Kapitel 41

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"Überraschung", grinste Arabella mich breit an. Sie sah noch ganz genauso aus, wie vorhin. Ihre Haare hingen glatt herunter, ihr Gesicht war zwar von einer (oder sogar mehreren) Schichten Make-up bedeckt, doch es war ganz sicher nicht das Endergebnis für den Prom. Außerdem trug sie eine schwarze Skinny Jeans und ein hellblaues Crop Top, was sie sicherlich noch gegen ein Kleid eintauschen würde.

Hatte sie nicht gesagt, sie würde sich bei Estelle fertig machen? Mich hatte diese Aussage zwar gewundert, doch ich wäre nie davon ausgegangen, dass Bella tatsächlich so unbeschwert ihrer Mum ins Gesicht lügen konnte. Denn das hatte sie ganz offensichtlich getan. Estelle war nämlich keine der drei Personen, die meine Stiefschwester mitgebracht hatte.

Zum Glück! Die, die nämlich stattdessen auf der Türschwelle standen, waren mir tausend Mal lieber!

"Was macht ihr hier?", fragte ich vollkommen perplex, als meine Stiefschwester sich, um ihr Gleichgewicht zu behalten, an meiner Schulter abstützte, während sie sich aus ihren Markenschuhen schälte.

"Na, dir helfen, natürlich", lachte sie. "Manchmal bist du echt ein bisschen schwer von Begriff."

Mein Blick musste Bände sprechen, denn Arabella grinste mich amüsiert an, ganz genauso wie das Mädchen hinter ihr.

"Wir beide", sagte sie und deutete dabei auf sich und meine Stiefschwester, "werden uns mit dir für den Ball hübsch machen und die beiden Jungs übernehmen deine Aufgaben von Rebecca."

Was? Aber – wieso sollten sie das tun? Ich meine, dass Kayla mir als meine beste Freundin helfen wollte verstand ich ja noch irgendwie. Dass Arabella ebenso ihre Hilfe anbot war zwar noch ungewohnt, doch in den letzten Tagen immer öfter vorgekommen. Doch was machten McTrayers und Logan hier?

Logan war zwar mehr oder weniger mein Ersatzvater, aber er war bisher noch kein einziges Mal in diesem Haus gewesen. Wir hatten uns bisher immer nur und auschschließlich im Pixel Paradise getroffen und ich war bisher nicht einmal sicher gewesen, ob Arabella von ihm überhaupt gewusst hatte.

Und McTrayers? Ich hatte zwar gehofft, dass er mir meinen überstürzten Ausbruch bei unserem letzten Treffen verzeihen würde, doch ich hätte es nie im Leben erwartet, dass er zu mir nach Hause kommen würde, um mir tatkräftig zur Seite zu stehen.

"Aber...", fing ich an zu protestieren, doch Logan schnitt mir das Wort ab.

"Du hast es sowas von verdient, auch mal einen Abend Spaß zu haben, meine Süße", brummte er. "Geh dich umziehen und versuch gar nicht erst, dich zu wehren. Gegen die beiden hast du ohnehin keine Chance."

Unwillkürlich musste ich lachen. Arabella und Kayla waren beide extreme Sturköpfe. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatten, dann würde es auch so geschehen. Wie sollte das bloß enden, wenn sie sich, genau wie jetzt, verbündet hatten und auf das gleiche Ziel hinaus zusammen arbeiteten?

"Na siehst du?", grinste Kayla und packte mich am Arm. Ich bewegte mich aber noch immer keinen Schritt vorwärts.

"Ist das wirklich okay für euch? Ich meine, ich muss ja nicht unbedingt zu diesem Ball. Das ist schon okay. Ihr solltet mich einfach hier lassen und alleine auf den Prom gehen. Ihr gehört da doch viel eher hin als ich."

"Kommt gar nicht in Frage", protestierte McTrayers. "Du hast schlichtweg keine Wahl. Ob du willst oder nicht - du musst mitkommen. Ohne dich wäre dieser Abend nämlich nicht halb so schön."

McTrayers braune Augen funkelten mich abenteuerlustig an. Meinte er das etwa ernst? Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte, also ließ ich mich einfach von Kayla mitziehen. Kurz bevor wir die Treppen nach oben verschwunden waren, drehte ich mich noch einmal um und rief den beiden ein "Danke" zu. Nur ein einziges Wort und doch steckte so viel Gefühl darin.

"Gut", meinte Bella ernst, "dann springst du jetzt schnell unter die Dusche und rasieren nicht vergessen. Wir beide machen uns in der Zeit fertig. Dann ziehst du dich an, Kay macht deine Haare und ich dein Make-Up und wenn wir uns beeilen, könnten wir gerade noch halbwegs pünktlich fertig werden."

Bella ließ mir keine Zeit, über den Spitznamen nachzudenken, den sie meiner besten Freundin verpasst hatte. Erst als ich unter der Dusche stand und das warme Wasser an meinem verschwitzten Körper hinab floss, kam alles in meinem Kopf an.

Ich versuchte den seltsamen Mix aus Verwirrung, Überraschung und dem leichten Anflug an Eifersucht zu ignorieren. Hatte ich in der letzten Woche wirklich so viel verpasst?

McTrayers und Kayla schienen sich plötzlich blendend zu verstehen und Bella wirkte mit meiner besten Freundin so vertraut, als wären sie schon Jahre befreundet. Eigentlich waren das doch alles (zumindest mehr oder weniger) meine Freunde. Ich sollte mich freuen, dass sie so gut miteinander auskamen. Also wieso hatte ich plötzlich das Gefühl, ein vollkommener Außenseiter zu sein?

Ich versuchte, meine Gedanken zu verjagen und rubbelte mit dem Handtuch kräftig durch meine roten Zotteln. Es half leider nicht viel. Doch Bella, die wenige Sekunden später in das Badzimmer platzte, lenkte mich von jeglicher Eifersucht ab.

"Oh Gott! Schon so spät! Das schaffen wir nie", stöhnte Bella, als ich ihr in das riesige Ankleidezimmer folgte, wo Kayla bereirs auf uns wartete. Es war ein komisches Gefühl, diesen Raum ohne Staubsauger, Wischlappen oder einem Wäschekorb zu betreten. Diesmal kam ich zum aller ersten Mal nicht zum Arbeiten. Seltsamerweise war mir das fast ein wenig peinlich. Ich sollte wirklich nicht hier sein - was wollte ich hier überhaupt? Bellas Klamotten passten mir niemals. Sie war einfach größer und dünner als ich, hatte mehr Oberweite, einen wunderschönen runden, knackigen Po und elendig lande Beine. Kurz gesagt - ein perfektes Model.

Ich hingegen fiel mit meinen kleinen A-Körbchen, dem quasi nicht existenten Po und dem insgesamt zu kurz geratenen Körper nicht gerade in diese Kategorie.

Doch in meinen Kleiderschrank würde sich genauso wenig finden, was ich auf den Schulbank anziehen konnte. Ich besaß schlichtweg keine Abendgarderobe.

"Ich hab gar kein Kleid", äußerte ich meine Gedanken meiner Stiefschwester und meiner besten Freundin, die seltsamerweise genau die gleiche Reaktion zeigten - ein Schmunzeln. Ich wusste selbst, dass dieser Satz eher selten aus meinem Mund zu hören war, doch diese Ähnlichkeit überraschte mich doch ein wenig.

"Doch, hast du", widersprach Kayla, während Arabella ein etwa knielanges, schlichtes und doch wunderschönes türkisfarbenes Kleid aus dem Schrank holte und vor mich hielt.

"Was ist das?" Das konnte unmöglich mein Kleid sein! Ich hatte das schließlich nie gekauft und es war sicherlich viel zu teuer, um es als Geschenk zu erhalten. War es eine Leihgabe von Bella? Allerdings konnte ich mich nicht daran erinnern, dieses wundervolle Abendkleid jemals an ihr gesehen zu haben - das musste wiederum nichts heißen. Ich war mir sicher, dass es viele Kleidungsstücke im Schrank meiner Stiefschwester gab, welche sie niemals anzog.

"Dein Ballkleid", meinte Kayla, beinahe so als läge das doch auf der Hand. "Kingsley meinte, du hättest keines, also hab ich mal eben eins besorgt. Ich hoffe es gefällt dir."

Meine beste Freundin wirkte fast ein wenig schüchtern. Sie war sonst nie unsicher - Kayla war die extrovertierteste Person, die ich kannte. Doch das war es nicht einmal, was mich dermaßen aus der Fassung brachte. Kingsley soll ihr gesagt haben, dass ich kein Kleid hatte? Woher hatte er das überhaupt gewusst? Und wieso verspürte ich dieses seltsame Ziehen in meinem Herzen, wenn ich mir vorstellte, wie er in der letzten Woche mit anderen Mädels redete und vermutlich die ganze Zeit, genauso wie der Rest des Footballteams, mit den Cheerleadern zusammen steckte?

"Was sagst du?", riss mich Kayla aus meinen Gedanken. Froh über die Ablenkung betrachtete ich das Kleid nochmal genauer, während sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitete.

"Es ist perfekt!" Und das war es.

Ein dumpfer Knall und ein lautes Fluchen riss mich aus meinen Gedanken. Bella, Kayla und ich sahen uns erschrocken an, bevor wir alle drei die Treppe nach unten hasteten.

Den Anblick, der uns im Wohnzimmer erwartete, hätten wir uns alle drei nicht ausmalen können.

When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt