Kapitel 43

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Ich sitze bereits an einem Brief als Lucas langsam wach wird und besorgt zu mir herüber guckt. Ich beende meinen letzten Satz, sehe ihn wehleidig an und bin in Vampirgeschwindigkeit aus dem Hotel verschwunden. Lucas würde die anderen erst wecken wenn er denn Brief gelesen hatte. Das wusste ich, denn er war mein bester Freund.
Wir waren in Frankreich und ich war nun auf dem Weg nach Griechenland. Da wollte ich schon immer einmal hin und so musste ich nicht das Flugzeug benutzen. Ich lief einfach, auch wenn das lange dauern würde. Ich hatte ja Zeit. Natürlich würde ich mein Rudel nicht für immer verlassen, aber erst einmal brauchte ich Abstand. Denn jeder von ihnen erinnerte mich an Will. Und jedes mal wenn ich an ihn dachte schmerzte es mich. Ich konnte ihn nicht vergessen, das war auch nicht das Ziel dieser Reise. Mein Ziel ist einfach. Ich laufe vor der Vergangenheit weg, auch wenn mit klar war, das dieser Plan zum Scheitern verurteilt war. Will hat immer gesagt das ich stark bin. Das ich alles schaffen könnte.
Das stimmte nicht.
Mit ihm hätte ich alles schaffen können. Vielleicht wirkte ich auf ihn immer stark und bodenständig, aber eigentlich war er der jene der mir all diese Kraft gab.
Während ich rannte spüre ich seinen Verlust so präsent als würde ich seinen Tod immer und immer wieder erleben. Wie er neben mir stand und verbrannte. Das aller schlimmste war, ich konnte es nicht verhindern.
Doch so war er geplant gewesen. Mr. William Wane wusste das die Chance bestand das einer sich retten könnte. Will durch einen alten Freund in der Familie, ich durch mein Rudel. Auch wenn letzteres schließlich nicht zu meiner Rettung beigetragen hat, hatte ich mich befreit. Doch die Ketten waren unzerreißbar und wenn wir an einen Schlüssel kommen würden, wären es unterschiedliche Schlösser. Wills Vater ist sehr gerissen. Und ich konnte mir nur zu genau vorstellen wir er meine Verzweiflung genossen haben muss. Doch vermisste er Will nicht auch? Seinen einzigen Sohn? Seinen Stolz? Selbst wenn er ihn für das allgemein Wohl geopfert hatte, litt er doch unter seinem Tod, oder war er dafür schon zu besessen? Liebend gerne würde ich zu ihm reisen und ihn töten. Doch im Endeffekt würde es mir nichts bringen. Meine Mutter hatte mich immer gelehrt, dass Rache nur ein Zeichen von Schwäche ist. Und selbst wenn meine Wut unermäßlich war, konnte sie nicht meine gute Erziehung überbieten.

Meine Füße begannen zu Schmerzen und ich wurde langsamer. Ich stand vor einem kleinen Dorf irgendwo in Deutschland. Den Namen der auf das Willkommen Schild geschrieben wurde, ist unleserlich. Doch es interessiert mich sowieso nicht. Glücklicher Weise beherrsche ich Deutsch fließend.
Als ein süßer Junge an mir vorbei läuft hallen Wills Worte in meinem Kopf, das ich mir einen neue Liebe suchen soll.
"Entschuldigung? Können Sie mir sagen ob es hier ein Hotel gibt?" Frage ich mit Engels gleicher Stimme und fahre mir gespielt nervös durch die Haare. Er grinst verschlagen und schaut mich mit bedauern an.
"Nein Miss, tut mir Leid. Aber dieses Kaff bietet so etwas nicht." Er ist süß, doch niemand kann meinen Schmerz lindern. Enttäuscht ziehe ich ein trauriges Gesicht. Ich muss wohl noch ein paar Dörfer weiter laufen.
"Meine Mutter und ich vermieten ein Zimmer, für Reisende. Wenn Sie möchten, das Zimmer ist zurzeit frei."
Ich schaue ihn skeptisch an.
"Ist auch nicht teuer." Darüber grinse ich, nur mit einer Handtasche im Gepäck in der sich mehrere Tausend Euro und befanden, machte den Preis irrelevant.
"Gerne, wenn ich Ihnen nicht zur Last falle?" Er schüttelt ein bisschen zu schnell den Kopf.
"Soll ich ihre Tasche tragen, Mysteriöse Fremde?" Ohne das ich es verhindern kann muss ich darüber lachen. Er ist so einfach und unkompliziert, ohne Fragen zu stellen ist er einfach nett zu mir.
"Lucinda. Mein Name ist Lucinda." Sage ich noch immer lachend schüttel auf seine Frage hin aber den Kopf.
"In dieser Tasche ist alles was ich momentan besitze. Aber ich begleite sie gerne." Er grinst mich an und bedeutet mir ihm zu folgen.
"Ich bin Eric."

Wie es scheint ist das Dorf größer als zunächst gedacht, denn als wir endlich Erics Zuhause erreichen, beginnt bereits die Sonne unterzugehen. Traurig schaue ich zum Horizont. Gleich würden Tausende Sterne erstrahlen und mich an Will erinnern.
"Kommst du Lucinda?" Ich nicke und folge ihm ins Innere des Hauses.
Das Haus ist kleiner als zunächst erwartet und ziemlich alt.
"Mutter? Ich bin Zuhause und habe einen Gast mitgebracht." Augenblicklich kommt eine kleine dicke Frau in den Flur. Ihr Dutt ist unordentlich und ihre viel zu große Brille ist verrutscht. Sie wirkt gehetzt.
"Das Zimmer wurde eben von den Nachbarn belegt. Sie haben einen Rohrbruch." Sie sieht mich nicht einmal an und schaut nur zu ihrem Sohn.
"Aber Mutter ich kann sie doch jetzt nicht wegschicken, sie ist nur eine Reisende..." Endlich schaut mich die Frau an. Sie mustert mich kritisch.
"Du willst doch sowieso nur mit ihr schlafen. Da kann sie auch in deinem Zimmer schlafen." Dann piept der Backofen in der Küche und die Frau ist verschwunden. Peinlich berührt schaut Eric mich an.
"Es ist nicht so wie sie gesagt hat, das mit dem Zimmer tut mir Leid. Normalerweise ist es immer frei."
"Schon okay. Dann Reise ich einfach weiter."
"Zu Fuß? Das ist nachts viel zu gefährlich." Besorgt mustert er mich.
"Dann schlafe ich bei dir." Verlegen legt er seine Hand in den Nacken.
"Ich habe nur ein Bett."
"Das war mir schon klar." Sage ich. Was interessiert mich schon dieser Junge. Ich hatte ein gebrochenes Herz. Er nickt nur mit hochrotem Kopf und geht eine schmale Treppe nach oben, ich folge ihm.

Sein Zimmer ist riesig, ich habe das Gefühl das es größer ist als das ganze Haus. Ein riesiges Fenster lässt die letzten Sonnenstrahlen ins Zimmer eindringen. Trotz dessen das er nur ein Bett hat, ist dieses riesig. Als er meinen neugierigen Blick bemerkt, grinst er verlegen. Ich steuerte auf einen kleine Couch zu, die vor einem Fernseher stand. Steif setzte ich mich drauf, denn irgendwie fühlte ich mich fehl am Platz. Er warf sich neben mich auf die Couch und schaltete den Fernseher an, irgendeine Serie die ich nicht kannte. Ich richtete meinen Blick auf den Bildschirm, versank aber in Gedanken statt der Serie zu folgen.
Will?
Stille. Einen Versuch war es wert gewesen, denn trotz allem was passiert war, wollte ich meine Fähigkeiten nicht verlieren.

Irgendwann stand er kurz auf um ein kleines Licht an zumachen. Er bot mir auch etwas zu essen an und um den Schein zu wahren sagte ich zu. Tiefkühlpizza.
Darüber grinste ich. Das mochte ich sogar, ich bemerkte das er sich näher an mich heran setzte, doch ich ignorierte es.
Im laufe des Abends legte er sogar einen Arm um meine Schultern, doch statt ihn zurecht zuweisen lehnte ich mich sogar gegen ihn. Er war echt ziemlich niedlich. Rote strubbelige Haare, strahlend grüne Augen, groß und durch trainiert. Wenn es Will nicht gäbe, könnte ich mich sogar mit ein bisschen Zeit in ihn verlieben.
Aber nur vielleicht.
Ich schließe meine Augen und tue so als wäre ich eingeschlafen. Denn Eric hatte sich geräuspert, so als wollte er ein peinliches Gespräch beginnen. Doch als er sah das ich eingeschlafen war, schweig er. Auch wenn ich mir ziemlich sicher war das er mich beobachtete.
Und ohne das ich es beabsichtigt hatte, schlief ich tatsächlich in seinen Armen ein.

"Will?"
Obwohl er mir gesagt hatte, er würde nicht hier sein, suchte ich nach ihm.
Mal wieder lief ich im Central Park.
Mal wieder stand ich vor der Bank.
Doch dieses mal war sie leer.
Kein Fremder.
Nicht mein Fremder.
Kein Will.
Nicht mein Will.
Niemand.
Obwohl ich damit gerechnet habe, bin ich traurig. Alleine setzte ich mich auf unsere Bank. Wie meine Stimmung beginnt es zu regnen.
"Will? Ich möchte Tanzen.", flüstere ich leise. Meine Worte hallen in die Dunkelheit. Stumm laufen mir Tränen die Wangen herunter.
"Will?"
Ich schlucke schwer und schließe meine Augen.

Ich schlage meine Augen auf und stelle fest das ich mittlerweile in einem Bett liege. Neben mir liegt Eric, er hat einen Arm um mich gelegt und schnarcht leise. Ich will nicht noch einmal einschlafen und stehe leise auf. Ich habe Hunger.
Genervt stehle ich mich aus dem Haus und suche mir jemanden. Doch mitten in der Nacht ist auf dem Land nicht viel los. In einer Arztpraxis finde ich mehrere Blutproben.
Besser als nichts. Denke ich mir und verschlinge sie Gierig. Ich überprüfe die Praxis noch auf Kameras, finde aber nichts und schleiche mich wieder ins Erics Bett.
Dann warte ich bis Eric wach wird.





1435 Wörter :)

- Was haltet ihr von Eric?
- Wie wird das Rudel auf den Brief reagieren?
- vermisst ihr Will auch?

- Neues Cover. Gefällts?

~ K

LUCINDA - Wenn die Sonne im Zenit stehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt