Kapitel 30

2.6K 101 18
                                    

Kayla war mal wieder meine Rettung in letzter Sekunde. Kaum hatte sie mir den Zahnpflegekaugummi in die Hand gedrückt, schlenderte McTrayers mit einem leichten Lächeln auf den Lippen um die Ecke.

Schnell steckte ich mir den Kaugummi in den Mund, fuhr mir einmal nervös über die Haare, schob meine Brille zurecht und widmete mich dann mit klopfendem Herzen und zitternden Händen meinem Spind.

"Dein Lover kommt", trällerte Kayla, als ich gerade den höchst faszinierenden Umschlag meines Englischbuches betrachtete. Als hätte ich seine Anwesenheit nicht schon längst bemerkt. Die Atmosphäre hatte sich schlagartig geändert, als McTrayers ins Bild getreten war. Die Luft war wie elektrisiert und mein Herz geriet ins Straucheln.

"Ich muss ganz dringend weg", flüsterte meine beste Freundin mir verschwörerisch zu. Panisch guckte ich sie an. Sie konnte mich doch jetzt nicht im Stich lassen! Was, wenn ich mich vor McTrayers vollkommen blamierte? Doch ausnahmsweise schien die wortlose Kommunikation zwischen Kayla und mir nicht zu funktionieren - oder wollte sie meinen flehenden Blick etwa nicht richtig verstehen?

Kaum war Kayla einige Schritte entfernt, stand er vor mir. Das wusste ich auch ohne ihn anzusehen - denn mein Blick haftete erneut auf dem Buchumschlag.

"Hi." Ein einziges Wort von ihm verursachte bei mir bereits eine Gänsehaut am gesamten Körper und jetzt kam ich leider nicht mehr umhin, mich zu McTrayers umzudrehen. Ich lächelte zaghaft, erwiderte jedoch nichts. Außer einem unkontrollierten Quietschen hätte ich vermutlich sowieso nicht viel herausgebracht.

"Was hast du jetzt?", wollte er schließlich wissen, nachdem wir uns ein paar Sekunden stumm angestarrt hatten. Er schien genauso wenig zu wissen, worüber er mit mir reden sollte - und das, obwohl wir seit gestern beinahe pausenlos per Textnachricht kommunizierten. Doch diese Person, die einem das Herz durch ihre bloße Anwesenheit schneller schlagen ließ, dann direkt vor sich zu haben, war doch noch einmal etwas ganz anderes. Zumindest war das der Grund, der mich daran hinderte, einfach drauf los zu plappern.

"Englisch", murmelte ich und hob das Buch kurz in seine Richtung. Dann blieben wir wieder stumm. Mann, war das peinlich!

Ich überlegte krampfhaft, was ich sagen könnte, um die unangenehme Stille zu brechen, doch mir fiel einfach nichts ein. Ich war viel zu abgelenkt davon, mich aufs Atmen zu konzentrieren. In McTrayers' Gegenwart fiel mir das seltsamerweise oftmals schwer.

Mein Blick huschte unruhig hin und her und ich versuchte, mein Gegenüber anzusehen, ohne zu starren. Warum war es plötzlich so schwierig, in seine funkelnden braunen Augen zu blicken, ohne davon eingesaugt zu werden?

Bei Kayla passierte mir das nie, obwohl sie auch braune Augen hatte. Ihre waren allerdings eher dunkelbraun, während McTrayers' Augen in Richtung Goldbraun gingen. Oder lag das nur am Neon-Licht?

Schließlich brach McTrayers mit einem Räuspern das Schweigen, welches bestimmt nur wenige Sekunden angehalten hatte, obwohl es mir wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen war.

"Sag mal", meinte er und richtete seinen Blick unsicher auf den Boden. Ich musste leicht schmunzeln - McTrayers, der King von Calabasas High, war tatsächlich schüchtern!

"Hast du morgen schon was vor?" Abwartend schaute er mich an, während ich noch damit beschäftigt war, die Frage in mein Gehirn umzuleiten.

Morgen. Morgen war Samstag, also keine Schule - aber Pixel Paradise. Konnte ich Logan absagen? Das wäre schon der zweite Tag in einer Woche, an dem ich ausfiel. Schließlich hatte Rebecca mir letzten Mittwoch die Schicht verboten, nachdem ich Bella krank alleine zuhause gelassen hatte.

Doch Logan wäre vermutlich wütender auf mich, wenn ich die Sache mit McTrayers nochmal vermasselte, als wenn ich ihn im Pixel Paradise allein ließ. Seine Andeutungen gestern Nachmittag waren mir nicht entgangen und ich vermutete stark, dass Kayla ihre Finger mit im Spiel hatte.

When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt