55. Working place

1.6K 75 9
                                    

Seit zwei Woche beantwortete Franzi unermütlich ihre und meine Fanbriefe mit so viel Hingabe und Freude. Oft erzählte sie, was die Menschen schrieben und manche Briefe zeigete sie mir auch. Sie sortierte jeden beantworteten Brief ordentlich in eine Kiste. Sie war sehr sorgfältig und hatte sich ihren eigenen Tagesablauf geschaffen. Ich genoss es wahnsinnig, sie um mich zu haben. Jede Mittagspause verbrachten wir miteinander und mal war Madlin bei uns, mal Ron, mal waren wir alleine. Nur Kelly, die gute Küchenfee hatte immer alles im Blick. Sie hatte sichtlich Freude daran, mit uns zu kokettieren und immer mal wieder ein Zwinkern zu uns zu schicken. Sie war irgendwie speziell von ihrer Art und ich war mir sicher, dass nicht jeder in der Crew mit ihr konnte, aber Franzi und ich mochten sie. Wahrscheinlich genau deshalb, weil sie so einzigartig war.

Ich beobachtete Franzi immer mal wieder, wenn sie so in ihren Schreibfluss versunken war und mich gar nicht wahr nahm. Ich bemerkte, dass sie sich häufig in den Nacken fasste, vor allem wenn wir abends gemeinsam zurück nach Hause führen. Sie hatte keinen vernünftigen Tisch und schrieb quasi auf ihren Oberschenkeln. Ich griff ihr an die Schulter und massierte ein wenig. "Du bist ganz schön verspannt." stellte ich fest und sie bejahte sofort. "Willst du nicht lieber zu Hause am Schreibtisch die Briefe beantworten?" bot ich ihr an. "Nein, ich finde es schöner, morgens aus dem Haus zu gehen und abends wieder zurück zu kommen. Das vermittelt mir das Gefühl von Arbeitstag und das tut mir gut." Ich dachte darüber nach, was sie gesagt hatte und wie ein Blitz durchfuhr es mich. "Sag mal Schatz, kannst du dir vorstellen, das beruflich zu machen?" Sie blickte mich irritiert an. "Wie beruflich? Was meinst du damit?" fragte sie mich. "Naja, wenn dir das doch Spaß macht und die Fans akzeptieren, dass du statt mir antwortest. Ich meine, für mich ist es eine riesige Entlastung und du bekommst viel Zuspruch. Du siehst, wieviel Zeit das in Anspruch nimmt. Warum nicht auch dein Geld damit verdienen?" Franzi runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. "Ich mach das gerne, ich glaube, ich verstehe nicht. Wie soll ich damit Geld verdienen? Fanbriefe von anderen beantworten?" Ich musste wirklich lachen, sie konnte meinem Gedanken offenbar nicht folgen. "Süße, ich meine damit, dass ich dich dafür bezahle das du meine Fanpost bearbeitest." Jetzt erntete ich das blanke Entsetzen. "Was? Du willst mich bezahlen? Nee, also, ich weiß nicht. Dann wärst du ja meine Chefin." "Auftraggeberin." korrigierte ich sie. "Es würde sich nichts ändern, außer dass du einen ordentlichen Arbeitsplatz bekommst und Geld verdienst für deine Arbeit und deine Mühe, die du dir gibst." sie schien noch nicht überzeugt. "Meine eigene Freundin bezahlt mich. Das finde ich komisch. Da muss ich drüber nach denken." Ich kicherte und war zugleich überrascht, wie befremdlich ihr dieser Gedanke zu sein schien. "Okay, überleg es dir. Du hättest dann etwas einkommen, bis du einen Job gefunden hast. Schließlich leistest du auch etwas dafür. Und das machst du einfach toll. Meine Fans wären enttäuscht, wenn sie einen Brief von mir bekämen. Ich kann mich gar nicht so schön ausdrücken wie du." sagte ich und zwinkerte ihr zu. "Ich denk drüber nach." sagte sie und das komisch-Gefühl zog sich durch ihr ganzes Gesicht.

Als wir an diesem Abend am Haus ankamen, durchfuhr mich ein seltsames Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht und das hatte nichts mit unserer Unterhaltung zu tun. Ich verdrängte dieses Unwohlsein in mir und freute mich auf einen entspannten Abend mit meiner Frau. Wir fuhren durch das Tor und ich erblickte blitzschnell einen weißen Umschlag auf dem Weg liegen. Ich bremste und auch Franzi hatte den Umschlag bemerkt. Wir sahen uns kurz an und mein Unwohlsein kehrte laut und deutlich in mich zurück. Franzi blickte genauso drein, wie ich mich fühlte. Ich machte den Motor aus und stieg aus dem Wagen. Franzi hielt es auch nicht mehr in ihrem Sitz. Ich blickte mich kontrollierend um und wartete darauf, dass sich das Tor laut schnurrend schloss. Dann witmete ich mich wieder dem Umschlag. Wir standen beide regungslos davor. Als hätten wir zum ersten Mal einen Briefumschlag gesehen. Unser beide Wissen darum, was ich zuvor geschickt bekommen hatte, ließ unsere Herzen laut und schnell pochen. Ich hob ihn auf und öffnete ihn. Wieder blickte ich auf ein weißes Blatt Papier, das mit bunten Buchstaben beklebt war. "Ich beobachte dich." war darauf geschrieben. Ich ließ ihn erschreckt fallen. Ich spürte, wie mir das Blut in die Beine sackte und kein Rest mehr in meinem Kopf zurück geblieben war. Franzi bückte sich und lass ihn ebenfalls. Sie blickte sich erschreckt um und zog mich sofort wieder Richtung Auto. Wir sprachen kein Wort. Sie drückte mich auf den Beifahrersitz und knallte die Tür zu. Ich war wie gelähmt, nicht fähig einen klaren Gedanken zu fassen. Sie sprang auf die Fahrerseite und steuerte das Haus an. "Shelly, das ist kein Scherz mehr. Wir müssen die Polizei einschalten." Auch wenn ich tief in mir spürte, dass sie Recht hatte, wollte die Angst nicht fühlen, die sich in mir breit machte. "Was soll das." entfuhr es meiner Kehle. Ich stellte keine Frage, ich konnte nicht glauben, dass mir jemand Angst machen wollte. "Was auch immer das soll, ich werde das nicht hin nehmen." Franzi war äußerst bestimmt und ich war unglaublich froh, sie in diesem Moment an meiner Seite zu haben.

Meet and love (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt