Kapitel 43

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Ich fühlte mich beinahe wie eine Prinzessin, als ich die Stufen hinunter schwebte. Ja, diesmal beschrieb dieser Ausdruck wirklich mich selbst.

McTrayers und Logan waren nicht in Sicht, doch sie würden kommen und sie würden ihren Augen kaum trauen.

Ich wusste gar nicht, wo mein neugewonnenens Selbstvertrauen plötzlich her kam, doch ich wollte es mir nicht mehr wegnehmen lassen. Kayla legte mir eine Hand auf die Schulter, woraufhin ich mich kurz zu ihr nach hinten umdrehte. Ihr Blick war sanft und ermunterte mich noch mehr.

"Du bist unglaublich", flüsterte sie und ich wusste, dass sie damit nicht nur mein Äußeres meinte.

"Ja, ich finde, wir haben das wirklich gar nicht schlecht hinbekommen." Erst jetzt fiel mir auf wie unglaublich quietschend Arabellas Stimme war. Wie hatte ich das nur übersehen können? Allein daran merkte man doch, dass sie nichts als Lügen verbreitete!

Ich erwiderte nichts, sondern richtete meinen Blick wieder nach vorne - und da standen sie.

Obwohl ich versuchte, so cool zu bleiben, wie möglich, begann mein Herz plötzlich zu rasen. McTrayers ließ seinen Blick von oben nach unten über meinen Körper wandern - einmal, zweimal. Er wandte seine Augen gar nicht mehr von mir ab, betrachtete die zwei Mädchen links und rechts von mir überhaupt nicht. Er schien mich mit seinen Augen regelrecht aufzusaugen und ich musste mich konzentrieren, nicht plötzlich zu stolpern. Meine Knie waren bereits weich, wie Wackelpudding. Was stellte dieser Kerl nur mit mir an?

Um nicht doch noch abzustürzen, wandte ich den Blick schnell von ihm ab und richtete ihn stattdessen auf Logan. Unwillkürlich musste ich grinsen. Logan betrachtete mich so stolz, als wäre ich ein Neugeborenes, zum Ersten Mal in den Armen des überglücklichen Vaters. Ein warme Gefühl breitete sich in meiner Brust aus und wanderte durch meinen ganzen Körper. Es war nicht dieses seltsame, aufregende elektrisierte Flattern, welches McTrayers immer verursachte. Es war ein angenehmes und beruhigendes Gefühl.

Logan schien regelrecht überwältigt zu sein. Mit einer schnellen Bewegung wischte er sich über die Augen. Ich hatte es trotzden gesehen - er weinte. Wegen mir?

"Ich bin so unglaublich stolz auf dich, meine Kleine", flüsterte er in mein Ohr, als er mich in seine Arme schloss.

Dann ließ er mich schnell wieder los, klatschte grinsend in die Hände und scheuchte uns zu seinem Auto. Der Ball konnte beginnen.

Sobald Logan die Türen seines alten Thunderbird entsperrt hatte, ließ ich mich auf den Beifahrersitz plumpsen. Ich wollte absolut nicht neben dem Biest von Stiefmonster sitzen, das sich gerade in den Wagen quetschte. Und würde ich die ganze Fahrt über McTrayers' Seite an meiner spüren, wäre ich wohl mit den Nerven schon am Ende bevor wir überhaupt angekommen wären.

Kayla warf mir nur einen wissenden Blick zu und ließ sich schließlich als letzte in den Wagen gleiten.

Ich bekam kaum etwas von der Fahrt mit. Die ganze Zeit überlegte ich, ob ich denn die richtige Entscheidung getroffen hatte. War es wirklich eine gute Idee, auf diesen Schulball zu gehen? Eine unglaubliche Nervosität machte sich in mir breit. Doch jetzt war es ohnehin zu spät. Nun gab es kein Zurück mehr.

Ich versuchte cool zu bleiben, doch bei dem Anblick der festlich geschmückter Turnhalle fingen meine Hände an wie verrückt zu zittern. Wieso war ich diesmal nur so aufgeregt? Es war schließlich nichts anders als die letzten Jahre. Estelle und Bella wurden von den beliebtesten Kerlen der Schule begleitet. Kayla hatte ebenfalls ein Date. Nur ich war wieder mal der Loser der allein auftauchte. Wir kletterten alle aus Logans Wagen. Bella hakte sich sofort bei McTrayers ein und zog ihn durch den mit Rosen und Lichterketten geschmückten Torbogen, der vor dem Eingang stand. Kayla holte währenddessen ihr Handy aus ihrer schwarzen Clutch und rief Tobias an, dass er sie nun abholen konnte. Irgendwie fühlte ich mich ein wenig verloren. Logan strich mir sanft über den Arm und zog mich in eine Umarmung.

"Versprich mir bitte etwas", sagte er. "Versuch wenigstens ein bisschen Spaß zu haben, okay? Du hast es echt verdient."

Ich nickte. Vielleicht wurde es ja wirklich rin guter Abend. Man wusste schließlich nie, was noch kommen würde.

Logan winkte mir noch ein letztes Mal zu, bevor er mit dem Thunderbird den Parkplatz verließ. Einen kurzen Moment wusste ich nicht recht, wohin mit mir, doch dann packte meine beste Freundin mich schon an der Hand und zog mich nach drinnen.

"Komm endlich!", rief sie aufgeregt. "Tobias wartet schon auf uns."

Ich hatte kaum Zeit, die verschiedenen Eindrücke in mich aufzunehmen. Warum kam mir dieser Schulball so viel heller, freundlicher und größer vor, als die letzten Jahre? Hatte er sich wirklich so stark verändert? Oder war ich es, die sich verändert hatte?

"Hey", begrüßte uns Tobias mit einem breiten Grinsen. Er schloss Kayla kurz in die Arme und machte dann das selbe mit mir. Okay, mit dieser Begrüßung hatte ich definitiv nicht gerechnet. Leicht überrumpelt sah ich ihn an, doch er hatte nur Augen für meine beste Freundin. Kein Wunder, in dem kurzen weißen Cocktailkleid sah sie aus wie eine afrikanische Halbgöttin!

"Wollen wir tanzen?", fragte Toby und bot Kayla einen Arm an. Wow, er war auch noch ein richtiger Gentleman. Langsam konnte ich verstehen, warum Kay so sehr für ihn schwärmte.

"Na klar", strahlte sie und drehte sich zu mir um. "Na los, komm doch mit!"

Sofort schüttelte ich den Kopf. Erstens konnte ich absolut überhaupt gar nicht tanzen und zweitens merkte ich beiden an, dass sie lieber allein sein würden, jedoch viel zu nett waren, um mir das zu sagen.

"Nein. Geht ihr mal. Ich komm schon klar." Mit einer wegwerfenden Handbewegung scheuchte ich die Beiden davon und sah ihnen nach, wie sie langsam auf die Tanzfläche zu gingen. Nun stand ich doch alleine da - genauso wie ich es befürchtet und geahnt hatte. Es änderte sich doch nie etwas.

Seufzend ging ich auf das Buffet zu, schenkte mir ein Glas der dunkelroten Bowle ein, die bestimmt eine gewisse Menge verbotenen herein geschmuggelten Wodkas enthielt, schnappte mir ein großes Pizzastück und suchte mir ein Plätzchen etwas abseits von dem Trubel.

Warum bloß hatte ich unbedingt zu diesem Ball gewollt? Nur weil mich auf einmal jemand gefragt hatte, ob ich mit ihm hingehen würde? Ich hatte abgesagt!, erinnerte ich mich selbst. Was sollte in diesem Jahr schon anders laufen?

Glücklicherweise hatte ich ein Bauchgefühl, welches wenigstens halbwegs bei Vernunft war. Diesem Gefühl nach befand sich in meiner etwas unhandlichen weißen Handtasche (die ich gnädigerweise von Bella ausleihen durfte) ein 400-Seiten-Schmöker, welchen ich schließlich herauszog und auf meinen Knien abstützte. Mein Rücken lehnte an der dunkelroten Backsteinwand und meine Beine hatte ich angezogen. Damit der Traum von Kleid nicht auch noch in Mitleidenschaft gezogen wurde, hatte ich mir das Jackett genommen, welches herrenlos über eines der Stühle gehangen hatte. Wer nicht wollte, dass man ihm seine Jacke klaute, musste wohl besser darauf aufpassen.

Mit einem vorfreudigen Lächeln schlug ich den Roman auf, suchte einen kurzen Moment, bis ich die Stelle gefunden hatte, an der ich zuletzt aufgehört hatte und verschwand in der fiktiven Welt der Zauberei. Die Realität entfernte sich immer weiter von mir, bis ich schließlich nichts mehr wahr nahm bis auf den leicht stechenden typischen Geruch des Krankenflügels unter Madam Pomfreys Aufsicht, den sich meine Nase beim Lesen einbildete.

When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt