MALWIN

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Mein Handy vibriert auf. Die Nachricht geöffnet:

▪Kannst du mir heute Nachmittag behilflich sein? In Liebe Sarina▪

Noch am speichern ihrer Nummer höre ich plötzlich meinen Namen aufrufen. Ich verstecke unauffällig mein Handy und schaue zur Lehrerin.

„Vergessen sie nicht! Ab heute müssen sie nachsitzen." erinnert sie mich.

Nachdem ich gesehen habe was Jim ihr angetan hat, bin ich in seine Klasse gestürmt. Nur zu dumm das ich nicht bis zur Pause abwarten konnte, denn ausgerechnet vor allen Augen, sogar vor Sarinas und ihrem Lehrer bin ich vollkommen ausgerastet. Danach musste ich direkt zum Schulleiter.

▪Wie oft willst du mir noch gegenüber sitzen?▪

▪Deine Strafe ist dir ja bereits bekannt! Nochmals eine Woche nachsitzen! Verstanden?▪

Die einzigen Worte des Direktors. Wie konnte ich sie nur so leicht vergessen?

„Können wir das auch auf morgen verschieben?" frage ich sie vorsichtig.

„Nein!" schreit sie auf und erschreckt sogar die Schüler in den ersten Reihen.

„Ist ja schon gut. Beruhigen Sie sich doch ein wenig." sage ich ganz Erwachsen und überheblich.

Ehe sie was dazu sagen kann, läutet die Schulglocke laut auf. Lächelnd bewege ich mich an ihr vorbei. Wieder das Handy in der Hand, tippe ich Sarina noch schnell eine Nachricht:

▪Ich muss leider Nachsitzen. Ich helfe dir sobald ich kann. :)▪

Nun noch auf absenden und schon fühle ich mich besser. So unmotiviert und genervt wie ich gerade bin, kann das nicht schaden. Langsam aber sicher schlendere ich mich vorwärts, direkt die Stufen ab, bis hin in die Klasse. Jedoch halte ich, an der Türschwelle inne.

„Was machst du denn hier?" frage verwirrt in den Raum.

Sarina sitzt auf einem der Tische und springt sofort auf. Läuft auf mich zu und bleibt prompt vor mir stehen. Mit gespreizten Beinen, holt sie ihr Handy hervor und presst mir das plötzlich brutal ins Gesicht. Meine Nase schlägt gegen den kalten Display.

Schreckhaft, verwirrter als je zuvor weiche ich ihr zurück.

„Mein neues Handy." spricht sie viel zu aufregt und viel zu laut.

Ich dachte ich wäre hier der Verrückte, doch neben ihr komme ich mir noch teilweise normal vor.

„Sieht gut aus, aber nochmals zu meiner Frage. Warum bist du hier? Das ist doch die Klasse zum Nachsitzen." wiederhole ich mich.

Sie lässt ihren Arm nieder, schaut auf ihr Handy und antwortet mir:

„Ich wurde mit zwei Wochen bestraft."

Verstehe. Sie hatte ja mit Jim schließlich eine Auseinandersetzung und muss nun ihre Strafe absitzen. Schade das mir das nicht eher eingefallen ist. Hätte ich das nur im geringsten geahnt, hätte ich früher einen Blödsinn angestellt, um mühelos in ihrer Nähe zu kommen.

„Wie lange musst du noch?" frage ich sie neugierig.

Wir begeben uns gemeinsam zu den Tischen. Ich setzte mich zu ihr.

„Ich glaube noch neun Tage, aber gestern bin ich nicht erschienen und muss wahrscheinlich diesen versäumten Tag nachholen." sagt sie und legt das Handy endlich zur Seite.

„Mach dir keine Sorgen. Das Nachsitzen wird sowieso bald beendet. In kürze wird es eine Veranstaltungswoche geben und anschließend diverse Ausflüge." erkläre ich ihr.

Bezüglich Nachsitzen bin ich hier ein Profi. Ich weiß das spezielle diese Schule das nicht so streng einhält. Die Tage werden öfters unterbrochen und anschließend sehen sie darüber hinweg. Ein Vorteil für uns ah so ''schlimmen'' Schüler.

„Kannst du mir heute Nachmittag behilflich sein?"

Sarina wechselt das Thema und wiederholt sich.

„Ja klar. Worum geht es?" frage ich und lehne mich zurück.

„Ich würde gerne eine bestimmte Person besuchen. Würdest du mich hinführen?" fragt sie mich und schaut währenddessen aus dem Fenster.

Gegen irgendeinen Blickkontakt hätte absolut nichts einzuwenden.

„Natürlich." stimme ich zu und stupse sie sanft an die Schulter.

Sie schaut mich an.

„Bist du vergeben?" frage ich jetzt schüchtern und hoffe auf eine klare Antwort.

„Wieso fragst du?" stellt sie eine Gegenfrage.

Wieso kann sie nicht einfach nur antworten.

„Hast du einen festen Freund?" versuche ich es erneut.

Wir schauen uns nur noch mehr in die Augen. Über Minuten ein seltsames schweigen.

Ich will doch nur eine Antwort, was ist daran so schwer?

„Alles in Ordnung?" frage ich vorsichtig und unterbreche diese seltsame Atmosphäre.

„Ich habe keinen Freund." gibt sie mir endlich die Antwort.

Auch wenn es bisschen stumpf rüber kam jubel ich innerlich vor lauter Freude, doch äußerlich lasse ich mir absolut nichts anmerken. Das wäre ganz schön peinlich.

„Wenn das so ist, hättest du vielleicht Interesse?" rutscht es aus mir und sofort bin ich schockiert.

Es fühlt sich an, als hätte ich mir eben selbst einen Schlag verpasst. Wieso! Wieso konnte ich die Frage nicht anders formulieren?

„Worauf?" fragt sie mich plötzlich.

Ich starre sie an.

„Eigentlich wollte ich die frage anders Stellen, aber irgendwie ist mir das so herausgeplatzt." sage ich jetzt verlegen und kratze mich beschämt an den Kopf.

„Du bist sehr kompliziert." sagt sie daraufhin und ich erkenne keine Emotion.

Ich seufze auf und starte nochmals einen Versuch:

„Ich meinte damit, ob du mit mir zusammen sein willst?"

Jetzt fixiere ich mich auf ihre Lippen und warte hoffnungsvoll auf eine positive Antwort, doch wir werden plötzlich unterbrochen. Die Lehrerin stampft frustriert in die Klasse und schreit lauthals:

„Ich habe noch etwas zu erledigen! Macht hier bloß keinen ärger!"

Sie steckt mich mit ihrer miesen Laune an. Warum konnte sie nicht warten? Ihretwegen bekomme ich keine Antwort, denn Sarina schnappt wieder nach ihrem Handy und beginnt tatsächlich zu Spielen. Herzlos ignoriert sie mich und meine bedeutende Frage. Jedoch bezweifle ich, das es ihre pure Absicht ist. Sarina hat mich irgendwie nicht verstanden. Mir bleibt also keine Wahl, als darüber hinwegzusehen und mich selbst zu beschäftigen. Mich selbst in Gedanken zu trösten.

Nochmals könnte ich die Frage nicht stellen. Zumindest nicht heute. Dazu fehlt mir genug Mumm. Ich brauche eindeutig mehr Mut und Geduld. Eines Tages finde ich schon noch den perfekten Zeitpunkt.


Heartbeat (B1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt