Kapitel 67: Danke!

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Als hätte man mich von jetzt auf gleich aus meiner vertrauten Umgebung gerissen, bin ich einige Sekunden wie erstarrt, als ich meinen Freund, wie aus dem nichts vor mir stehen sehe. Zwischen seinen Lippen dreht er wie so oft einen roten Lutscher, den er wohl gerade in der Tankstelle erstanden hat. Sein Gesicht verzieht sich zu einem selbstzufriedenen Lächeln, während mir der Schock, wie nach Autounfall ins Gesicht geschrieben steht. All die Szenarien, die ich mir ausgemalt habe für den Fall dass ich ihn treffe. Die Fragen die ich ihm stellen wollte, alles, alles ist einfach weg und ich fühle mich plötzlich Leer und Gefühlstaub. "Hi Zuckerstück", reißt mich Mark zurück in das Hier und Jetzt. In seiner Gestik hat sich nicht das geringste geändert, kein Zeichen von Reue, von Entschuldigung oder dem Versuch mir sein Monate langes verschwinden zu erklären. Ich schaffe es nicht etwas anderes als ein einfaches : "Warum?", hervor zubringen. Meine Stimme zittert und meine Atmung ist wie zugeschnürrt, weshalb sogar dieses kleine Fragewort meine Lungen beinahe zum platzen bringt. Ich sollte mich doch freuen meinen Freund wohlbehalten anzutreffen, oder nicht? Ist meine Wahrnehmung bereits so verblendet, dass ich das Gefühl von Freude bereits vergessen habe? Binnen Sekunden führen meine Gedanken Millionen von inneren Monologen, suchen nach einer Erklärung, nach Gründen, die mir das alles hier verständlich machen können. Gedanken, die versuchen mir meine eigene Reaktion zu vermitteln. Mein Äußeres sieht immer noch ungläubig und ruhig in die mir so vertrauten roten Augen, während in meinem Inneren die schlimmste Achterbahn der Gefühle gerade einen doppelten Luping schlägt.

Die zarten Finger ziehen den rosa Stiel der Süßigkeit zwischen Marks Lippen hervor, als mir diese plötzlich wieder so vertraut nah kommen. Schlimmer als je zuvor schreit mein Körper nach ihm. Will ihn berühren, schmecken, einfach bei ihm sein. Das warme Gefühl seiner weichen Lippen legt sich auf die meinen und ich kann deutlich den Kirschgeschmack seines Lutschers schmecken, als sich unsere Zungen umspielen. Er ist wieder da! Wird mir in diesem Moment klar und der Schutzwall, welcher sich um mich erstellt hat, beginnt mit seiner Berührung zu bröckeln. Mir ist es egal wo wir uns befinden, das einzige was für mich in diesem Moment überhaupt existiert ist Mark, welcher endlich wieder in meinen Armen liegt. Es sind nur kurze Augenblicke, welche uns so innig verbinden, doch seit langer Zeit fühle ich das Herzbeben, welches nur er in mir auslösen kann wieder.

Seine Hand wandert zu meiner Wange, als sich unsere Körper wieder von einander trennen und ich in sein Engelsgesicht sehen kann. Es ist kein Traum, diesmal steht mein Freund tatsächlich vor mir. Mark ist wieder ein Teil meines Lebens. Bevor sich meine Stimme wieder gesammelt hat, beantwortet der weiße Engel meine Frage mit diesem zarten Lächeln, meinem Lächeln, auf den Lippen. "Phil...", haucht mir seine Stimme intensiver als am Anfang eine Gänsehaut über den Nacken. Der warme freuchte Atem liegt auf meiner Haut und seine Worte wollen die Mauer nicht nur zum bröckeln bringen, nein drei kleine Worte sprengen meine Seele. "Ich Liebe dich...", fährt seine Zunge mir ein letztes mal über das Kinn in meinen Mundraum, nur um dann alles zu zerstören, denn er hängt ein viertes, alles zerbärsten lassendes Wort an: "..nicht!"

Einen Moment scheint die Welt zwischen uns Still zustehen. Ich Liebe dich nicht, dauert es bis mein Verstand überhaupt realisiert hat was er gesagt hat. Ich Liebe dich nicht? Der Lutscher wandert wieder in seinen Mund und mit einem kurzen Schulterzucken, begleitet von einem noch kürzeren: "Ciao!", verschwindet der schmale Junge, um den sich meine gesamte Welt verstickt hat völlig gleichgültig in einem mir fremden sportlichen Wagen. Der Fahrer, ein anscheind gut verdienender dunkel blonder Mann, ist das letzte was ich wahrnehme, als das Fahrzeug die Tankstelle verlässt.

Wie versteinert stehe ich etliche Augenblicke zwischen Tür und Angel. "Möchten sie auch noch zahlen?", fragt mich eine Kaugummi kauende Kassiererin, nachdem ich mich einfach nicht geregt habe. Er liebt mich nicht, hat er nie. Niemals haben die drei kleinen Worte mein Ohr erreicht. Von beginn unserer Beziehung, nein unserer Gemeinschaft, bin ich allein jener gewesen, der ihm gesagt hat, das er ihn liebt. Jetzt ist mir das erste mal wirklich bewusst, das es für ihn niemals ein wir gegeben hat. "Hallo... sie stehen im Weg!", wiederholt die völlig genervte schmatzende Kassiererin und kommt hinter der Theke hervor. "Nummer 3, 75,43 bitte!", hält sie mir, mich von unten gelangweilt anschauend, die offene Hand entgegen. "Heute noch!", drängelt sie und ich greife wie in einem alles verzerrenden Zeitfenster nach meiner Geldbörse, um ihr das Verlangte zu geben. "Na endlich... sie sehen gar nicht gut aus. Gehen sie besser heim!", öffnet sie die Kasse und steckt mir meinen Bong in die Hosentasche, bevor sie mir zweimal auf die Brust haut. "Wir sind doch alle schon mal abserviert worden", redet sie einfach weiter immer in Begleitung dieses schmatzen. Ohne ein weiteres Wort steige ich in mein Auto und fahre los. Viel zu schnell, fahre ich durch die immer dunkler werdenden Straße der Stadt. Er liebt mich nicht, verkrampfen sich meine Finger in dem Lederbezug meines Lenkrads. Er liebt mich nicht! Er hat mich nie geliebt! Sind die einzigen Gedanken die sich in meinem Kopf immer wieder drehen. Das Gefühl der Trauer, der Sorge, die Einsamkeit, weicht der Wut, aber nicht auf Mark, sondern auf mich selbst. Wie kann man so dumm sein und nicht merken, das man nie geliebt wurde? Das man einfach benutzt würde, wie ein Spielzeug? Für Mark war unsere gesamte gemeinsame Zeit, wie eine lange Nacht eines One-night-stands! Ich will das du glücklich wirst, dich verliebst. Zoe, was verlangst du da eigentlich von mir? Gibt es soetwas wie Liebe überhaupt? Bin ich dem Wechselsturm meiner Gefühle völlig hilflos ausgesetzt.

Ungeachtet des Verkehrs und meines viel zu schnellen Tempos, fahre ich über eine rote Ampel und schneide mit meinem Wagen einen anderen, welcher im letzten Moment bremsen kann und ein aggressives Hubkonzert veranstaltet. Es gibt keine Liebe! Ich habe mir alles eingebildet, wer an solche Kindermärchen glaubt, ist selbst Schuld an seinem Unglück! Ich brauche keine Liebe um glücklich zu sein Zoe! Werden meine Gedanken klarer und mein Entschluss deutlicher. Spaß ohne Gefühl? Reine Körperlichkeiten? Wieso sollte ich nach dem Schmerz von Liebe suchen, wenn ich das alles auch ohne diesen Blödsinn haben kann? Auf meinem Gesicht bildet sich ein Lächeln ab und ich drossle mein Tempo wieder runter. Danke Mark, das du mir gezeigt hast wie man wirklich Lebt!

Doch...keine Liebe? Boy x Boy, boyxboy, yaoi, boysloveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt