Fünf: Chaos

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Ich schlucke. "Ich bin hier um euch zu töten." Ich habe es geahnt. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie jemanden schicken der mich töten soll. Bisher habe ich einfach gehofft, dass sie sich noch Zeit lassen.
"Wer bist du?", frage ich erneut, ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe.

Er lachte wieder. "Will, habe ich doch gesagt.", er zwinkert mir zu und hebt seine rechte Augenbraue.
"Nein, welchen Rang du hast.", gab ich leicht genervt zurück. Ich muss wissen, ob ich ihn töten kann.
"Ich bin William Wane. Ich bin der Sohn von William Wane." Er grinst, wieso grinst er bloß die ganze Zeit und beantwortet meine Fragen so gelassen? Denkt er, ich würde seinem Charme erliegen?
"Ich bin der Erstgeborene Sohn.", meint er ergänzend und ich kann nicht ganz einschätzen ob er mich damit nun beeindrucken will.
"Dein Vater ist der Anführer des Rats und schickt dann dich?", frage ich fast spöttisch. Hat er nicht tausende andere die er hätte schicken können?
"Er will das du stirbst. Er vertraut ausschließlich mir, ist doch klar.", meint Will nun ziemlich arrogant und von sich überzeugt. Er denkt echt, das er der größte ist. Wahrscheinlich denkt er auch, dass ich eine dumme Göre bin die um ihr Leben bettelt.

"Also Will, warum wollt ihr mich tot sehen. Warum jetzt? Ich brauche noch Zeit.", Zeit mit Lucas. Hätten sie nicht ein bisschen später kommen können?
"Um deinen Geburtstag zu feiern?", fragt er genervt und bringt mich mit dieser Frage zum stutzen.
"Was hat dieses Tötungsmannöver mit meinem 200. Geburtstag zu tun?"
Er wirft einen kurzen Blick auf meine Wanduhr, dann aus dem Fenster. Wieso wird er so hektisch, er trägt doch einen Tageslichtring.

"Tut mir leid, aber wir haben keine Zeit mehr deine Fragen zu klären, ich muss dich töten." Noch immer in meiner Angriffshaltung schweige ich, meine Fragen häufen sich. Mein Innehalten hält ihn jedoch nicht von einem Angriff ab, er läuft mit solch hoher Geschwindigkeit auf mich zu, dass ich quer durch den Raum geschleudert werde, mein Kopf knallt gegen die Wand und sofort setzte ein stechender Schmerz ein. Ein Bild an der Wand fällt neben mir herunter und das Glas zerspringt in tausend Teile. In den Scherben sehe ich das Blut an meinem Kopf.
Doch er lässt mir keine Zeit um mich von dieser Wucht zu erholen und kommt erneut auf mich zu, wieder knallen wir zusammen an die Wand. Ich überwältige ihn lange genug um in seinen Hals beißen zu können, er jault vor Schmerz auf und zieht mich über seine Schulter nach vorne und knallt mich auf den Fußboden. Eins der Tischbeine ging bei dem Manöver in die Brüche. Wir ringen weiter miteinander, wälzen uns auf dem Boden und nehmen meine Wohnunf auseinander. Und umso länger wir kämpfen umso weniger habe ich das Gefühl, dass er mich ernsthaft töten will, er bricht mir zwar mehrere Knochen, aber er hatte auch mehrmals die Chance mich zu töten, auch wenn ich das nicht gerne zu gebe.

Schließlich bleiben wir liegen, er ist über mir und drückt mich mit seinem Gewicht an den Boden. Einen kurzen Moment sehen wir uns in die Augen, dann geht es weiter. Er will mir das Genick brechen, ich bin mir jedoch nicht sicher ob ich das bei ihm wirklich will. Immerhin hat er mich bisher nicht getötet und würde bewusstlos in meiner Wohnung liegen. Er beißt mir in die Schulter was bei mir eine Welle von Schmerzen auslöst und meine Gedanken beendet, mein inneres scheint zu verbrennen. Der Biss des anderen Geschlecht löst oft Höllenqualen aus. Ich rolle mich unter ihm weg und springe auf. Wütend flesche meine Zähne und knurre ihn an, einfach weil er genauso vor mir steht.

"Was gibt dir das Recht mich so zu verurteilen?".
Doch die Sonne geht in diesem Moment entgültig auf und er versteift sich. Als ich ihn erneut fragen will, ist er verschwunden. Verwundert schaue ich mich immer noch wachsam um, doch er ist tatsächlich fort.
Ich begutachtete meine Wohnung, durch den Kampf ist sie total verwüstet. Überall ist unser Blut und fast alle Möbel sind demoliert.
Ich spüre überall stechende Schmerzen, nach und nach rücke ich meine Knochen wieder in ihre richtige Position und lasse es zusammen wachsen. Dabei kann ich ein paar Schreie nicht unterdrücken, hoffentlich kommen keine Nachbarn nach mir sehen. Wie soll ich das hier sonst erklären?
Meine Kleidung ist blutverschmiert, die Wunden allerdings wieder verschlossen, ich gehe in mein Schlafzimmer und greife wahllos nach einem Pullover.
Der Blick auf den Wecker zeigt mir das ich bereits eine Schulstunde verpasst habe. Mistkerl. Die ganze Nacht hat er mir genommen.
Schnell trinke ich noch ein wenig Blut um mich zu stärken und binde meine zerzausten Haare zu einem hohen Zopf. Bloß notdürftig wasche ich das sichtbare Blut ab und ziehe mich um.

In Vampirgeschwindigkeit renne ich dann zur Schule, so dass mich niemand sah. Ungern verpasse ich noch mehr Unterricht. Als ich anklopfe erklingt Mr. Harpers Stimme auf der anderen Seite der Tür: "Herein."
Vorsichtig trete ich ein. Ich suche Lucas mit meinen Augen um mich zu überziehen das es ihm gut geht. Doch dann muss ich mich erstmal bei Mr. Harper entschuldigen.
"Es tut mir sehr Leid, Mr. Harper. Ich bin noch immer nicht wohlauf, aber ich will nicht noch mehr Unterricht versäumen." Er erwidert nichts und winkt mich zu meinem Platz. Lucas, der neben mir sitzt, wirkt besorgt. "Ich habe mir Sorgen gemacht! Und lass die Witze mit der Paranoia! Gestern Abend ging es dir gut!", zischte er. Ich höre seine Sorge so deutlich wie noch nie, hoffentlich hat der Arme geschlafen.
"Wirklich, es ist alles gut, nur eine Grippe.", flüstere ich zurück. Doch Lucas wirkt nicht überzeugt, schließlich habe ich noch nie eine Grippe gehabt. Kurz überkommt mich eine Erinnerung an Lucas und ich blinzel verwirrt darüber.

"Ich ich bin Lucas, sorry das ist eine Überraschungsparty zu meinem 15. Geburstag. Die Hälfte der Leute kenne ich nicht einmal. Wer bist du?" Er hielt mir die Hand hin.
"Oh hi, ich kenne hier ehrlich gesagt auch niemanden. Ich bin neu in der Stadt. Ich bin Lucinda." Ich griff nach seiner Hand.
"Freut mich dich kennenzulernen."
"Mich auch."

Lucas wich mir den ganzen Tag nicht mehr von der Seite. Auch wenn ich ihm versichert habe, dass es mir gut geht. Auf dem Weg zum nächsten Fach krallt sich Lucas auf einmal in meine Jacke. Erschrocken versuche ich ihn Aufrecht zu halten. "Was ist denn los mit dir?", frage ich ehrlich besorgt, er sieht auch ganz blass aus.
"Ich habe da so ein übles Gefühl, Luce." Ich stütze ihn, bis wir die Klasse erreichen, viele komische Blicke folgen uns, aber das ist mir egal. Sein Wohlergehen steht über allem. Als wir dann endlich sitzen, will Lucas mir zwar von seinem Gefühl erzählen, doch er kam nicht dazu, denn unser Lehrer kam mit einem neuen Schüler in die Klasse. Ein gutaussehender, schwarzhaariger junger Mann.
Natürlich.
Will.

LUCINDA - Wenn die Sonne im Zenit stehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt