JEREMY

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Was für ein langweiliger Tag. Ich kann mit keiner Person ein sinnvolles, gutes Gespräch aufbauen. Niemand reicht mir ansatzweise das Wasser.

„Ich hasse dich Jeremy." höre ich plötzlich.

Im Wohnzimmer, auf der Sitzgarnitur, schon halb am liegen, blicke ich konzentrierter in den Raum. Malwin steht in der Ecke. Mit dem Gesicht zur Wand, mit dem Rücken zu mir. Gut das hier kaum noch wer anwesend ist. Die wenigen Leute beobachten uns merkwürdig.

„Wann lernst du das endlich? Wenn du mit einem Menschen sprichst, dann verhalte dich gefälligst etwas normaler!" kritisiere ich ihn.

„Du bist Arrogant, Selbstverliebt und genauso abnormal wie wir alle. Lieber sehe ich mir die Ecke an, als dein Gesicht." antwortet er mir barsch.

Wie wahr. An mir muss ich noch einiges glatt schleifen. Ich bin nicht aus reinem Vergnügungen hier. Zwischen all dem langweiligen und gewöhnlichem Volk finde ich mich nicht wirklich zurecht.

„Im Gegensatz zu dir, kann ich mir mein Verhalten erlauben." antworte ich ihm dreist.

„Schämst du dich denn nicht?" stellt er mir eine dumme frage und zappelt von einem Bein zum nächsten.

Wer weiß wie lange er bereits in der Ecke steht und nur darauf wartet erneut einen Blödsinn anzustellen.

„Dasselbe könnte ich dich fragen." sage ich und setzte mich aufrecht hin.

„Ich-bezogen, angeberisch, verwöhnt, hinterlistig ...."

Er zählt eine menge negative Charaktereigenschaften auf und bezieht sie alle auf mich. Wie dumm.

„Genie, gut aussehend, in jeder Hinsicht überqualifiziert. Nichts ist für mich unmöglich. Dein Neid versüßt mir nur den Tag." korrigiere ich seine Worte und gehe jetzt an ihm vorbei.

Ich kann ihn mir einfach nicht ernst nehmen und habe das auch in weiterer Zukunft nicht vor. Auf solch Dummheiten lasse ich mich nicht ein und suche mir einen etwas ruhigeren Ort. Gleich zwei Stockwerke hinunter. Hier geht es immer am schönsten zu. Noch am überlegen wo ich mich am besten hinsetzte, bemerke ich auf plötzlich ein fremdes Gesicht. Eine junge Frau.

Sie bewegt sich von einem Flur zum nächsten. Bleibt öfters stehen. Mehrmals verharrt sie vor sich hin. Als würde man die Zeit still legen. Sogar vier ganze male spaziert sie direkt an mir vorbei. Ich bin bin für sie praktisch unsichtbar und zudem bin ich entsetzt und sprachlos. Sie sieht, noch bemerkt sie mich! So als gäbe es mich nicht! Wie kann man überhaupt jemanden wie mich übersehen? Ich empfinde ihr dreistes Verhalten als äußerst beleidigend.

„Verlaufen?" frage ich laut, nachdem sie nun um die Ecke biegt.

Sekunden später lässt sie sich tatsächlich blicken. Sie sieht in den Flur und biegt ein. Zum ersten mal treffen sich unsere Blicke, aber es ist reine Zeitverschwendung. Ich bekomme weiterhin keine Antwort und werde umso wütender. Ihre Art ist für mich unakzeptabel.

„Du läufst bereits zum vierten mal an mir vorbei!" mache ich ihr bewusst und verschränke die Arme.

Ein Bein am Boden, den zweiten erhebe ich und drücke ihn an die Wand.

„In welchem Stockwerk befinde wir uns?" fragt sie mich stumpf und weicht dem eigentlichem Thema aus. Ich erhoffte eher eine Entschuldigung.

„Du wirst doch wohl noch wissen wie viele Stufen du hochgegangen bist!" antworte ich ihr genervt und stelle mich gleichzeitig aufrecht hin. Nun gehe ich auf sie zu.

Dabei lege ich die Hände in die Hosentasche. Jetzt wo ich sie mir deutlich ansehe, wirkt ihr Gesicht so emotionslos, so leblos. Ihre Augen so leer. Für gewöhnlich besitze ich gute Menschenkenntniss. Einen ausgeprägten Instinkt was verborgene Gefühle betrifft, doch bei ihr fällt es mir jedoch nicht leicht irgendwelche Emotionen zu erkennen.

„Hm.."

Sie gibt nur diesen leisen Seufzer von sich, denn ich sogar fast überhörte. Noch bevor ich darauf reagieren kann, geht sie urplötzlich eiskalt an mir vorbei. Sie ignoriert mich weiterhin! Was für ein Biest! Sie sollte sich glücklich schätzen, das jemand wie ich sie überhaupt anspricht.

„Reizend! Eine Frau zum verlieben!" schreie ich ihr laut hinterher.

Hoffentlich erkennt sie darin den puren Sarkasmus. Ich sollte mich jedenfalls beruhigen. Mir das nicht allzu sehr zu Herzen nehmen. Keineswegs darf ich mich von solch einer komischen Frau ärgern lassen und bleibe noch eine Weile hier unten. Nochmals lehne ich mich an die Wand und beginne über meinen Alltag zu grübeln. Kaum entschlossen wieder in den zweiten Stockwerk zu gehen, steht sie wie aus dem nichts erneut vor mir. Das ein und dasselbe freche Mädchen. Verwirrt starrt sie mich an.

„Na sieh mal einer an! Das nennt man wohl einen perfekten Orientierungssinn." sage ich spöttisch und verdrehe die Augen.

„Okay. Ich bin müde und kann nicht mehr. Könntest du mir bitte helfen?" bittet sie mich urplötzlich.

"Hm.." äffe ich ihr nach. Sie wartet geduldig ab und erst nach einigen Sekunden gebe ich nach und frage sie nach der Nummer.

Zögernd antwortet sie mir: „Vierzehn."

Vierzehn? Das kann doch nicht ihr ernst sein. Die Türe steht im selben Flur. Kaum wenige Schritte entfernt. Wie konnte sie überhaupt das große, giftgrüne Nummernschild übersehen? Wirklich eine sehr seltsame Frau. Obwohl ich intensiv darüber nachdenke, führe ich sie nebenbei hin. An der Tür schaut sie mich entsetzt an. Sie erkennt die eindeutige Peinlichkeit.

"Ich frage mich was nun geeigneter wäre. Auslachen oder doch bemitleiden." gebe ich genervt von mir und gehe an ihr stumpf vorbei.


Heartbeat (B1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt