13. Kapitel

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13.

Mayada

Gefangen in ihrer Angst und dem Schock hörte sie die Stimmen wie durch Watte und ihre Augen waren vernebelt. Sie bekam kaum mit, wie der Mann sie hochhob und wegbrachte. Ihren Kopf an seine Brust gelehnt schlief sie ein und blinzelte erst wieder als er ihr Wasser zu trinken gab. Mit kurzen Schlucken trank sie das kühle Nass und schloss erschöpft die Augen, während ihr Kopf sich zurücklegte. Das Atmen fiel ihr immer noch schwer, sodass sie nicht mal mitbekam, wo er sie hingebracht hatte.

Ein Seufzen verließ ihre Lippen als der Mann ihr Gesicht abzuwischen begann. Sie öffnete leicht die Augen und sah in sein Gesicht mit dem Gedanken ihm zu danken. Der Schein einer Kerze erlaubte ihr, ihren Retter vernünftig sehen zu können und nachdem ihr Blick sich etwas geklärt hatte weitete sie unwillkürlich die Augen.

"Nein!", sagte sie, doch mehr als ein Flüstern war es nicht. Der Schock saß so tief, dass sie sich nicht mal rühren konnte.

Hatte er sie erkannt? Vermutlich nicht, denn statt ihr Herz aus dem Leibe zu reißen, war er so hilfsbereit. Ihre Augen schauten sich in dem kleinen bescheidenen Raum um. Flucht war alles woran sie gerade denken konnte. Aber ihre Glieder wollten ihr nicht gehorchen. Sie war wie gelähmt, eingesperrt in ihrem Körper. So eine Angst hatte sie nicht erwartet. Panik machte sich in ihr breit, sodass sie wieder stark husten musste. Der Atem ging ihr so schnell, dass sie glaubte zu ersticken, trotz dass sie atmete, jedoch viel zu schnell. Hustend wandte sie sich von ihm ab und Tränen rannen über ihr Gesicht.

Was sollte sie tun? Sie hatte nicht jahrelang geübt und trainiert um jetzt so einfach den Tod zu finden. Sie wollte kämpfen! Sie wollte Rache! Das Bild ihrer Mutter vor Augen fühlte sie tiefes Bedauern, dass sie ihren Tod nicht rächen konnte.
"Verzeih mir Mutter...", flüsterte sie weinend.

Dastan

Als sie ihre Augen etwas öffneten, legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. Erleichterung machte sich in Dastan breit. Erleichtert, dass sie es überlebt hatte und die Augen wieder öffnete. Ermuntert durch diese Geste des Lebens tupfte er weiter. Behutsam aus Angst ihr weh zu tun. 

Unbekannte Gefühle breiteten sich in ihm aus. Gefühle die er noch nie verspürt hatte. In seiner Ausbildung als Soldat wurde ihm beigebracht seine Gefühle zu beherrschen, quasi abzuschalten. Dann lasse sich besser kämpfen, sagten man ihm damals. Doch jetzt? Es war fast schon mystisch für ihn. Diese Frau, eine Fremde für ihn, löste Gefühle aus. Dastan verstand die Welt nicht mehr.

Unsicher beobachtete er jede Regung von ihr. Seine Augen schweiften über ihren Körper. Voller Ruß war ihr Gewand. Plötzlich sah er wie ihr Brustkorb zu beben beginnt. Was hat sie? Erschrocken fast schon panisch sah er zu ihr. Unfähig die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Leben auslöschen. Unbeholfen und verängstigt griff er instinktiv nach ihrer Hand. 

"Ganz ruhig. Es ist alles gut, ihr seid in Sicherheit." So gut wie nur möglich versuchte er seinen Soldatenton aus der Stimme zuhalten. Sein Verstand sagt es ihm. 

Was hatte sie nur? Warum diese Anzeichen für Angst? Er wollte doch nichts böses. Gedanken über Gedanken quälten seinen Geist. Er war ein Soldat. Mit einem Befehl seines Herrschers ausgesandt, die Prinzessin wieder an den Hof zu bringen. Doch nun? Alles war anders gekommen. Jetzt war er hier mit einer Frau die er nicht kannte. Und dennoch erinnerte sie ihn an etwas. Von ihr strahlte etwas Bekanntes aus, zugleich mit einem Schleier des Nebels. Es war alles so geheimnisvoll und unbekannt für Dastan. Was wollten ihm seine Gefühle sagen, was vermitteln? Nachdenklich sah er zu ihr und versank kurz in seinen Gedanken.

Zu lange war er schon unterwegs und auf der Suche. Er erinnerte sich noch zu genau daran, was die Leute seines Landes gesprochen hatten. 
"Schande über sie!" hatten einige hinter vorgehaltener Hand geflüstert. "Die arme kleine... was muss sie nur durchmachen, trotz dass sie eine Prinzessin ist!" hatten wiederum andere gesagt, als sie von der Flucht der Prinzessin und ihrer Mutter gehört hatten. 

Er war ein gehorsamer Diener seines Herrschers. Jedoch, je länger seine Suche nach ihr andauerte und je mehr er über Alles nachdachte, desto unsicherer wurde er, ob es rechtens wäre, die Prinzessin zurück an den Hof zu bringen. Wie sie dort ankommen würde, war dem Herrscher egal. Tod oder lebendig. Nur soviel wusste er: würde sie lebendig dort ankommen, würde sie öffentlich gefoltert werden, wenn nicht sogar erhängt oder gar geköpft! 

Bei dem Gedanken zog sich sein versteinertes Herz zusammen, sodass ein Teil des Putzes abzublättern schien, wenn er auch noch an das Gesicht und die Augen der Prinzessin dachte. Sein Herz begann zu rasen und seine Gedanken kreisten sich nur noch um diese graublauen Augen dieser blassen Schönheit, welche er nur für Sekunden gesehen hatte. Auf den Bildern, die er von ihr bei sich hatte, war sie schon eine Schönheit, doch lebendig vor ihm war sie eine Augenweide. Es wurde ihm richtig warm, dass sogar seine Fingerspitzen zu kribbeln begannen und in seinem Bauch sogar sich etwas regte und ihn beinahe kitzelte.

Und nun lag diese junge Frau vor ihm auf seinem Bett, welche er versuchte zu pflegen und die gerade voller Angst ihr Gesicht von ihm abgewendet hatte. Irgendetwas stimmte hier nicht, und er versuchte zu verstehen, was es sein könnte. Diese Frau, voller Russ in ihrem Gesicht und dem Haar, dass man nicht mal mehr erkennen konnte, welche Farbe es eigentlich hatte, erinnerte ihn dennoch an die Prinzessin. Er schüttelte jedoch den Kopf, denn so einen Zufall konnte es nicht geben. Nicht schon wieder!

Beim ersten "Zufall" war er ja so dumm gewesen und hatte zu spät reagiert. Und wollte ihm das Schicksal vielleicht etwas damit sagen? Würde sie ihm so in die Hände fallen? Vor allen Dingen aber beschäftigte ihn eine Frage mehr als alles andere. Was würde er mit ihr tun?

Schicksalhafte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt