59. Salvation

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Der nächste Tag brach herein und ich hatte beinahe keine Minute geschlafen. Immer wieder sah ich die Bilder in mir auftauchen, wie Kelly ihre Waffe auf Franzi gerichtet hielt. Jedes Mal schoss es mir das Adrenalin durch die Adern und ich riss sofort wieder die Augen auf. Ich hatte eine wahnsinnige Angst um sie und musste in Zukunft auf meine Freundin aufpassen, sie beschützen. Dessen war ich mir sicher. Franzi schlief tief und fest. Das hatten die Ärzte im Krankenhaus bereits gesagt. Sie hatten Franzi etwas zur Beruhigung gegeben. Ich hatte darauf bestanden, aber für mich selbst darauf verzichtet. Ich wollte nicht zu lassen, dass meine Augen versagen würden und ich meine Franzi nicht schützen konnte. Sie schlief tief und friedlich. Nichts wies auf das hin, was sie und ich erlebt hatten. Ich erinnerte mich daran, dass sie in der Nacht zuvor schon mit einem Albtraum aufgeschreckt war. Etwas in ihr hatte vermutlich schon angekündigt, dass schreckliches auf sie zukommen würde.

Irgendwann musste mich die Müdigkeit überrumpelt haben und ich wurde ruckartig durch einen Schrei aus meinem Schlaf gerissen. Franzi saß aufrecht und keuchte. Ihr Atem raste und ihre Halsschlagadern pochten wild. "Schatz, ich bin hier." sagte ich und nahm sie in meine Arme. Sie weinte, so heftig, schluchzte, ihr Körper bebte. Auch ich konnte meine Tränen nicht zurück halten. Wir hielten uns fest aneinander. Was gestern noch mit Coolness scheinbar weg zu stecken war, brach nun mit voller Wucht aus ihr heraus. Ich spürte, wie ich auch zitterte, vor Schrecken und Erschöpfung.

Ich weiß nicht wie lange wir so da saßen, wieviele Tränen unsere Körper verließen, wieviele Kilos damit unsere Herzen erleichterten. Es hatte gut getan. Ich fühlte mich leichter. Franzis Augen waren von einem erschrockenen Matt wieder rein gewaschen und glänzten wieder. Erst jetzt brachte Worte zustande. "Es war entsetzlich." sagte sie und sah mich an. "Ich hätte es nicht ertragen, wäre dir etwas passiert. Ich muss dich spüren..." Kein Platz für eine Antwort. Sie presste ihre Lippen auf die meinen und riss mir mein Shirt vom Leib. Ich wusste nicht, wie mir geschah und woher sie die Kraft genommen hatte, den Stoff zu zerreißen. Ich ließ es zu. Sie war wie angestochen, wenig leidenschaftlich. Sie verfolgte ein klares Ziel, meine Haut. Ich war nackt und erst jetzt beruhigte sich ihr Gemüt. Sie sah mir in die Augen und ließ sanft ihre Finger über meine Lippen gleiten. Leben erwachte in meinem erstarrten Körper und alles kribbelte, wurde warm. Ich streifte ihr sanft ihr Shirt ab und streichelte ihren Körper. Wir küssten uns und Franzi überließ ihren Lippen das Ruder und immer wieder strich sie mit ihrer Wange über meine Haut. Sie brauchte den Beweis der Realität. Das verstand ich schnell und glitt mit hinein in die Erforschung dessen, was tatsächlich existierte. "Ja, du bist da. Ich liebe dich, Shelly." hauchte sie und wir setzten dem Irrsinn unsere Liebe entgegen. "Ich liebe dich auch, Franzi." antwortete ich ihr, obgleich meine Worte sich in der Vereinigung unserer Lippen verloren.

Stunden später schlug ich die Augen auf und das Bett neben mir war leer. "Verdammt." knotterte ich und peitschte mich innerlich aus, wie es mir nur passieren konnte, dass ich eingeschlafen war. Hastig schmiss ich mir meinen Bademantel um und rannte nach unten. "Schatz, Schatz." rief ich und vernahm im selben Moment den wunderbarest Duft nach frischem Kaffee. "Shelly, es ist alles okay, es geht mir gut." beruhigte mich Franzi, die mit ihrem riesen Becher auf dem Sofa saß. "Komm her." forderte sie mich auf. "Ich bin eingeschlafen, es tut mir leid." brabbelte ich vor mich hin und begriff zugleich den Hohn zu glauben, nicht schlafen zu müssen. "Ein Glück, du warst völlig übermüdet. Setzt dich, ich hol dir einen Kaffee." sagte sie und küsste mich auf die Stirn. Erst jetzt bemerkte ich den Fernseher, der lief und von dem versuchten Attentat auf der gestrigen Pressekonferenz berichtete. Sie zeigten ein Handyvideo, dass irgendjemand gemacht haben musste. Einige Momente erzählten erneut, was uns widerfahren war, einige wurden nur andeutungsweise gezeigt. "Sie berichten in allen News davon." erklärte Franzi."Es ist so abstrakt, wenn ich mir das ansehen, habe ich gar nicht das Gefühl, dass ich das bin oder du." Ich musste ihr bepflichten, es war wie ein makaberer Fernsehfilm, in dem wir die Hauptrolle spielten, der aber zugleich nichts mit uns zu tun hatte. Franzi stellte mir den Kaffee hin und kuschelte sich an mich. "Sandrine hat schon angerufen. In Deutschland ist das auch schon angekommen und sie hat geweint, wie ich sie noch nie habe weinen hören. Sie will mich unbedingt sehen und hierher kommen." erklärte Franzi. "Lad sie ein, sie ist hier jederzeit willkommen, hörst du?" schwor ich auf sie ein. Sie nickte und freut sich sichtlich über dieses Angebot."Ich sehe immer wieder diesen Lauf der Pistole vor mir, Kellys Blick. Ich konnte nichts tun. Ich hätte dich nicht schützen können." sagte sie und ich spürte, dass sie das selbe beschäftigte wie mich. Den Schutz der anderen. "Ich wollte zu dir rennen, aber ich war wie erstarrt. Vielleicht hätte ich sie dazu bringen können, dass sie die Waffe fallen lässt." sagte ich, denn das war das Szenario, wie es mir immer und immer wieder durch den Kopf gegangen war. Ich überlegte vor und zurück, wann und wo ich hätte anders reagieren können. Vielleicht, wenn ich ein Mal gefragte hätte, von wem die schönen Blumen in meinem Raum kommen, dann wäre sie mir früher aufgefallen. Vielleicht, wäre ich aufmerksamer gewesen, hätte ich bemerkt, dass sie was von mir will und hätte das alles verhindern können. "Shelly hör auf." sagte Franzi, als hätte sie meine Gedanken verfolgt."Du hättest nichts anders machen können. Es lag nicht in deiner Hand." sagte sie, küsste und streichelte mich.

Meet and love (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt