Kapitel 78: Gut gelaunt!

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Meine Mutter schaut mich etwas irritiert an und man sieht in ihrem Gesicht die Frage, die sich langsam zu bilden scheint. "Der Richtige?", wiederholt sie meine Worte, als ob sie sich vergewissern wollen würde, es richtig verstanden zu haben. "Ja", antworte ich ihr wieder nur knapp und sehe ihr dabei feste in die blauen Augen.

Ich habe es mittlerweile akzeptiert, dass ich mich von Männern mehr angezogen fühle, als von Frauen. Wenn ich etwas von Mark gelernt habe, dann ist das, dass man sich deshalb nicht verstecken muss oder seine Neigung unterdrücken. Dennoch trifft mich ihre nächste Aussage wie ein Messer, welches sich tief in die Seele bohrt.

"Du bist schwul?", liegt ihre Frage mir plötzlich schwer auf den Schultern, denn ihr abwertender Blick verletzt mich ohne den Versuch von Akzeptanz. "Das ist doch ekelhaft Phillip, such dir lieber eine nette Freundin!", setzt sie noch einmal nach und ich merke wie meine Hände schwitzig werden. "Ist das dein Ernst?", sehe ich sie plötzlich gekränkt an. Niemals hätte ich erwartet, dass meine eigene Mutter so darüber denkt. "Gut das dein Vater uns schon vor Jahren verlassen hat, denn spätensten jetzt wäre er weg", dingt aus ihr aufeinmal die eigene Verletztheit nach vorne. "Hör auf mit ihm!", brechen erneut Gefühle aus mir heraus, die ich schon lange nicht mehr gespürt habe. Die Meinung meines feigen Vaters ist mir in dem Augenblick gleichgültig geworden, als er sich dazu entschlossen hat meine Mutter mit zwei kleinen Kindern sitzen zu lassen, weil Zoes Diagnose gestellt wurde. Wäre es nicht seine Aufgabe gewesen, genau dann für uns da zu sein? Warum spricht sie immer noch so über ihn, als würde er jeden Moment auftauchen und für uns da sein, die Versprechen die er uns in Kindertagen gab, einlösen? "Phillip!", setzt meine Mutter mir entgegen, als ich den Ton etwas zu hart anschlage und ich merke, wie die Wut in mir am aufkeimen ist. "Jetzt halt dich bitte zurück!", wird sie selbst etwas lauter und die wenigen Gäste beobachten das Szenario schaulustig. "Weißt du was?", kehrt wieder Ruhe in meinen kurzzeitig bebenden Körper: "Hätte ich es dir nicht gesagt, hättest du es doch sowieso nie erfahren. So oft wie du dich um deinen einzigen Sohn kümmerst...", ist meine Stimme fast Monoton und lässt auch keine Möglichkeit für einen Dialog ihrer Seits. Ich nehme meine Jacke vom Stuhl, lege etwas Kleingeld für den Kaffee auf den Tisch und sehe Chiara liebevoll an. "Komm kleine..", halte ich meiner Begleiterin die Tür auf und kann es mir aber nicht verkneifen, mich noch mal zu meiner Mutter umzudrehen: "Bis nächstes Jahr dann!", lasse ich sie mit offen stehenden Mund zurück.

"Tja, Chiara...", genieße ich mit einem Lächeln auf den Lippen, die wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner Haut, als ich meinen Blick Richtung Himmel wende. "...lief doch ganz gut oder?", hechelt sie Stumm neben mir und ich deute es einfach als Bestätigung, bevor wir uns auf den Heimweg machen. Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn sie meine Vorliebe zu Männern einfach akzeptiert hätte, aber obwohl sie meine Mutter ist, ist mir ihre Meinung nicht wirklich wichtig. Warum auch? Auf den Pflichtanruf zu meinem Geburtstag und zu Weihnachten kann ich in Zukunft auch verzichten, ziehe ich mein Gefühlsschild noch dichter zusammen. Meine Hände in den Taschen meiner Jacke, folge ich dem Weg in meine Wohnung, wo ich mich ohne weiteres einfach ins Bett fallen lasse.

Erst das Klingeln meines Telefons holt mich am Nachmittag aus dem Schlaf. "Jaa?", sehe ich nicht auf das grelle Display meines Handys. "Phillip?", dröhnt zum wiederholten mal an diesem Tag die weibliche Stimme an mein Ohr. "Ich wollte dir nur sagen das es Okay ist, zu was auch immer du dich hingezogen fühlst", redet sie nach einer längeren Pause in der wir beide nur schweigen weiter. "Das ist auch schon alles", wartet meine Mutter einen Augenblick darauf, ob ich etwas erwidere, doch als nichts kommt, legt sie ohne weitere Worte auf. Jetzt spüre ich wie einzelne Tränen aus meinen Augenwinkeln wandern und im Kissen aufgefangen werden. Was ist heute nur los mit mir? Verstecke ich mich vor mir selbst, in dem ich einen Arm über meine Augen lege und so die aufkommenden Tropfen gleich stoppe.

Der nächste Tag verläuft wieder wie all die anderen davor. Um mich abzulenken ziehe ich mit Chiara durch den Park, spiele Bällchen und am Abend suche ich mir jemanden, bei dem ich die nächsten Stunden verbringen kann.

"Und hast du den neuen Song?", stochert Pascal neugierig, als ich wie jeden Freitag zu ihm komme. "Klar!", grinse ich gut gelaunt, beim aufbauen der Geräte. "Spiel mal an!", fordert er mich auf, während er uns einen Drink einschenkt. "Äh Nöp!", verziehe ich frech das Gesicht und muss lachen. "Den hörst du erst, wenn alle da sind!", bleibe ich standhaft, als Chiara sich auf ihren gewohnten Platz legt. "Ach komm wenigstens ein paar Takte!", quängelt der alte Mann wie ein junges Mädchen. "Na gut..", knicke ich doch ein und setze mich mit meiner Gitarre auf meinen Stuhl, um nur für ihn den neuen Song zu spielen und so eins seiner warmen Lächeln auf seine Lippen zu zaubern.

Doch...keine Liebe? Boy x Boy, boyxboy, yaoi, boysloveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt