28.
Walter und Gertraude
Endlich waren sie wieder Zuhause, denn länger hätte es Gertraude mit ihrem Mann, in seiner jetzigen Verfassung, sicher nicht mehr ertragen. Er trieb sie immer wieder so zur Eile, weil er so voller Sorge war, dass sie sogar fast gefallen wäre. Zum Glück hatte sie sich jedoch fangen können und ihm einen wütenden Blick zugeworfen, welcher ihn zumindest für einige Minuten verstummen lassen hatte. Lange konnte sie sich über die Stille nicht freuen, denn wieder trieb er sie dazu, schneller zu gehen. Zwischenzeitlich war er sogar einige Schritte vorgelaufen und hatte immer wieder zurück geblickt, während sie versucht hatte, nicht über ihre eigenen Füße zu stolpern.
Sie zog den Mantel aus und entdeckte Dastan an den Treppen, wie er sie gerade hinabstieg. Die Lippen zusammengepresst musterte sie ihn kurz und sah dann zu Walter. Ihr Blick zeigte ihm überdeutlich, was sie dachte und Walter kannte sie zu gut, sodass er sie auch ohne Worte verstehen konnte. Er nickte ihr entschuldigend zu und das wiederum verstand Gertraude ohne Worte. Den Kopf schüttelnd ging sie mit dem kleinen Beutel voller Kräuter in die Küche um sich sofort an die Arbeit zu machen.
Die Kräuterfrau hatte ihr zwei Beutel gegeben. Eines würde gegen das Fieber helfen, das andere müsste sie als Paste auf die Wunde streichen. Sie kochte einen Tee mit dem fiebersenkenden Kraut und begann, während der Tee zog, die anderen Kräuter zu zerstampfen, so wie es ihr die Kräuterfrau angeordnet hatte. Ihren Mann hatte sie in der Schänke stehen lassen und hoffte auf seine Vernunft und Geduld, sodass er keinen Streit vom Zaun brach. Für sie war jetzt Mayadas Genesen die höchste Priorität und dementsprechend hielt sie sich mit ihren Gedanken bedeckt. Denn, sobald Mayada genesen würde, hätten sie die Zeit über all das Geschehene zu sprechen.
Walter indessen hatte seiner Frau hinterhergeschaut und war dann am Soldaten vorbei die Treppen hochgestiegen, um nach Mayada zu schauen. Er konnte nicht verstehen, wie seine Frau diesem Fremdling über den Weg trauen konnte. Frauen hätten für so etwas einen siebten Sinn, hatte sie ihm unterwegs immer wieder beteuert. Pah! Weibliche Intiution! Dass Walter nicht lachte, war nur wegen dem Respekt, welches er seiner geliebten Ehefrau entgegenbrachte, möglich. Leise betrat er das Zimmer und fühlte sanft über Mayadas Stirn. Sie war sehr heiß und er spannte sein Kiefer an vor Sorge. Er konnte jetzt nichts weiter tun, als darauf zu warten, dass seine Frau endlich mit dem Trank für sie kam, welches ihr hoffentlich helfen würde.
Wieder stieg er die Treppen hinab und zapfte zwei Biere. Mit grimmigem Blick musterte er den Soldaten, welcher an einem der Tische saß, gedankenverloren und die Arme vor der Brust verschränkt, nach draußen starrte. Er durchbrach seine Gedanken, als er ihm den Krug mit Bier auf den Tisch stellte um sich dann ihm gegenüber zu setzen. Sein eigener Krug stand vor ihm und er schaute erst auf den Schaum und drehte seinen Krug hin und her, während er überlegte, wo er mit seinen Fragen anfangen sollte. Am einfachsten wäre vom Grunde auf anzufangen. Er vernahm eine Bewegung des Soldaten und sah dann, wie der Krug weggeschoben wurde. Die Brauen zusammengezogen schaute Walter in die Augen des Soldaten und blähte sich wie ein angriffswütiger Hahn auf.
"Gefällt dir mein Bier nicht?!", spuckte er förmlich aus und war kurz davor, den Soldaten anzuspringen, sollte er falsch antworten.
"Ich trinke keinen Alkohol.", entgegnete ihm Dastan und nahm ihm so den Wind von den Segeln. Seine Wut verrauchte so schnell, wie einem Ballon die Luft und er nickte ohne seinen grimmigen Ausdruck abzulegen. Nun denn, dann sollte es so sein. Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Krug und stützte die Arme auf dem Tisch ab. Abwartend schaute er Dastan an. Vielleicht würde er von alleine anfangen zu reden. Dieser jedoch schien wieder in Gedanken versunken zu sein, denn er schaute auf die Tischplatte und sah nicht so aus, als würde er ohne Drängen anfangen zu erzählen.
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Schicksalhafte Rache
Historical FictionMayada Eine junge Frau in der Blüte ihres Lebens. Auf der Flucht vor ihrem Vater, dem sie so eine große Schande bereitet hat, dass er sie tot sehen will. Schwere Schicksalsschläge hat sie zu verkraften,  und das in einer Zeit, wo di...