SARINA

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Es ist bereits eine Woche vergangen. So wie es Stephan entschieden hat, fahre ich heute los.

Die Koffer sind gepackt. Wir stehen an der Bushaltestelle und eigentlich hätte ich mir ein paar liebevolle Abschiedsworte gewünscht, doch stattdessen muss ich mit seiner stumpfen Aussage ...

"Es liegt an der Grenze. Die Fahrt dauert einen halben Tag."

... leben. Kein wunder das ich selbst schon so ein Eiszapfen geworden bin. Seine kalte, leblose Seele färbte auch eindeutig die meine. Zu meinem Glück ist das so, denn ansonsten wäre ich nun am Boden zerstört. Wie dem auch sei. Gedankenlos steige ich jetzt in den Fahrzeug. Löse mein Ticket ein und begebe mich zu meinem Platz. Mach es mir gemütlich und rutsche tiefer in den Sitz. Währenddessen starre ich aus dem Fenster. Großvater bewegt sich wirklich sehr langsam hinfort. Alt und gebrechlich. Vielleicht hat er sogar recht. Vielleicht ist dass, das einzig Richtige.

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Die Fahr war sehr anstrengend. Zu viele Kurven, zuviel Lärm. Nachdem ich sogar an meinem Zielort angekommen bin, empfing mich eine junge Schülerin. Sie führte mich durch die Schule, durch den Internat, bis hin in mein Einzelzimmer. Gleichzeitig drückte sie mir eine weitere Informationsmappe in die Hand und düste an mir vorbei. Sie hatte es besonders eilig. Wenigstens kann ich es mir nun gemütlich machen. So nehme ich eine warme, angenehme dusche und packe aus. Gegen Abend, kurz vor Sonnenuntergang begebe ich mich erneut in den Flur. Diesmal erkunde ich wiederholt die Umgebung, um mir irgendetwas davon einzuprägen. Wobei ich es im Nachhinein bereuen werde, denn einer meiner größten Schwächen ist der Orientierungssinn. Somit verliere ich mich selbst in all den Gängen. Der Ort ist um einiges größer, als es auf den ersten Blick erscheint. Er wirkt für mich wie ein großer, unendlich langer Labyrinth. Es ist vollkommen bedeutungslos wie oft ich auch einen Weg gehe, jedesmal verlaufe ich mich auf neue und bin mittlerweile am verzweifeln.

"Verlaufen?" höre ich plötzlich.

Ruckartig wende ich mich und blicke um die Ecke. Am Ende des Flurs, steht ein junger Mann angelehnt an der Wand. Er starrt mich total gereizt an. Wahrlich er hat wunderschöne helle Augen. Sehr attraktiv und trotzdem solch eine eklige arrogante Ausstrahlung. Für mich keinerlei Sympathie.

"Du läuft bereits zum dritten mal an mir vorbei und bemerkst mich nicht mal!" kommentiert er sinnlos und verschränkt die Arme. Mit einem Bein fest am Boden, der andere leicht geknickt, die Schuhsohle an der Wand, die Hände in der Hosentasche, den Kinn nach oben, die Blicke auf mich herab.

Ich ignoriere seine Worte, wie auch sein Verhalten und frage stattdessen:

"In welchem Stockwerk befinden wir uns?"

Er erhebt prompt die Augenbraue, stellt sich gleichzeitig aufrecht hin, bewegt sich auf mich zu und sagt: "Du wirst doch wohl noch wissen wie viele Stufen du hochgegangen bist!"

Wie bereits erahnt, zu nichts zu gebrauchen.

"Hm.." ist das einzige was ich noch von mir gebe, ehe ich an ihm vorbei gehe.

Er faucht mir beleidigt hinter her: "Reizend! Eine Frau zum verlieben!"

Seufzend setzte ich meine Schritte fort und wage einen erneuten Anlauf. Immer und immer wieder. Es scheint kein Ende haben, denn erneut stehe ich vor diesem unbekannten Kerl.

"Na sieh mal einer an! Das nennt man wohl einen perfekten Orientierungssinn." spricht er spöttisch und verdreht die Augen. Unhöflicher Bengel.

"Okay. Ich bin müde und kann nicht mehr. Könntest du mir bitte helfen?" erbitte ich und springe über meinen eigenen Schatten. Das ist für meine Persönlichkeit äußert ungewöhnlich.

"Hm.." zahlt er mir heim und äfft mir nach. Wie kindisch.

"Schön, ich helfe dir. Deine Zimmertür?" kommt er mir endlich nach paar Sekunden entgegen.

"Vierzehn." antworte ich ihm kurz un bündig.

Verdammt! Ich bin schockiert! Ich laufe stundenlang umher, wobei meine Türe nicht mal fünf Schritte entfernt liegt. Zudem ist das auch total verrückt. Ich bin hier hunderte mal durchgelaufen und habe es dennoch nicht bemerkt.

"Ich frage mich was nun geeigneter wäre. Auslachen oder doch bemitleiden." gibt er dreist von sich und verdreht erneut die Augen. Mit diesem miesen Verhalten geht er von ab.

Kurz lasse ich den Kopf hängen. Atme tief ein und betrete mein Zimmer.

Für heute habe ich definitiv genug.




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