Kapitel 44

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Eric wird wach und ich lächle ihm zu. Er scheint sich zu freuen mich zu sehen. Ich schwinge meine Beine aus dem Bett und schaue ihn erwartungsvoll an, die Sonne wirft ihre ersten Strahlen über die hohen Berge.
"Willst du weiter Reisen?" Ich blinzelte zweimal bevor ich antworte.
"Noch nicht. Wollen wir heute was unternehmen?"
"Wenn du heute Abend mit mir zum Ernstfest gehst, klar." Doch er wartete gar nicht auf eine Antwort und geht zu seinem Kleiderschrank. Erntefest? Ich werde ja sehen was das sein soll.
Ich setzte mich wieder auf die Couch und öffne meine Galerie, ohne ein bestimmtes Bild zu suchen bleibe ich unbewusst an einem hängen.
Ein junger gutaussehender Mann ist darauf zu erkennen. Er trägt einen Anzug. Er hat diesen arroganten aber verliebten Blick. Er schaut direkt in die Kamera und ich weiß automatisch das ich dieses Bild aufgenommen habe. Mach das Bild weg! Doch ich kann nicht.
Ohne das ich es merke fällt eine einzelne Träne auf den Display. Wütend wische ich die Tränen weg. Ich will nie wieder weinen. Denn das ändert gar nichts, doch trotzdem kann ich das Bild nicht wegwischen und betrachte ihn. Meinen Fremden.
Meinen Will. Das Foto ist am Tag meiner Verlobung aufgenommen worden. Ziemlich am Anfang, denn dort lächlet er noch.
"Wer ist das?" Fragt mich Eric der hinter mit steht. Ohne noch etwas zu sagen wischt er vorsichtig meine verwischte Mascara weg. Ich hebe meinen Blick zu seinen Augen.
"Will." Ich atme aus. Er macht ein enttäuschtes Gesicht. Er hat sich bei mir wohl richtige Hoffnungen gemacht. Soll ich ihm sagen das er noch eine Chance hat. Warum nicht?
Weil ich Will immer lieben werde.
"Er ist gestorben. Vor kurzem." Er legt seine Hand auf meine Schulter. Doch er schweigt, bestimmt weiß er nicht was er sagen soll.
"Ich habe ihn sehr geliebt. Und das werde ich immer tun. Aber.. aber ich mag dich. Sehr sogar." Und dann fließen sie wieder unaufhaltsam, die Tränen. Blitzschnell kniet er sich vor mich und schaut fest in meine Augen.
"Ich dich au-- warum sind deine Augen rot?" Er zieht erschrocken die Luft ein. "Nein! Nein!" Er weiß es. Aber warum? Ich blinzelte einmal kräftig und stehe dann nur eine Sekunde später vor ihm und halte ihm den Mund zu.
"Lass mich einfach gehen. Ich komme nie wieder!" Er löst meine Hand.
"Meine Mutter darf das nicht erfahren, sie ist ein Werwolf. Sie hasst deines gleichen." Er zwinkert mir zu.
"Aber ich mag dich. Du bist nicht so wie sie mir Vampire beschreibt."
"Wir sind genauso unterschiedlich wie Menschen. Aber du bist keine Werwolf..."
"Nein. Meine Schwester hatte das Gen. Bei uns haben es nur die Frauen." Er beobachtet mich.
"Trink von mir. Meine Mutter darf es nicht erfahren. Sie tötet dich."
"Am besten gehe ich einfach."
"Trink. Ich vertraue dir."
"Das könnte ein Trick sein."
"Eisenkraut? Nein das finde ich widerlich. Meine Mutter wollte das ich es trinke aber, nein." Ich schaue ihn vorsichtig an, aber wenn ich nicht von ihn trinke verliere ich vielleicht bald die Kontrolle und töte jemanden.
Er nickt erneut und ich entblöße meine langen Eckzähne. Dann ramme ich sie ihm in sein Handgelenk.
Tatsächlich hat er kein Eisenkraut im Blut und dieses schmeckt ziemlich gut. Doch als ich genug habe beiße ich in mein eigenes Handgelenk.
"Damit sie nichts merkt." Er trinkt ohne zu zögern, würgt aber kurz.
"Das war krass!" Ich lache und lege meine Hände auf seine Schultern. Er schaut mich tiefgründig an. Und dann küsst er mich. Doch ich erwidere den Kuss nicht und er weicht einen Schritt zurück.
"Tut mir leid, das war taktlos." Ich schüttel nur den Kopf, dann kommt seine Mutter herein.
"Essen ist fertig." Ich löse meinen Blick von ihm und schaue zu ihr. Jetzt wo ich es weiß sehe ich ihren Wolf. Ihren Hasserfüllten Blick. Sie erinnerte mich an Sarah.
"Ich möchte mich nicht aufdrängen. Ich gehe eine runde spazieren." Sage ich und husche an ihr vorbei nach draußen. Ich höre Eric nur noch sagen: "Ich habe sie geküsst." Das scheint ihr als Antwort zu genügen. Dann bin ich außer Hörweite und gehe in den Bergen spazieren.

Die Wiesen sind Grün und auf ihnen wachsen tausende unterschiedliche Blumen. Alles ist wunderschön. Ich wünschte Will könnte das alles sehen. Und wieder wünschte ich ihn zu mir. Ich muss endlich akzeptieren das er Tod ist. Ich lasse mich auf dem Boden nieder. Langsam lege ich mich dann ins Gras, den Blick zu den Wolken gerichtet. Der Blaue Himmel zeigt nur wenige Wolken und die Sonne strahlt hell in mein Gesicht. Ich fühle die Energie meiner Tageslichtkette, sie pulsiert auf meiner Haut. Ich nehme mir mein Handy und mache Musik an.
Wie sagt man sooft? - Musik an. Welt aus.
Ich schließe meine Augen und singe den Text in Gedanken mit. Irgendwie schaffe ich es so Will aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich öffne meine Augen um die Sonne sehen zu können, als ein Schatten über mich fällt. Ich nehme die Kopfhörer raus und schaue zu Eric der sich neben mich gesetzt hatte.
"Ich werde bald abreisen." Sage ich.
"Wann?"
"Heute Abend, nach dem Erntefest. Ich muss weiter." Er sagt nichts und so kann ich seine Gedanken nur erahnen.
"Ich mag dich ziemlich doll." Seine Stimme zittert.
"Eric Bitte nicht..."
"Doch Lucinda, es tut mir leid. Aber ich habe mich in dich verlie---" Ich lege meinen Finger auf seinen Mund.
"Ich kann das nicht erwidern."
"Aber ist stehe hier vor dir. Ich kann dich trösten." Ich schüttel den Kopf.
"Vielleicht. Aber ich will dich nicht ausnutzen. Vielleicht in ein paar Jahren."
"Vielleicht." Sagt er und nimmt meine Hände.
"Wir wollten aufs Erntefest." Ich nicke und folge ihm zurück ins Dorf. Erst jetzt bemerke ich Wie spät es ist. Auf dem Erntefest ist mehr los als ich erwartet hatte und in dem großen Partyzelt wird getrunken und getanzt. Erstaunt beobachte ich Alles und drehe mich um mich selbst.
"Möchtest du Tanzen?" Ich erstarre und schaue zu seiner ausgetreckten Hand. Ich stolpere ein paar Schritte zurück und stoße dabei gegen einen Mann. Hastig entschuldige ich mich und stürme aus dem Zelt.

*Flashback*

"Ein letzter Tanz, my Lady?"
"Nichts lieber als das."

*Flashback Ende*

Eric ist mir gefolgt und steht hinter mir. "Was ist los?" Ich schüttel den Kopf und gehe weiter. Er folgt mir und hält mich fest, dreht mich zu sich.
"Ich muss jetzt gehen." Erwidere ich gegen seine Geste.
"Bitte nicht.."
"Doch! Ich kann das nicht. Und vielleicht werde ich es auch nie können. Ich liebe ihn Eric! Es tut mir leid. Und falls du es nicht verstehst, wie man einen toten lieben kann, hast du noch nie innig geliebt." Schnauze ich ihn an, dann reiße mich los und gehe weiter. Er folgt mir noch immer und kramt in seiner Jackentasche.
"Hier. Für dich." Dann bleibt er stehen und ich gehe weiter der untergehenden Sonne entgegen. Ich drehe mich nicht um. Ich starre nur nach vorne.

Erst als ich Deutschlands Grenze erreiche falte ich seinen Brief auseinander.

Liebe Lucinda,
wenn du das liest, heißt es das du gegangen bist. Ich wollte dich fragen ob ich dich begleiten darf, aber scheinbar habe ich mich nicht getraut.
Ich liebe dich.
Doch du liebst ihn. Will. Im ersten Moment konnte ich nicht verstehen wie du jemanden lieben kannst der Tod ist. Doch meine Schwester liebe ich auch noch, auch wenn sie vor 10 Jahren starb. Wenn Will deine große Liebe ist, dann soll eure Liebe den Tod überdauern. Ich hoffe das ich eines Tages auch so jemanden finde. Jemanden den ich ewig liebe, jemanden der mich ewig liebt. Denn Will liebt dich auch noch. Da bin ich sicher.
Du bist jetzt fort, aber vielleicht kommst du ja irgendwann nochmal an meinem Zuhause vorbei. Auch wenn du mir möglicherweise mein Herz gebrochen hast, werde ich dich mit offenen Armen empfangen. Ich freue mich sogar darauf.
Du bist etwas besonderes, nicht weil du ein Vampir bist, sondern weil du noch immer lebst. Ich kann mir vorstellen das viele sich aufgegeben hätten, nach so einem Verlust. Aber du stehst da. Du bist deiner großen Liebe treu und stößt den gutaussehenden Jungen weg. Du ehrst ihn, deine Liebe. Ich wünschte ich hätte ihn kennengelernt, nur um einmal zu sehen wer dein Herz erobert hat, wer es gestohlen hat. Denn ich glaube er hat es mitgenommen.

Ich liebe dich.
Er liebt dich mehr.
Du wirst auf ewig geliebt.

Dein Eric.

Mir rollten Tränen über die Wangen, doch trotzdem musste ich an mancher Stelle lachen. Ich mochte ihn, doch ihn zu verlassen war die richtige Entscheidung gewesen.
Denn mein Ziel ist noch immer Griechenland.



Bye Bye Eric!

- Traurig das sie ihn verlassen hat?
- Der Brief? ♡

~ K

LUCINDA - Wenn die Sonne im Zenit stehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt