Kapitel 17

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Auf dem Weg in mein Zimmer fischte ich das iphone aus meiner Tasche und entsperrte es. Kayla war wieder online - aber sie hatte mir noch immer nicht geantwortet.

> Bitte! Das ist alles irgendwie blöd gelaufen und ich muss das mit dir klären!

Seufzend schickte ich die Nachricht ab und bekam endlich eine Reaktion. Kayla rief an. Sofort drückte ich auf den grünen Hörer und hielt mir das Handy ans Ohr.

"Hallo?", fragte ich, als sich keiner meldete.

"Was ist passiert?", fragte Kayla und irgendwie klang sie nicht so, als würde sie noch lange auf die Antwort warten wollen. Trotzdem vertröstete ich sie auf später.

"Können wir uns vielleicht irgendwo treffen? Ich erzähle dir das wirklich ungern am Telefon."

Ein Seufzen von Kayla war die Antwort - und schließlich ein halbwegs überzeugendes "okay". Wir verabredeten uns in zwanzig Minuten im Pixel Paradise, weil meine Schicht sowieso bald beginnen würde. Dann legte ich auf, stopfte Handy, Schlüssel und meinen Geldbeutel in eine Tasche und verließ das Haus.

Kurz überkam mich ein schlechtes Gewissen, weil ich Arabella allein zuhause ließ, obwohl sie krank war. Doch andererseits war sie alt genug, für sich selbst zu sorgen und nach Hause gebracht hatte ich sie schließlich. Außerdem hatte sie meine Handynummer und könnte mich im Notfall auch anrufen.

Das war übrigens auch der Grund, warum ich überhaupt ein Handy besaß. Rebecca und Bella wollten mich immer erreichen und herumkommandieren können - auch wenn sie nicht in meiner Nähe waren. Deshalb bekam ich immer ein Handy, welches meine Stiefschwester bereits aussortiert hatte. Doch eigentlich war mir ziemlich egal, woher das Ding kam - hauptsache ich hatte die Möglichkeit, mich mit Kayla zu unterhalten, wenn wir nicht gerade in der Schule waren.

Ich nahm wieder meine Yamaha, um in das Café zu kommen und war wenige Minuten später da. Kayla noch nicht - stattdessen kam mir Logan entgegen.

"Jo, was machst du denn hier? Du weißt, dass deine Schicht erst in einer Stunde beginnt, oder?"

"Darf ich denn nicht auch einmal Gast in meinem Lieblingscafé sein?", fragte ich scheinheilig. "Außerdem brauchte ich einen Ort, wo ich mit Kayla ungestört reden kann. Du hast doch nicht vor, in den nächsten Minuten zu backen, oder?"

"Nein. Schließlich habt ihr bei eurer Mehlschlacht am Sonntag ja auch, wie durch ein Wunder, eine ganze Schachtel Chocolate Chip Cookies produziert, wo knapp die Hälfte noch da ist."

"Was nur noch die Hälfte?", fragte ich geschockt und stürzte zur Theke. "So schnell waren die ja noch nie weg."

Logan beobachtete mein Entsetzen amüsiert, bevor er sich auf den Barhocker hinter der Theke fallen ließ.

"Erstens haben wir gestern eine Kiste voll mit den neuen Blu-Rays und DVDs von Batman v Superman: Dawn of Justice, The Perfect Match und den anderen DVD-Neuerscheinungen bekommen - da kaufen viele Kunden gerne mal einen Kaffe oder etwas Süßes dazu."

Ich schätze, ich sollte mal wieder DVDs sortieren und mir dabei die Beschreibungen der neuen Filme durchlesen. Das war ein weiterer Vorteil, des Jobs im Pixel Paradise: neue DVDs konnte man erstens billiger kaufen und zweitens umsonst ausleihen. Die Austellungsstücke mussten schließlich nicht mehr in der durchsichtigen Plastikverpackung sein.

"Und außerdem hat ein gut aussehender junger Mann fast zwanzig dieser Kekse zum Mitnehmen gekauft", erklärte Logan. "Ich glaube, es war der Besitzer des Computers den du am Sonntag repariert hast." Meinte er etwa McTrayers? Was wollte der denn hier?

"Er schien übrigens ein wenig traurig darüber zu sein, dass ich ihn bedient habe. Wahrscheinlich hätte er lieber dich hinter der Theke gesehen. Obwohl ich zugeben muss, dass er wirklich nicht schlecht aussieht."

Logan richtete seinen Blick in die Ferne und träumte vor sich hin.

"Hey!", lachte ich. "Du bist viel zu alt für ihn! Außerdem glaube ich nicht, dass er schwul ist."

"Wer ist schwul?", fragte eine mir sehr bekannte Stimme von hinten. Sofort drehte ich mich um und drückte meine beste Freundin zur Begrüßung.

"Außer mir niemand", beantwortete mein Chef traurig die Frage. "Auch wenn es wünschenswert wäre."

Kayla klopfte Logan tröstend auf die Schulter, bevor ich sie hinter mir her zog. Ich wollte das, was zwischen uns beiden stand endlich klären.

"Also, was ist los?", fragte sie, während sie sich auf den Tisch stemmte und ihre Beine hinunter baumeln ließ.

Ich atmete kurz durch und überlegte, wie ich am besten anfangen sollte. Vermutlich war es keine schlechte Idee, von Beginn an zu erzählen - das hieß: die Chemiestunde.

Wie von selbst begannen die Worte aus meinem Mund zu fließen und Sätze zu bilden. Ich redete und redete. Kayla hörte mir aufmerksam zu und war nicht wirklich überrascht, als ich zu der Stelle kam, an der McTrayers mich um ein Date gebeten hatte.

Als ich ihr von Bellas Krankheit und Jordans Angebot uns ganz gentleman-like nach Hause zu fahren, schien für sie alles wieder einen Sinn zu ergeben. Damit Kayla nicht sofort über meine Stiefschwester herfiel und sie mit ihren Worten in der Luft zerriss, erklärte ich, dass Bella vermutlich tatsächlich krank sei und es nicht nur aus Jux und Tollerei vorgetäuscht hatte.

Das hinderte Kayla jedoch nicht daran, sich ganze acht Minuten über meine Schwester, und im besonderen über meine Stiefmutter, auszulassen.

Zum Glück hatte mir meine beste Freundin jedoch verziehen und wir quatschten noch über die verschiedensten Dinge, bis meine Schicht anfing und ich damit begann, die Tische sauber zu wischen.

Eigentlich hatte ich angenommen, Kayla würde sich jetzt aus dem Staub machen - schließlich war es nicht gerade spannend, mir beim Arbeiten zu zuschauen. Doch sie blieb noch am Tisch sitzen, zog ihr Handy heraus und schien auf etwas zu warten. Ich wollte gerade wieder zu ihr gehen, als ein Kunde auf die Theke zugeschlendert kam. Kayla musste wohl warten, bis ich diese junge Frau mit ihrem Café Latte und einem Bagel versorgt hatte.

Als ich das nächste Mal zu Kayla schaute, war sie nicht mehr allein - sondern mein Chef saß bei ihr. Die beiden waren in ein Gespräch vertieft. Verwirrt runzelte ich die Stirn - was gab es denn so wichtiges zu besprechen? Normalerweise redeten Kayla und Logan nicht mehr, als den üblichen Smalltalk, wenn Kayla mich von der Arbeit abholte. Doch jetzt schienen sie wirklich ein wichtiges Thema zu diskutieren.

Seltsamerweise wurde ich das Gefühl nicht los, es ginge um mich. Ich versuchte, mich unauffällig ihrem Tisch zu nähern, doch heute war ausnahmsweise recht viel los. Kaum war ich nahe genug an Kayla und Logan, um ein Wort zu verstehen, da wurde ich schon wieder weggerufen, weil jemand etwas kaufen wollte oder nicht in den Computer kam.

Nach sechs weiteren gescheiterten Versuchen gab ich schließlich auf und setzte mich hinter der Theke auf den Plastikstuhl. Ich holte mein Buch aus der dunkelbraunen Ledertasche, schlug es auf Seite 243 auf, wo ein dunkelrotes Freundschaftsarmband als Lesezeichen diente und verlor mich in der fiktiven Welt der Charaktere.

Wenigstens bekam ich in den Büchern alles wichtige mit und ich wusste zumindest meistens, dass es gut ausgehen würde.

Bei meinem realen Leben war ich mir da im Moment nicht so sicher. Schließlich hatte ich zu Hause ein Stiefmonster sitzen, das nur darauf wartete, dass ich mich über etwas freute, damit sie es sofort wieder kaputt machen könnte - und der einzige, der mir (zusammen mit Kayla) vielleicht da raus helfen könnte, war sauer auf mich und ich hatte keine Ahnung, wie ich das wieder gut machen sollte, was ich verbockt hatte.

Das waren ja super Aussichten!

When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt