Kapitel 35

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"Oh Lucas." Meine Stimme ist so voller Freude und dennoch zittert sie. Es ist, als würde man auf einem Eis See erfrieren und das Feuer herbei flehen, obwohl man dann ertrinken würde. Meine Gedanken wirbeln so unkontrolliert durch einander. Er lebt. Er hat gelitten. Er ist noch Mensch. Wie verwirrt muss er gewesen sein. Er ist mein bester Freund. Er weiß über dich Bescheid.
Meine Augen gewöhnen sich endlich an die Dunkelheit und ich kann ihn sehen. Er starrt in meine Richtung.
"Hi Luce." Ich will auf ihn zu rennen, doch ich reiße mich zusammen, denn ich kann seine Stimme nicht deuten. Hasst er mich?
Kurz vor ihm bleibe ich stehen, genug Platz für ihn, damit er sich nicht bedrängt fühlt. Er drückt sich mit dem Rücken an der Wand hoch. Nun ist er wieder einen Kopf größer als ich. Ich mustere ihn genau. Seine Haare sind so stumpf und zerstrubbelt, seine Augen wirken erschöpft. Aber wie lange war er nun schon hier? Ein Jahr.
Ein ganzes Jahr über hatte ich gedacht er sei Tot. Und nun steht er vor mir, mein Lucas. Mein bester Freund.
Will und Raff unterhalten sich leise, Sarah und Dave ebenfalls. Sie wollen uns so etwas wie Privatsphäre geben.
"Oh Lucas, alles was passiert ist tut mir so unendlich Leid. Ich weiß das ich das nie wieder gut machen kann, ich kann dir die Schmerzen nicht nehmen. Aber wenn du es wünscht, kann dich Mr. William Wane alles vergessen lassen und ich werde aus deinem Leben verschwinden." Ich lasse meinen Kopf hängen und starre auf den Fußboden, weil ich Angst habe. Angst davor, meinen besten Freund noch einmal zu verlieren.
"Machst du Witze?" Fragt er empört.
"Das letzte Jahr wollte ich dich nur wiedersehen, Luce! Du bist meine beste Freundin und keine übernatürliche Kraft wird das ändern können. Und jetzt..." fragend hebe ich den Kopf. "...umarm mich endlich!"
Damit ist meine letzte Selbstbeherrschung fort, mit Tränen in den Augen stürze ich mich in seine starken Arme und lasse meinen Gefühlen freien Lauf. "Ich habe dich so vermisst Lucas."
"Ich dich auch Luce. Ich dich auch."
Meine Versuche meine Freunde, meine Familie, von den Ketten zu befreien sind gescheitert. Sie alle waren mit Eisenkraut bestrichen. Darum litten sie alle, wegen mir. Ich raufe mir die Haare. "Luce. Das soll deine Entscheidung erleichtern."
"Welche Entscheidung?" Fragen alle anderen dann wie aus einem Mund und Will und ich erzählen ihnen alles.

"Du musst zustimmen Luce." Lucas schaut mir tief in die Augen.
"Er hat Recht Luc. Aber am Ende ist es deine Entscheidung, du führst dieses Rudel."
"Dave und ich sind uns nicht sicher, meinst du kannst ihm trauen?" Raff wirkte mehr besorgt als Will. Seine Augen starren mich an und ich muss trotz dieser Verzweifelten Situation lächeln. Sie alle Sorgen sich um mich, sie wollen mir helfen. Sie sind meine Familie, dass weiß ich jetzt. Meine Eltern standen nie so hinter mir, egal wie sehr ich sie liebe, sie konnten mir nie eine richtige Familie mit Zusammenhalt bieten. Was habe ich nur die ganzen Jahre verpasst?
"Luce?" Will steht direkt vor mir, er greift nach meiner Hand. Mein Blick wandert in seine Augen, so arktisch kalt und doch so Sommer warm.
"Ich liebe dich, Will."
"Und ich liebe dich, Luce." Wir küssen uns und ich höre wie Lucas die Luft einzieht. Er beugt sich zu Dave und flüstert leise:"Mir zu erzählen das sie jetzt wirklich zusammen sind, hielt keiner für wichtig, oder?"
"Aber wir haben dir erklärt das flüstern unnötig ist. Sie hören dich trotzdem." Antwortet dieser nur genervt, doch Lucas lässt sich nicht beirren. "Ich habe Manieren."
"Luce, ich kenne meinen Vater. Ich habe seine Absichten durchschaut. Er will seinen Fehler rückgängig machen, auch wenn er dadurch seine Rache verliert."
"Was war denn sein Fehler, Will?"
"Er hat mich zu dir geschickt, Luce. Hätte er mich nicht geschickt, hätten wir uns nie verliebt."
"Wird er uns in Frieden lassen?"
"Ja, dafür werde ich sorgen." Aufmunternd lächelt er mir zu. Doch ich kann in sein innerstes Sehen, ich kann sehen wie alles in ihm zerbricht.
"Du musst nicht nicht der starke sein. Nicht mehr. Du zerbrichst innerlich, ich kann es sehen." Sarah flüstert etwas, doch ich habe nur Augen für Will. Sein Gesicht ist wie versteinert, doch ich kann seine Gefühle spüren, ich merke wie er sie verstecken will, doch ich drücke seine Hand. Mir läuft eine Träne die Wange hinunter und er nimmt seine freie Hand um sie fort zu wischen.
"Wenn alles bricht, Scherben spiegeln das Licht. Alles wird besser werden."
"Leute?" Sarah versucht unsere Aufmerksamkeit zu erregen.
"Es gibt da was das ihr wissen solltet."
Wir setzten uns gemeinsam auf den kalten Boden das Verließes und Will schließt mich in seine Arme.
"Ihr seid Conectecto en el Amor, was so viel heißt wie in Liebe verbunden. Das kommt unter Vampiren äußerst selten vor. Sie können die Gefühle des anderen fühlen und mit ihrer Liebe können sie alles besiegen. Auch die Hypnose-Geschichte deines Vaters, Will."
"Woher weißt du das Sarah?"
"Meine Ururureltern waren dabei, als so eine Verbindung zum ersten mal entdeckt wurde. Sie waren Teil des Rates als sie sehr jung waren."
"Deswegen ist die Bezeichnung auf Spanisch. Der Rat." Schlussfolgere ich.
"Wer? Wer war das Paar?" Fragten Will und ich zeitgleich.
"Deine Eltern." Ich schaue überrascht auf, doch dann wird mir klar, das nicht meine Eltern gemeint sind.
"Will. Was ist mit deiner Mutter geschehen?"
"Sie starb als ich sehr jung war. Sie hat mich sehr geliebt. Sie hat meinen Vater geliebt." Er atmet tief ein und aus, ich drücke stärkend seine Hand, dann beginnt er zu erzählen.
"Wir waren eine richtige Familie. Menschlich, normal halt. Ich war gut in der Schule, alle Mädchen schwärmten für mich. Meine Mutter unterrichtete dort. Mein Vater war ein reicher angesehener Bürgermeister. Und ich war wirklich glücklich, auch wenn das lange lange zurück liegt. Dann wurde meine Mutter krank, schwer krank und mein Vater suchte nach einer Lösung sie zu heilen, Jahrelang lag sie nur noch im Bett, immer wenn ich bei ihr lernte oder las um Zeit mit ihr zu verbringen, lächelte sie. Doch ich wusste schon damals das das nicht echt war, sie war krank und hat gelitten. Und dann fand mein Vater ein Heilmittel. Vampirismus.
Schnell. Stark. Nie wieder krank. Hört sich gut an. Bis auf das mit dem Blut.
"Du hast es geschafft, William." Hat meine Mutter damals gesagt, doch sie hatte nicht ausgesprochen.
"Doch ich werde das nicht zulassen, es tut mir leid." Vater wurde wütend und wollte sie überreden. Er war schon Vampir gewesen und als meine Mutter sich weigerte so zu werden wie er, biss er mich, um mich zu verwandeln. Als ich die Augen aufschlug war ich Vampir.
"Wir können ewig leben, vereint." Hört sich das nicht vielverspechend an? Für meine Mutter nicht.
"Ihr habt euch, ich lasse mich nicht mit dem Teufel ein." Mein Vater konnte seine Wut kaum noch kontrollieren und verließ das Haus. Zwei Wochen später starb meine Mutter, in meinen Armen. "Ich habe dich lieb egal was du bist. Genauso wie deinen Vater." Dann starb sie. Ich schluckte all meinen Schmerz runter, ging weiter zur Schule und wartete auf die Rückkehr meines Vaters. Fünf Jahre, dann stand er vor der Tür. Als er erfuhr das Mutter tot war, zündete er unser Haus an, ich konnte gerade so mein Hab und Gut retten. Er ist innerlich zerbrochen. Und in der Zeit wo ich allein war, hat er den Rat gegründet oder übernommen. So genau weiß das niemand. Ich vermisse sie noch heute.
Sie hätte dich gemocht Luce."
"Aber wenn sie nie beim Rat war...?"
"Bevor meine Mutter starb wurden wir beobachtet, schon vorher. Wie glaubst du kam mein Vater zum Vampirismus, alles war geplant. Nur das meine Mutter sich sträubt, das hatten sie nicht erwartet."
"Wir werden nicht daran zerbrechen."
"Nein Luce. Wir sind schon Vampire, uns bleibt nur die Unendlichkeit."




1300 Wörter!

Hat dieses mal ein bisschen länger gedauert, aber ich hoffe es gefällt euch!

Dieses Kapitel ist für meine Celine ♡

~ K

LUCINDA - Wenn die Sonne im Zenit stehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt