ans Set kommen." sagte Madlin und ich gaubte einen Hauch von Freundlichkeit zu entdecken. Ich freute mich wahnsinnig über das Angebote. In mir hüpfte und polterte es vor Freude. Ich bemühte mich um Coolnis und gab ein knappes „sehr gerne." zur Antwort. Shelly schmunzelte vor sich hin.

Im Haus angekommen, fiel es uns schwer, uns auf den Schlaf zu konzentrieren. Aber wir waren geprägt von Madlins Ansage und gingen artig zu Bett.

Am nächsten Tag klingelte der Wecker erbarmungslos. Um neun Uhr mussten wir uns auf den Weg ins Studio machen. Ich war so aufgeregt, dass ich Shelly mit hunderten von Fragen löcherte. Sie verriet mir wenig und sagte immer wieder. „Warts ab, Süße. Lass dich überraschen."

Im Studio angekommen, wurde ich erstmal von den anderen Schauspielern begrüßt. Die ein oder andere erinnerte sich, mich schon gesehen zu haben. „Die Deutsche, oder?" fragte mich eine. „Ja." antwortete ich zähneknirschend. Ich mochte es nicht, so genannt zu werden.

„Franzi, ist mein Name." sagte ich und sie verstand meinen Wink sofort.

„Willkommen, Franzi." antwortete sie. Und schon im nächsten Moment zog Shelly an meinem Arm.

„Kommst du mit? Ich zeig dir die Maske." Natürlich ging ich mit. Ich war so aufgeregt und konnte kaum erwarten, was ich alles erleben würde. In der Maske angekommen, fanden wir uns in einem mittel großen Raum wieder, in dem Ron schon auf Shelly wartete. „Hey süße." begrüßte er sie überschwenglich. Ehe ich mich umsah, drückte er auch mir Küsse auf die Wangen. „Was bist denn du für ein Schnuffelchen?" fragte er, während Shelly in Gelächter ausbrach. Ich wusste zunächst nicht, damit um zu gehen. Aber dann fand ich es einfach nett, verrückt, aber nett. Er schminkte Shelly, während er mir aus rauf und runter und ich war mir sicher, dass er sofort verstanden hatte, dass ich nicht nur eine Freundin war. Er kommentierte das diskret mit einem Augenzwinkern. Shelly sah nun deutlich verändert aus, ich mochte sie ohne Maske lieber.

„Was passiert jetzt?" fragte ich fast wie ein kleines Kind.

„Jetzt gehen wir ins Kostüm. Normalerweise gehe ich da vor der Maske hin, aber heute sind wir so viele im Dreh, dass sich der Plan etwas verändert hat. Komm mit, ich zeig dir mal das Studio."

„Warum hat Madlin von einem Nachdreh gesprochen?"

„Weil wir in einer Szene einen Anschlussfehler hatten und unsere Skripterin das nicht bemerkt hatte."

„Ach das sind diese Dinger, wo in einer Szene zB jemand ein gelbes Shirt und im nächsten Bild plötzlich ein grünes an hat?"

„Ja, aber so heftige Fehler sollten nicht passieren. Aber wenn, dann muss diese Szene eben neu gedreht werden."

Inzwischen waren wir im Studio angekommen. Dort herrschte bereits geschäftiges Treiben. Menschen, die sich irgendwelche unverständlichen Dinge zuriefen. Kameramänner und Frauen, die Linsen putzten oder wieder anderen Anweisungen gaben, wo sie sich hin stellen sollten und welches Licht wo hin soll.

„Die richten das Licht ein?" fragte ich.

„Genau. Und das Mädel da vorne vor der Kamera ist ein Lichtdouble. Sie doubelt mich und steht auf meinen Positionen, damit ich dann nachher direkt im richtigen Licht stehe."

„Was? Sie macht nur das?"

„Ja und vor allem den ganzen Tag. Komm wir gehen weiter."

Als nächstes betraten wir eine riesige Kleiderkammer. Zwischen Bergen von Kleidung, Stoffen und Schmuck, saß eine ältere Dame, die Brille auf die Nasenspitze geklemmt, eine Stecknadel zwischen den Lippen. Sie war dabei eine Hose um zu stecken.

„Hey Beth, begrüßte sie Shelly."

Beth schielte über die Brille hinweg zu uns. „Hey, wen hast du denn da mit gebracht?"

„Das ist meine Freundin Franzi. Sie schaut sich heute mal hier am Set um."

„Herzlich Willkommen, Franzi." begrüßte sie mich.

Sie war ein sehr herzlicher Typ, fast ein wenig mütterlich. Kaum hatten wir ein paar Worte miteinander gewechselt, zupfte und zog sie an meiner Klamotte rum und erklärte mir freundschaftlich, wie man das Shirt halb in die Hose steckt und wie man den Gürtel im Moment so trägt. Ich kicherte vor mich hin und hatte Spaß an diesem Miniumstyling.

Eine Stunde später ging es auch schon zur Textprobe. Allen wurde genau erklärt, wo der Fehler zuvor war und was wie wann gedreht würde und dann ging es auch schon los. Eine junge Frau trat mit einer Klappe herein, die eine digitale Anzeige hatte und stellte geschäftig an ihr herum.

Es ging los, alle auf ihre Positionen, der Rest zur absoluten Stille ermahnt, die ON AIR-Lampe leuchtete auf und dann hieß es „And Action", Klappe, drei Sekunden warten und dann ging es los. Ich tauchte ein in diese neue Welt, die sich mir eröffnete und war fasziniert.

Als wir am frühen Nachmittag das Studiogelände wieder verließen, fühlte ich mich für einen Moment wie benebelt. Diese Schauspielwelt hatte eine eigene Dynamik, real und doch nur gespielt. Vor allem aber hatte sie so viel Normalität. Schauspieler, die vor die Kamera treten, ihren Job machen und wieder nach Hause gehen und ein ganz normales Leben führen. Was es ungewöhnlich und zu einem besonderen Dasein machte, waren die Fans. Auch Shelly konnte nicht mehr einfach so auf die Straße gehen. Nur mit viel Tarnung und selbst die war irgendwann so auffällig, dass sie wieder enttarnt wurde. Bei aller Bewunderung, erlebte ich aber auch viel Ernüchterung und erstrecht keinen Neid. Gefangen in einem goldenen Käfig.

©lialight

Meet and love (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt