Kapitel 87: Ende Dezember

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Andys glasige Augen sehen mich einen Herzschlag irritiert an, bevor er kaum merklich nickt. Die dampfenden Nudeln alleine in der Küche zurück lassend, plaziere ich den Jüngeren auf dem abgegriffenen Leder meiner Couch. Mich selbst auf der Lehne niederlassend, ziehe ich den hölzernen Klangkörper auf meinen Schoß und beginne einzele Töne auf dem Instrument zu suchen. Eine ruhige Melodie schwingt durch den kaum beleuchteten Raum, als mein Blick auf das gespannte Grau von Andy trifft, dessen Tränen bei den ersten Zeilen bereits am trocknen sind. "Er sitzt allein, so wie fast jeden Tag. Auf seiner Bank, an der Wiese im Park. Augen wie Stahl und die Sonne im Haar. Er blickt mich an und erzählt mir von ihm...", sind die Worte die meinen Mund verlassen, liebevoll und ruhig, während meine Finger die feinen Seiten meiner Gitarre streicheln. "... er sagt:' Neulich saßen wir hier. Ging so schnell. Haben es nicht mal geahnt, noch so vieles geplant' Dann bricht er ab- und weint: 'für mich ist es Ende Dezember, unsere Tage waren alle gezählt und ich hab an so vielen von ihnen gefehlt...'", schließe ich gefühlvoll die Augen, mein Gegenüber, im Park sitzen sehend, seinen Freund eng an seiner Seite. Das Sonnenlicht, welches sich in dem Gold seiner Haare bricht und seine geröteten Wangen zum leuchten bringt, als ihn die Hand seines Partners zärtlich liebkost. Vor sein sonniges Gemüht, schiebt sich ein langer Schatten der Trauer, als sich das Bild vor meinen Augen ändert und der junge Mann mit eng an seinen Körper gepressten Armen alleine im Regen sitzt. "Das Leben geht gnadenlos weiter, auch wenn deine Freude daran stirbt...", mischt sich das Abbild von Andy mit dem lächeln meiner Schwester und droht mir einen Moment die Stimme versagen zu lassen. "Für mich ist es Ende Dezember. Unsere Tage waren alle gezählt...", öffne ich meine ebenso verletzten Augen, als das Lied, welches Andy aufheitern sollte, plötzlich meine eigene Gefühlswelt in ein Chaos stürzt und in die Komplett falsche Richtung abtriftet.

Nun ist es Andy, der meine Finger zum stehen bringt und mich mit seinen warmen grauen Augen ansieht. "Es tut mir Leid", entschuldige ich mich für meine seelische Folter, welche mein Lied wohl für ihn gewesen sein muss, doch der so zerbrechlich wirkende Junge, lächelt einen kurzen kaum merklichen Augenblick, als er meine Schwäche erkennt. "Ich lass nicht zu, dass es ewig schneit", umschließen mich seine warmen Arme einen Moment und sein Körper sucht die Nähe zu meinem. Einige Herzschläge gelähmt, genieße ich regungslos diese Entschlossenheit in dem Inneren des Jungen, bevor ich das Instrument zur Seite stelle und ihn fester in meine Arme ziehe. "Du bist so viel Stärker als ich", haucht meine Stimme fast schon zitternd an seinen Hals, als wir uns gegenseitig den Trost spenden, den wir brauchen. Ich spüre das leichte Lächeln an meiner Wange anklingen, welche durch seine Tränen ebenfalls in dem matten Licht der kleinen Lampe glitzern.

Das Abendessen in der Küche, schon längst eiskalt, lösen wir unsere ansonsten stumme Umarmung, langsam und bedacht. Einige Sekunden sehe ich ihn einfach schweigend an, als sich dieses ungewohnt warme Gefühl in meine Brust brennt. "Er wäre Dumm, wenn er dich alleine lässt", wandert meine Hand an seine gerötete feuchte Wange und streicht über das schönste Lächeln, welches ich seit langer Zeit sehen durfte. "Ich verstehe es einfach nicht", weicht mir langsam das schillernde Grau seiner Augen aus, um erneut zu ermatten. "Er hat es nie versteckt. War immer der, der meinte das wir dazu stehen können", umschließen seine Arme zitternd seine Beine, welche er dicht an seinen Körper gezogen hat. "Ich wollte ihm doch nur eine Freude bereiten...", berichtet Andy für mich nicht ganz nachvollziehbar, was er genau meint, doch ich Frage nicht nach Einzelheiten. Lasse ihn erzählen und höre ihm schweigend zu. Ich lege ihm die Decke über die Schulter und kuschle den zerbrechlichen Körper an mich, beruhigend über ihn streichelnd, während seine Worte das einzige sind, dem ich gerade meine Aufmerksamkeit schenke.

Die Morgenröte schiebt sich durch die Vorhänge, als Andy immer ruhiger wird, halb auf mir liegend in meinen Armen auf der Couch. Seine Atmung geht gleichmäßig ruhig, doch ich traue mich nicht, mich von ihm zulösen, in dem Moment in dem er so befreit von allen Sorgen wirkt. Mein Augen suchen in dem Halbdunkel nach einer Beschäftigung, während meine Finger nicht aufhören über den Stoff des viel zu großen Bandshirts zu streicheln. Endlose male fahre ich gedanklich die Maserung im hellen Holz der Deckenpaneelen nach, sehe Gesichter und denke mir Geschichten in dem immer wacher werdenden Tag aus, bis meine Hände ihr kraulen einstellen und die Geschichten sich in Bilder wandeln, welche mich in den Schlaf gleiten lassen.

"Wääh... Chiara muss das sein?", öffne ich meine schweren Lider, als die feuchte Zunge meiner Freundin mein Gesicht liebkost. Erst als ich das Gewicht auf mir wieder spüre, bemerke ich das ich eingeschlafen sein muss und Andy noch immer friedlich ruht. Meine volle Blase zwingt mich, ihn von mir runter zu schieben, doch der junge Mann liegt noch so tief im Schlaf, dass er mein fehlen einfach mit dem Griff nach dem Kopfkissen ausgleicht. "Du musst wohl auch mal?", flüstere ich Chiara zärtlich zu, meine Hände in ihrem Pelz verschwinden lassend, als ich mich nach einem kurzen Strecken und dem dringenden Klo gang, mit ihr auf den Weg machen möchte.

"Gehst du in den Park?", stockt mein Griff nach den klimpernden Schlüsseln in der Bewegung. "Oh ich wollte dich nicht wecken", bringe ich Andy entschuldigend entgegen, als er mich wieder mit seinen großen hoffnungsvollen Augen ansieht.

Doch...keine Liebe? Boy x Boy, boyxboy, yaoi, boysloveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt