36. Kapitel "Abreise"

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36. 

Abreise

Man merkt erst, wie sehr man sich an Menschen gebunden hat, wenn es Zeit wird sich zu verabschieden. Mayada hatte sich so an Gertraude und Walter gewöhnt, dass sie sich ein Leben ohne die Beiden nicht vorstellen konnte. Sie hatte es gewusst, dass sie eines Tages Lörrach wieder verlassen muss, dass es mit einem Krieger ihres Vater sein würde, dem sie auch noch freiwillig folgte, das hätte sie nicht mal im Traum gedacht. So war es nun mal und mit einem Blick auf den großen Mann hinter sich, der sich in angemessenem Abstand hingestellt hatte und wartete, dass Mayada sich verabschiedete, dessen Gegenwart ihr nur allzu Bewusst war, musste sie tief seufzen. Sie wurde von Dastan abgelenkt, als sie von warmen Armen umarmt und gedrückt wurde. Langsam schloss sie die Augen und versuchte die Tränen zurück zu halten, die ihr die Sicht nahmen. Sanft drückte Mayada sich an Gertraude und schniefte leise als sie ihr ein Danke ins Ohr flüsterte. Zu mehr war sie nicht im Stande, denn würde sie versuchen lauter zu sprechen, würde ihre Stimme sicher brechen. Sie wollte nicht, dass Gertraude und Walter sich sorgten, auch wenn sie über die Schulter Gertraudes die dunklen Blicke Walters sehen konnte, welcher Dastan argwöhnisch anschaute. Ein trauriges Lächeln lag auf Mayadas Gesicht, als sie sich gewahr wurde, dass sie im Walter so etwas wie einen Vater gefunden hatte, den sie in ihrem leiblichen Vater nie gesehen, sich aber so sehr gewünscht hatte. Nachdem Gertraude sich verabschiedet hatte, wandte sich Mayada an Walter. Sie stellte sich vor ihn und schaute dem ergrauten Mann in die Augen.

"Komm her, Kleine.", sagte Walter mit belegter Stimme und zog sie in seine Arme. Liebevoll strich er über ihre Haare und murmelte "Pass auf dich auf, und lass dich nicht unterkriegen. Du bist stark, das weiß ich. Hau ihm eins auf die Nase, wenn es sein muss."

Mit einem schniefenden Lachen löste sich Mayada von Walter, trat einige Schritte zurück und lächelte beiden zu. 

"Ich werde Euch nie vergessen. Danke für Alles."

Dastan hinter ihr, zog sich auf das von ihm bereitgestellte Pferd hoch und wartete. Er hatte sich bereits kurz und knapp, und nach etlichen Warnungen und sogar Drohungen Seitens Walter, verabschiedet. 

Nachdem Mayada sich umdrehte, und die Hand Dastans ergriff, der sie auf das Pferd vor sich zog, winkte sie Walter und Gertraude noch einmal, ehe Dastan das Pferd aus der Stadt lenkte. Ein Abschied für immer? Das konnte und wollte Mayada nicht glauben, denn bekanntlich sah man sich immer zweimal im Leben. 

Sie ritten nicht in Eile durch die Felder und Wälder, denn Dastan wollte das Pferd nicht ermüden, da es zwei Reiter tragen musste. Er kannte sich nicht so gut aus, konnte sich jedoch anhand der Sonne orientieren. Die Sonne in seinem Rücken folgte er der Straße Richtung Süden, wo sie in eingen Tagen, so hoffte er, das Meer erreichen würden und dann mit einem Schiff weiterreisen.

Dastan versuchte seine Konzentration auf die Wege vor sich zu richten, denn die Nähe Mayadas und der weibliche Duft ihrer Haare direkt unter seiner Nase, benebelten seine Sinne. Er hatte einen Arm um Mayadas Bauch gelegt und mit der anderen führte er das Pferd. Ihm war aufgefallen, dass Mayada versuchte, sich nicht an ihn zu lehnen und soviel Abstand wie möglich zwischen sich und ihm zu bringen. Er schmunzelte, denn er konnte ihre Wärme spüren und ein innerer Frieden erfüllte ihn, alles nur, weil er sie vor sich in seinen Armen hatte. Synchron bewegten sie sich mit den Bewegungen des Pferdes und brachten so immer mehr Abstand zwischen sich und Lörrach. 

Mayada wurde immer müder und ihr stetiger Kampf, nicht zu nah an Dastan zu kommen, ließen ihre Glieder schmerzen, da sie sich so versteifte. Inzwischen waren mehrere Stunden vergangen, in denen Mayada sich auf ihre Umgebung konzentrierte, da die Wärme Dastans in ihrem Rücken ihr ein dauerndes Kribbeln bescherte. Wie gern würde sie sich an ihn lehnen, doch ihr Argwohn und Stolz verboten es ihr. Sie durfte sich nicht verlieren und sollte sich darauf konzentrieren, was vor ihr lag. Es war aber sehr schwer für sie, den Mann hinter sich zu vergessen, der wie selbstverständlich seinen Arm um ihren Bauch gelegt hatte. Da sie nicht wusste, wohin mit ihren Händen, hatte sie sich an seinen Arm an ihrem Bauch geklammert und hatte so den nötigen Halt.

Schicksalhafte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt