46. Clarification

1.6K 81 8
                                    

Ich hatte mir die Augen aus dem Kopf geweint und gleichzeitig gewütet darüber, was ich Shelly an den Kopf geschmissen hatte. Ich war auch wütend darüber, dass sie so fordernd war, aber ich hatte auch über reagiert. Mir waren die Nerven durchgegangen und das machte mir deutlich klar, was ich für eine Angst und Anspannung in mir trug. Ich hatte sie nie so hart erlebt. Hatte sie gar kein Verständnis für meine Situation. Durch diesen streit war ich auch gezwungen, mir tatsächlich die frage zu stellen, ob ich eine Zukunft für uns sehe, ob Heirat oder nicht. Ich sah sie, ja, ich sah uns gemeinsam. In Kanada. Ich musste wieder weinen. Ich fühlte tief in mir, dass ich keine andere Wahl haben würde, wenn ich mich für sie entschieden hatte. Es wäre unmöglich, dass sie in Deutschland lebt. Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf und mein Herz schlug heftig und verängstigt. Diese Entscheidung war schwerwiegend. Es ging nicht um eine andere Stadt, es ging um einen anderen Kontinent. Weg mit diesen Gedanken, ich spürte, wie es mir wieder Tränen in die Augen jagte.

Shelly hatte sich über Stunden nicht blicken lassen. Ich war mir sicher, dass sie im Garten war. Es gab dort keinen Ausgang. Und hätte sie weg fahren wollen, hätte sie an mir vorbei gemusst. Ich war froh darüber, das zu wissen. Es hätte mich verrückt gemacht, wäre sie irgendwo unterwegs und ich hätte keine Ahnung, wann sie wieder käme oder wo sie war. Verdammt, ich konnte es genauso wenig ertragen, dass sie da im Garten irgendwo war. Ich sehnte mich nach ihr. Ich wollte sie, ich liebte sie. Ich musste sie suchen. Die zertrümmerte Tasse lag immernoch wie ein Zeugnis auf der Veranda, aber das war mir jetzt egal. Ich musste meine Frau suchen. Ich atmete tief durch und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich nahm mir noch einen Kaffee und füllte auch für Shelly eine Tasse. Die Liebe in mir gewann wieder Überhand und ich spürte wieder den Mut in mir und die Kraft und das Wissen, dass ich diese Frau nicht verlieren wollte.

Ich ging kreuz und quer durch das Gelände und verfluchte es, dass es so groß war. Sonst hatte es mich nicht gestört, aber jetzt, wo ich nur noch meine Beziehung retten wollte, war jeder Meter den ich ging ohne sie zu finden die Hölle.

Doch da fand ich sie. Sie saß mit dem Rücken zu mir, die Knie angewinkelt und die Arme darum geschlungen. Sie kauerte wie ein verängstigtes Häschen. Sie hatte mich nicht bemerkt, mich nicht kommen hören. Ich hielt ihr die Tasse hin. Sie zuckte zusammen, sagte nichts und wischte sich versucht unauffällig die Tränen weg. Sie hatte den Kopf von mir weg gedreht. Ich setzte mich neben sie und startete einen weiteren Versuch, ihr den Kaffee zu geben. Ich hielt ihn ihr hin, stupste sie an:"Shelly, es tut mir leid. Ich wollte das nicht." "Was wolltest du nicht? Mir offenbaren, dass du es grade ganz schön findest, aber für uns keine Zukunft siehst?" wütete sie sofort los und ich sah, wie sich ihre Lidränder wieder mit Tränen füllten. Ich stellte die Tasse in den Rasen und war mir sicher, dass sie sie nicht nehmen würde. "Es tut mir leid. Ich bin furchtbar aufgeregt, Schatz, mein Leben dreht sich einmal um sich selbst und ich habe eine scheiß Angst in mir. Die Größte davon ist, dass ich dem allen nicht gerecht werde und dich verlieren könnte. Ja, ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen, dessen bin ich mir sicher. Es tut mir leid, wenn es so schräg bei dir angekommen ist. So habe ich es nicht gemeint und mir war vorher einfach nicht klar, dass ich total überfordert bin. Ich will einfach bei dir sein, dich lieben, einfach lieben, mit dir leben. Ich wünsche mir, die Themen Schritt für Schritt angehen zu können. Wir machen diese Interviews, wir müssen darüber sprechen, wann wir zusammen ziehen und vor allem wohin. Mein Leben ist nicht mehr wie es war und wird es auch nicht mehr werden. Es gibt kein zurück mehr. Vor allem gibt es für mich kein zurück mehr ohne dich. Ich brauch jetzt einfach ein bisschen Handbremse in dem Geschehen. Das ist mir heute klar geworden. Ich muss wissen was zu tun ist, eins nach dem anderen. Ich hätte jetzt gerne ein Handbuch oder eine Checkliste, was tue ich wann. Ich brauche deine und Madlins Unterstüzung, mit diesem Presserummel um zu gehen. Hilfst du mir?" Shelly hörte mir zu, aber sie sagte nichts. Sie griff stattdessen nach der Tasse und nippte an dem Kaffee. "Weißt du was?" fragte sie. "Was?" fragte ich sanft. Sie drehte den Kopf zu mir und sah mich an mit ihren geröteten Augen. "Kalter Kaffee schmeckt nicht." sagte sie und ein Lächeln zog sich über ihre Lippen. Ich musste schmunzeln und verstand diesen Scherz als Versöhnung. "Ich helfe dir, wo ich kann, Franzi." sagte sie ernst. "Ich würde verflucht nochmal diese Karriere einfach an den Nagel hängen, wenn du damit nicht umgehen kannst. Du musst nichts tun, was du nicht willst." Das ging mir einmal durch den ganzen Körper, sie sagte das so ehrlich, dass ich mir sicher war, sie würde es tatsächlich tun. Ich lächelte und streichelte ihr durchs Haar. Sie beugte sich vor und gab mir einen Kuss, bevor sie ihren Kopf an meine Beine legte. "Erzähl mir, wie es für dich war, als du dein erstes Interview gegeben hast." fordert ich sie auf. "Oh mein Gott, erinner mich nicht daran. Ich war so nervös, dass ich das ganze Dekoltee voller roter Flecken hatte. Du kannst dir vorstellen, das ich nicht grade hoch geschlossen in die Sendung ging. Ich hatte ein wunderschönes Kleid an mit tiefem Ausschnitt und diese Flecken waren so häßlich und je mehr ich versuchte, mich zu beruhigen, desto mehr krochen sie meinen Hals hoch. Die Frau von der Maske puderte und schminkte so viel drüber, dass es im Laufe des Interviews kleine Risse auf meiner Brust auftat. Wie trockene Tonerde auf der Haut." Ich lauschte ihren Worten und ihrem Witz dabei. Ich lachte und mein Herz schlug, für sie. "Mega peinlich sag ich dir. Madlin ist fast durchgedreht. Sie wusste nicht mehr, wie sie mich beruhigen sollte. Ich war heil froh, als das hinter mir war. Mir ging es genau wie dir. Mein Leben drehte sich über Nacht einmal um sich selbst." Ich folgte ihren Worten und streichelte ihren Kopf, ihre Stirn. "Ist das heute immernoch so?" fragte ich sie. "Nein, ich hab mich daran gewöhnt. Inzwischen ist es eher ein fast normales Gespräch für mich. Klar, kurz vorher habe ich auch noch Lampenfieber, aber wenn ich dann erstmal drin bin, ist es ok. Sie sah mich an und setzte sich dann auf. Sie nahm meine Hände und küsste mich sanft. "Ichbin froh, dass du es mir gesagt hast. Lass uns gemeinsam die Schritte planen und alles was dir zu viel wird sagst du gleich und ich tue es auch, Okay?" Ich nickte zustimmmend. "Komm, lass uns rein gehen, es wird schon dunkel. Frag einfach alles was dich bewegt, alles was du wissen willst." Ich nickte und war so berührt von ihr. Wir gingen los, aber Shelly stoppte unvermittelt. "Und noch was." sie wurde sehr ernst. "Du bist und warst niemals ein niemand." stellte sie fest und ließ keinen Gegenkommentar zu.

Sie verlieh dem Gesagten einen tiefen nachdrücklichen Blick, hüllte mich in ihre Arme und wir gingen auf die Veranda zu. Da war sie noch die Tasse. "Oh man, das war meine Lieblingstasse." stellte sie fest und kratzte sich am Kopf. "Ja, ich mochte sie auch, nun ja, kaaaapppppuuuuutttt." sagte ich scherzhaft. Ich fand dieses gelbgrüne Ding alles andere als schön. "Hey, veräppelst du mich etwa?" fragte sie und machte sich bereits daran mich zu fangen, während ich kreischend ins Haus lief. Wir balkten und lachten und waren beide mehr als erleichtert, dass wir unseren ersten Streit so gut gemeistert hatten.

"Ich will meine Fanpost lesen." sagte ich mit absichtlich vorgestreckter Brust. "Ich bin nämlich jetzt auch ein Star." sagte ich verspielt kindlich. Shelly lachte nur amüsiert. Sie holte den Schuhkarton und wir verteilten die Post auf dem Boden. Wir machten uns daran, jeden Brief zu lesen. Ein ganz besonderes eigenartiges Gefühl machte sich in mir breit als ich einen Brief in der Hand hielt, der an mich gerichtet war. "Schau mal Süße, da steht mein Name." sagte ich und hielt ihr den Brief hin. "Das ist so merkwürdig. Das ist ein Mensch, den ich nicht kenne und doch schreibt er so vertraut. "Ja, das ist auch für mich etwas ganz besonderes. Diese Menschen vertrauen dir so viel an, ohne das sie dich kennen. Das ist für mich ein riesiges Geschenk und das nehme ich sehr ernst und versuche, soweit es geht jedem zu antworten. Leider geht das nicht immer. Wenn ich drehe komme ich gar nicht dazu. Und insgesamt sind es inzwischen auch einfach zu viel." Erklärte Shelly.

"Das kann ich verstehen. Dieser Chris schreibt mir, dass er schwul ist und möchte Tipps von mir, wie er seinen Angebeteten für sich begeistern kann. Ich möchte ihm antworten." Shelly grinste verschmitzt. "Aha, du weißt also wie das geht?" Sie hatte die Kessheit auf der Nasenspitze sitzen und wollte mich herausfordern. Ich stürzte mich unvermittelt auf sie mit der Kampfansage: "Na warte, ich werds dir zeigen." Ich gab ihr den wohl intensivsten Kuss, zu dem ich in der Lage war. Sie lag unter mir und rührte sich nicht mehr. "Okay, ich gebe mich geschlagen." lachte sie und wir kuschelten eine Weile, bevor wir uns wieder an unsere Fanbriefe machten.

©lialight



Meet and love (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt