"Du! Mitkommen! Sofort!"Perplex starrte ich meine beste Freundin an. Was war das denn für eine Begrüßung?
Wie jeden Morgen hatte ich meiner Stiefmutter Frühstück gemacht, es dank Arabellas Übernachtung bei Estelle auch geschafft, mich selbst fertig zu machen und war anschließend zur Schule getrottet.
Dort hatte mich Kayla, wie immer, an den Schließfächern empfangen und mit eben diesen Worten begrüßt.
Doch bevor ich lange über ihre ungewohnte Schärfe nachdenken konnte, hatt sie mich auch schon am Arm gepackt und einmal durch den Gang zum Mädchenklo geschleift. Ernsthaft? Die Toiletten? Gab es keinen passenderen Ort, um ein anscheinend geheimes Vier-Augen-Gespräch zu führen?
Kayla hatte mit ihrer Umgebung anscheinend kein Problem, denn nachdem sie kontrolliert hatte, ob wir auch wirklich alleine waren (jap, das waren wir definitiv), sah sie mich ernst an.
Hilfe! Was kam denn jetzt?
"Du hast gesagt, du brauchst meine Hilfe - hier ist sie", verkündete meine beste Freundin. Ich starrte sie verwirrt an.
"Süße - jetzt tu nicht so überrascht", meinte sie, "ich hab gesehen, was da zwischen euch läuft."
Bitte was? Wovon sprach sie? In meinem Gesicht stand ein riesiges Fragezeichen.
"Na, Kingsley konnte seinen Blick gestern überhaupt nicht von dir lösen! Dass er was von dir will ist ja wohl mehr als offensichtlich", erklärte Kayla. "Und ich kenne dich einfach zu gut, um nicht zu merken, dass du ihn genauso süß findest, wie er dich!"
Noch immer brachte ich kein Wort heraus, aber immerhin zeigte ich eine Reaktion: "Äh?"
Kayla grinste mich herausfordernd an, was nichts Gutes bedeuten konnte. Sie hatte irgendetwas ausgeheckt und war drauf und dran, ihren Plan in die Tat umzusetzten. Oh nein, Kayla! Was hattest du nur vor?
"Schritt Nummer eins: Aufmerksamkeit. Er muss dich bemerken und sobald er das tut, kann er gar nicht anders, als sich in dich zu verlieben. Naja, okay, es gibt auch noch zwei bis vier, aber egal."
Das klang mal wieder ganz nach einem Masterplan à la Kayla. Ich seufzte, doch ich widersprach nicht. Es würde ohnehin nichts nützen.
"Na schön, was soll ich machen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe?", fragte ich seufzend.
Erst ein paar Sekunden, nachdem ich die Frage ausgesprochen hatte, kam sie wirklich in meinem Kopf an. Oder viel mehr in meinem Herzen. Es beschleunigte seinen Rhythmus, kaum dass ich an McTrayers dachte. Seine tiefen braunen Augen erschienen vor mir und blickten mich aufmerksam an.
"Geh auf ihn zu, sprich ihn an - was man eben so macht, um sich mit jemandem anzufreunden."
"Ich denke, der erste Punkt auf deiner Liste war 'Aufmerksamkeit' ?"
Um ehrlich zu sein hielt ich nicht viel von Kaylas Plan. Einerseits ging ich nicht davon aus, dass er wirklich aufging - denn wie um alles in der Welt sollte man einen umwerfenden Charmeur aus der Königsklasse dazu bringen, sich in ein durchschnittliches, unauffälliges Mädchen zu verlieben, welchem er eigentlich nur Befehle erteilen sollte (so schätzte ich selbst meine Situation zumindest ein).
Andererseits sträubte sich alles in mir, den Rat meiner besten Freundin zu befolgen, da ich einfach nicht wusste, was ich zu McTrayers sagen sollte. Schon allein, wenn ich mir nur vorstellte, dass wir uns unterhalten könnten, schnellte mein Puls in die Höhe und meine Handflächen fingen an zu schwitzen. Wie sollte es mir dann gehen, wenn wir es tatsächlich taten?
"Ach, vergiss den Plan!", warf Kayla ein und zerknüllte ein Blatt Papier, welches sie aus ihrer Jackentasche gezogen hatte. Nachdem sie es in den Mülleimer entsorgt hatte, verließen wir die Mädchentoiletten.
"Ich versteh diesen Typ einfach nicht", murmelte Kayla, während wir uns zwischen den ganzen 'Kleinen' hindurch den Gang entlang schlängelten.
"Wen meinst du?", fragte ich und ärgerte mich nebenbei, dass der Neuntklässler, der nebenbei bemerkt fast zwei Köpfe größer war, als ich, offenbar nicht den Anstand besaß, sich zu entschuldigen, obwohl er mich beinahe umgerannt hatte.
"Kingsley McTrayers", sagte Kayla, etwa so verblüfft, als hätte ich sie gefragt, in welchen Land sich Washington D.C. befand. Meine beste Freundin deutete auf zwei Personen, die an einem der grauen Schließfächer nicht weit von uns standen.
"Ich hab wirklich gedacht, dass er auf dich steht. Sein Blick war so offensichtlich!"
Ich hörte Kayla gar nicht mehr richtig zu wie sie weiter über ihre anscheinend falsche Schlussfolgerung philosophierte, denn ich war vollkommen fixiert auf das Bild, welches sich mir bot.
McTrayers war mit dem Rücken an die Metalltüren der Schließfächer gedrückt, während er seine Hände an die Hüfte desselben Mädchens gelegt hatte, in dessen Haaren sich sein Gesicht vergrub. Estelle schien diesen engen Körperkontakt durchaus zu genießen, denn sie hatte ihre Augen geschlossen und ein zufriedenes Lächeln lag auf ihren Lippen.
Ich konnte es kaum fassen - hatte sie ihn wirklich so schnell erobert? Sofort spürte ich einen kleinen Stich in meiner Brust, doch ich versuchte, ihn zu ignorieren. Schließlich ging es mich nichts an, was McTrayers wann mit wem machte. Wir waren ja nicht einmal Freunde oder so.
Womöglich belog ich mich damit selbst, doch ich erklärte mein unangebrachtes Interesse an McTrayers Liebesleben mit Überraschung. Denn eigentlich hatte ich McTrayers nicht so eingeschätzt, als würde er sich sofort auf das erstbeste Mädchen einlassen, das ihm an den Hals sprang, aber offensichtlich hatte ich mich getäuscht.Ich wollte meinen Blick, gerade wieder abwenden, als McTrayers seinen Kopf hob. Als hätte er gemerkt, dass ich ihn betrachtet hatte. Seine Augen fanden meine sofort und unsere Blicke verhakten sich. Sein warmes Braun traf auf mein funkelndes Grün. Die elektrisierende Spannung, die möglicherweise nur ich fühlen konnte, stellte die Härchen auf meinen Armen, in meinem Nacken - an meinem gesamten Körper auf. Wieder kam es mir vor, als würde die Zeit stehen bleiben. Ich nahm nichts wahr, nur diese sanften braunen Augen. Alle Umrisse begannen zu verschwimmen und ich blinzelte, um wieder klar sehen zu können. Doch der Moment, in dem meine Augen geschlossen waren, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, tat in meinem Herzen weh. Ich konnte meinen Blick nicht von McTrayers lösen, selbst wenn ich gewollt hätte.
Doch plötzlich sah ich nicht mehr dieses durchdringende Braun vor mir, sondern eine blondierte Mähne, die unechter war, als Gucci aus China.
Estelle hatte sich zwischen uns gedrängt und ich kam schlagartig wieder in der Realität an. Die Möchtegern Queen of Calabasas High bekam natürlich was sie wollte. Egal, ob es dabei um gute Noten, neue Kleider oder um einen Jungen ging - da konnte sie niemand aufhalten.
Wieder spürte ich diesen Stich in meinem Herzen und ich drehte mich, teils wütend auf mich selbst, teils auf Estelle, auf dem Absatz um und brachte Abstand zwischen uns.
Ich versuchte, nicht mehr an McTrayers zu denken, doch immer wieder schob sich mir dieses Bild vor Augen - Estelle und McTrayers in einer engen Umarmung. Und jedesmal, wenn ich daran erinnert wurde, fühlte es sich an, als würde ein winziges Stück von meinem Herzen abgezupft werden.Kayla hatte Recht gehabt - ich fand McTrayers anziehender, als ich zugeben wollte. Doch er war offensichtlich nicht an mir interessiert.
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When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella Story
Teen Fiction*Auf der Longlist der Wattys 2018!!* Joanne Rickman hat es nicht leicht. Sie wächst bei ihrer unliebsamen Stiefmutter und ihrer verzogenen Stiefschwester auf, hat wenige Freunde und träumt von ihrem eigenen Leben. Doch dann trifft sie auf Kingsley M...