18. Kapitel

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18.

Dastan

Voller Sorge ging er auf die Knie vor ihr. Ein gelernter Mediziner war er nicht, aber dennoch schweiften seine Augen über den zierlichen Körper der Prinzessin. Sichtbare Verletzungen konnte er nicht erkennen und seine Augen richteten sich hinauf zum Baum, denn es war eine beachtliche Höhe. Wieder sank sein Kopf und er sah zu der Prinzessin. Seine Hand hob sich, streckte nach dem Kopf der Prinzessin, doch er zögerte. Sollte er sie wirklich am Kopfe anfassen? Würde sie es nicht gleich missverstehen?

Es wäre nur Freundlichkeit, doch er ließ es lieber sein. Zu riskant war es ihm, dass sie wieder weg lief, nur weil sie die Geste missverstand.

Einen Moment verharrte er in der Haltung und konnte den Blick nicht von ihrem Gesicht lösen, wie als würde er sich in ihrer Schönheit verlieren. Ihre Augen hatten eine besondere Wirkung auf den Soldaten, sie waren so völlig anders, als er es von den Frauen seines Landes gewöhnt war. Der sonst so harte und gefühlslose Krieger konnte bei diesen Augen nicht mit Kaltherzigkeit antworten. Wie sollte er auch, wenn jede Faser seines Körpers zu kribbeln begann und die Nervenenden zu vibrieren schienen? Es lief ihm kalt den Rücken hinab und er musste sich für einen Augenblick tatsächlich fragen, ob diese Frau ihn vielleicht sogar verhexte. Trotz der Verschmutzungen in ihrem Gesicht und dem Nachtgewand hatte sie eine Ausstrahlung auf ihn wie als würde sie sauber in ihrer vollen Schönheit vor ihm stehen und sein Herz verzaubern. 

Anders wären seine Reaktionen nicht zu erklären. Seine Besorgnis, seine Fürsorge um das Wohl der Prinzessin waren sicherlich der Grund für seine Symptome. Dieses Gefühl kannte er nämlich nicht, und es war momentan einfacher, alles auf die Sorge zu schieben, als sich den Kopf zu zerbrechen. Dastan konnte seinen Blick nicht von ihren Augen lösen, denn es war so, als würde die Sonne sein Herz erwärmen. Doch so schnell dieses Gefühl auch kam, so schnell wurde er wieder zurück gerissen als sie ihre Augen schloss und sich abwandte. Dastan musste genau hin hören um ihr Gemurmel zu verstehen.

"Schnell vorbei sein?" Fragte er leise.

Es wurde ihm schnell bewusst was sie meinte, und ein kleines Schmunzeln konnte er sich abermals nicht verkneifen.

"Ich werde nichts dergleichen tun. Ich versprach vorhin, dass ich Euch nichts antun werde, sofern Ihr vom Baum kommt. Nun seit Ihr hinab gekommen, auf eine andere Art und Weise."

Langsam stand er auf und hielt seine Hand ihr entgegen. Ruhig und freundlich sprach er.

"Darf ich Euch aufhelfen?"

Insgeheim freute er sich bereits jetzt, falls sie seine Hand ergreifen würde, denn alles in seinem Inneren sehnte sich nach der Wärme dieser Frau. Wieder ein Gefühl, welches er nicht begreifen wollte, und verbannte es mit einem Seufzen, während er immer noch seine Hand ihr entgegen hielt.  Wie er sich danach verhalten sollte, war noch völlig offen, da sein Gehirn nur noch Raum für die Frau vor ihm zu haben schien. Zu oft hatte er mittlerweile nicht wie ein Soldat reagiert, und dies wiederum machte ihm Sorgen. 

Mayada

Zittrig atmete Maya ein und traute ihren Ohren kaum als sie seine tiefe Stimme vernahm. Sachte schüttelte sie ihren Kopf um ihre Verwirrung los zu werden und sah wieder zu ihm. Sie bemerkte seine Hand und schaute ihm nochmal in die braunen Augen. Es kam ihr vor als würde sie in den tiefen Braunen versinken. Ihr Herz schlug nun schneller als sie wieder auf seine Hand schaute um dann wieder in seine Augen zu sehen. Sie versuchte abzuwägen, ob er die Wahrheit sprach, konnte aber aufgrund der Dunkelheit kaum eine Gefühlsregung auf seinem Gesicht erkennen. Es war eine verdammt verzwickte Situation und es wurde nun Zeit, dass sie sich dem Löwen vor ihr entgegenstellte. Daher entschied sie ohne lange weiter zu überlegen und ergriff seine Hand und ließ sich hochziehen.

'Das Schicksal tragen, heißt es besiegen.' Und sie hatte vor, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um sich ihrem Schicksal entgegen zu stellen. Jedoch würde sie ihre Rache bekommen. Komme was wolle! Sie hatte es am Grab ihrer Mutter geschworen und sie war fest entschlossen, sich an ihren Schwur zu halten.

Schwankend stand sie nun vor ihm und wurde sich der Größe des Mannes vor ihr zum ersten Mal richtig bewusst. Er strahlte eine Hitze und Stärke aus, die sie zum Einen einlullten und zum Anderen zum Erschaudern brachten. Ein Schwindel ergriff sie und es wurde ihr schwarz vor Augen als sie sich gerade bedanken wollte. Hilflos lehnte sie sich mit gesenktem Kopf unbewusst an seine Brust um nicht wieder auf dem Boden zu landen. Die ganzen Strapazen der Flucht, des Feuers und der erneuten Flucht, zuzüglich ihrer Kletterei an Bäumen, hatten sie nicht nur zu Höchstleistungen angetrieben, sondern auch all ihre Kraft ausgezehrt. Wo sie sich geschworen hatte bis zum Tode zu kämpfen wenn sie einem Soldaten begegnen sollte, lehnte sie nun an dessen Brust und versuchte bei Bewusstsein zu bleiben. Wollte das Schicksal sie verhöhnen oder hatte es anderes geplant?

Dastan

Mit seinen Händen hielt er sie stützend fest, als sie endlich vor ihm stand. 

"Geht es wieder?" Sprach er leise und blickte ihr dabei tief in die Augen. Als sie sich sodann an seine Brust lehnte, schloss er unbewusst die Arme schützend um sie und ein unbeschreibliches und ungewohntes Gefühl erfüllte seinen Körper. Für einen Moment, fühlte er sich wie ein einfacher Mann, der einer Frau Schutz bot, andererseits jedoch, fing er auch an dieses Gefühl, ihre zierliche Gestalt in seinen Armen zu halten, zu genießen. Dastan konnte es nicht klar definieren. Wärme, Kribbeln und zugleich Verzweiflung spürte er, denn wie sollte er sie jetzt noch an den Hof des Sultans bringen, wenn ein Teil in ihm nichts anderes wollte, als für Ewigkeiten mit ihr in dieser Umarmung zu verweilen?

Die Gefühle, welche über ihm einbrachen, waren einfach zu viel. Alles auf einnmal und doch undeutlicher denn je. Sanft begann er über ihren Rücken zu streicheln und lehnte seinen Kopf gegen den ihren, während sein Herzschlag bereits viel zu schnell ging. Wieder waren seine Gedanken bei der Frau in seinen Armen, denn sie wirkte schlapp und ermüdet. Doch bei ihm selber konnte sich kein anderes Gefühl als die derzeitigen durchsetzen, welche ihn zu sehr verwirrten. 

Nachdenklich versuchte Dastan alles zu ordnen, doch der Drang es auszukosten stieg in ihm empor.

"Prinzessin..." wisperte er leise. Mehr kam ihm nicht über die Lippen.

Wie sollte es nun weiter gehen? Die Worte seines Herrschers hallten ihm noch durch das Gedächtnis.

Die Gehorsamspflicht kämpfte mit dem Gewissen. Dastan wusste nicht mehr ein noch aus. Nur sie, die Prinzessin war die zentrale Rolle. Doch wie sollte er nun handeln? Was sollte er tun? 

Was wäre das Richtige und was das Falsche? Viele Fragen die einer Entscheidung bedürfen, doch keine Antwort war in Sicht.

Schicksalhafte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt